Wohnungen sind knapp in Konstanz. Noch knapper sind Wohnungen, die sich Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen leisten können – die Erzieherin, der Busfahrer, der Kassierer, die Krankenpflegerin. Gegen diesen Mangel baut die städtische Wohnungsbau Konstanz (WOBAK) an – und will noch dieses Jahr für 250 Wohnungen den Grundstein legen. Aber ändert das was an den hohen Mieten in der Stadt?
In Konstanz gibt es etwa 46.000 Wohnungen, darunter 33.000 Mietwohnungen. Diese Quote von 72 Prozent entspricht ziemlich genau dem Durchschnittswert aller westdeutschen Großstädte. In ganz Baden-Württemberg – die kleineren Städte und Dörfer mitgerechnet – sind dagegen nur gut die Hälfte aller Wohnungen vermietet.
Von den 33.000 Konstanzer Mietwohnungen gehören 8000, also rund ein Viertel, gemeinwohlorientierten Vermietern wie der WOBAK, dem Spar- und Bauverein, den Genossenschaften Hegau und Familienheim, der Neuen Arbeit und nicht zuletzt der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die gerade in der Steinstraße neue Wohnungen für ihre Beschäftigten errichtet. Das Land Baden-Württemberg, dem früher auch viele Wohnungen in Konstanz gehörten, hat diese nahezu alle verkauft. Zuletzt einen großen Schwung an die Vonovia.
Fluktuation treibt die Mieten nach oben
Die Konstanzer Quote an gemeinwohlorientierten Mietwohnungen ist für eine Stadt mit 85.000 Einwohner:innen ungewöhnlich hoch. Man sollte also annehmen, dass die günstigen Mieten dieser Anbieter das Mietniveau insgesamt senken. So verlangt etwa die WOBAK – mit einem Bestand von 4400 Wohnungen der größte dem Gemeinwohl verpflichtete Vermieter in der Stadt – Quadratmetermieten von drei bis zehn Euro; im Durchschnitt knapp sieben Euro. Demgegenüber lag die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß dem Mietspiegel von 2022 bereits bei 10,37 Euro. Für Neuvermietungen werden nach Berechnung der Sparkasse und diverser Immobilienportale auf dem freien Markt durchschnittlich rund 14 Euro verlangt.
Warum ist das Mietniveau trotz der vielen günstigen Wohnungen im Vergleich zu vielen anderen Städten dieser Größe so hoch? Wesentliche Ursache ist die hohe Fluktuation. Während bundesweit über die letzten dreissig Jahre gerechnet jährlich drei Prozent der Einwohner:innen in eine andere Gemeinde umzogen, waren es in Konstanz anteilig dreimal mehr Zu- oder Wegzüge. Mit jedem Mieterwechsel bietet sich dem Vermieter Gelegenheit, die Miete problemlos zu erhöhen. Bei einem fortwährenden Mietverhältnis ist dies aufwendiger und wird seltener gemacht.
Wie das Land die WOBAK fördert
Während sich in den letzten Jahren im gemeinwohlorientierten Wohnungsbau nur wenig tat, plant die WOBAK nun den großen Wurf. Allein auf dem ehemaligen Parkplatz des Siemensareals an der Bücklestraße sollen in vier bis zu zehn Etagen hohen Wohntürmen 200 neue Wohnungen entstehen, davon 170 im geförderten Wohnungsbau und damit für Haushalte mit Wohnberechtigungsschein. Die Einkommensobergrenze für einen Wohnberechtigungsschein lag 2024 für eine vierköpfige Familie bei 75.800 Euro im Jahr.
Für den Bau ihres seit fünfzig Jahren größten Projekts wird die WOBAK mindestens 80 Millionen Euro aufwenden müssen. Lässt sie sich auf die maximale Belegungsbindung von vierzig Jahren ein, bekommt sie vom Land 64 Millionen Euro als zinsloses Darlehen für die Baukosten.
Insgesamt stellt Baden-Württemberg in diesem Jahr 750 Millionen Euro für die Wohnbauförderung bereit, sei es als Zinsverbilligung oder Zuschuss; knapp zwei Drittel davon werden aus dem Etat des Bundes refinanziert. 150 der 750 Millionen dienen der Förderung von Wohneigentum, für den Bau von Mietwohnungen bleiben also nur 600 Millionen Euro.
Nach dem Windhundverfahren
Dem Deutschen Gewerkschaftsbund DGB und dem Verband der Wohnungsunternehmen ist das zu wenig. Sie verweisen auf Bayern, das für 2025 1,1 Milliarden Euro Wohnraumförderung vorgesehen hat. Auch WOBAK-Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch schreibt: „Wir brauchen eine auskömmliche Förderung, um unserem sozialen Auftrag nachzukommen.“
Die baden-württembergischen Fördergelder werden ohne weitere Bedarfsanalyse (wo wird welcher Wohnraum besonders dringlich gebraucht?) nach dem Windhundverfahren in der Reihenfolge des Antragseingangs vergeben: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Mit dem Ergebnis, dass die Fördermittel für das laufende Jahr oft bereits im Sommer ausgeschöpft sind.
Wer später beantragt, wird erst im nächsten Jahr bedient. So blockiert dann Jahr für Jahr eine Bugwelle aus Anträgen vom Vorjahr das aktuelle Programm. Die WOBAK tat also gut daran, ihren Förderantrag für 2025 bereits Ende letzten Jahres zu stellen.
Die WOBAK baut und ein Investor sahnt ab
Über den Bau hinaus fördert das Land auch den Erwerb des dafür notwendigen Grundstücks. In der entscheidenden Gemeinderatssitzung kritisierte Holger Reile (Linke Liste Konstanz): Erst habe die Stadt auf ihr Vorkaufsrecht für das Siemensareal verzichtet und dieses dem Investor I+R überlassen. Dann entlasse man den Investor auch noch aus der Pflicht, das Areal zu dreißig Prozent mit geförderten Wohnungen zu bebauen, und übertrage dies der WOBAK. Die wiederum an I+R für nur ein Drittel des Gesamtgrundstücks die Hälfte dessen bezahlen musste, was I+R-einst für das gesamte Gelände berappte.
Klar wären Stadt und WOBAK besser gefahren, wenn sie damals selbst das Grundstück erworben hätten. Da jedoch diese Chance vertan war und sich das Areal in der privaten Hand von I+R befand, blieb als vernünftige Lösung aus wohnungswirtschaftlicher Sicht der Rückkauf durch die WOBAK. Sie vermietet nämlich – so ihre Satzung und Geschäftspolitik – die Wohnungen auch nach Ablauf der Sozialbindung günstig. Ein profitorientierter Investor trachtet dagegen danach, die Wohnungen dann zu veräußern oder teuerstmöglich zu vermieten – wie im Laubenhof, wo die Sozialbindung bereits nach 15 Jahren enden wird.
Neuer Wohnraum für Azubis …
Für eine spezielle Zielgruppe ist ein anderes Projekt vorgesehen: In der Schwaketenstraße gegenüber der Grundschule Wollmatingen plant die WOBAK ein Azubi-Wohnheim mit 33 Apartments. Das Gebäude soll in Holzbauweise hohen ökologischen Ansprüchen genügen. Auch hierfür hat die WOBAK noch 2024 einen Förderantrag gestellt und kann mit 15 Millionen Euro Zuschuss aus dem Programm „Junges Wohnen“ rechnen.
Diese aus Bundesmitteln refinanzierte Förderlinie soll die Wohnsituation von Studierenden und Auszubildenden verbessern. Während die Schaffung von Wohnheimplätzen für Studierende schon lange gefördert wird, übernimmt das Bauministerium nun erstmals auch die Förderung für Wohnheimplätze speziell für Auszubildende.
Die Handwerkskammer Konstanz, die IHK Hochrhein-Bodensee und die Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg unterstützen das Vorhaben. „Das Azubi-Wohnheim ist ein wichtiger Baustein, um den Wirtschaftsstandort Konstanz zu stärken. Viele Konstanzer Unternehmen finden aktuell nicht genügend Azubis, weil junge Menschen in Konstanz keine Wohnung finden“, begrüßte OB Uli Burchardt das Projekt.
… und für Randständige
Auch im Berchengebiet will sich die WOBAK ein Bauvorhaben fördern lassen, nämlich 16 Wohnungen für „Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung“. Für diese gibt es vom Land über die normale Förderung für Sozialwohnungen hinaus noch einen extra Zustupf.
Unter den sehr eng gefassten Personenkreis, der in diese Wohnungen dann einziehen darf, fallen beispielsweise Obdachlose, aus dem Maßregelvollzug Entlassene, Sinti und Roma; nicht aber Geflüchtete, physisch oder psychisch Beeinträchtigte und schon gar nicht Menschen, die einfach nur wenig Geld haben.
Das künftige Wärmenetz, welches das Berchengebiet dereinst mit Fernwärme aus der Kläranlage versorgen soll, kommt für das Bauvorhaben zu spät. Deshalb will WOBAK das neue Gebäude mit einer Luftwärmepumpe beheizen.
Marienweg in Litzelstetten – im Labyrinth des Baurechts
Noch keine Förderanträge hat die WOBAK für ihre am nördlichen Ortsausgang von Litzelstetten geplanten insgesamt 65 Mietwohnungen gestellt. Hier sollen im ersten Bauabschnitt entlang der Martin-Schleyer-Straße in vier Baukörpern 40 Wohnungen gebaut werden, später dann drei weitere Häuser weiter oben am Hang zum Marienweg hin.
Das Projekt hat eine lange und konfliktreiche Vorgeschichte. Bereits Anfang 2017 fand ein städtebaulicher Wettbewerb statt. Auf Basis des Wettbewerbsergebnisses wurde ein städtebaulicher Entwurf als Grundlage des Bebauungsplans erarbeitet. Außer den WOBAK-Gebäuden war auch ein Mehrfamilienhaus für Baugruppen vorgesehen, andere Flächen sind für Projekte der Alteigentümer reserviert, die im Baugebiet Grundstücke an die Stadt verkauft haben.
Die Naturschutzverbände sprachen sich damals gegen den Standort aus, „da die Bebauung vom See her einsehbar ist und damit dem Bodenseeleitbild, das auch Konstanz mit gezeichnet hat, widerspricht. […]Nicht nur das Bodenseeleitbild wird hierdurch verletzt auch eine Streuobstwiese zu bebauen ist ein sehr schlimmer Eingriff in die Natur.“
Die lange Verzögerung ist auch dem Umstand geschuldet, dass sich die Verwaltung mit dem Regierungspräsidium anlegte. Die Stadt darf sich selbst oder ihren Unternehmen (WOBAK, Spitalstiftung, Stadtwerke) nämlich nur dann eine Baugenehmigung erteilen, wenn diese unstrittig ist. Gibt es dagegen einen Einwand, wird das Regierungspräsidium zuständig. Damit soll sichergestellt werden, dass die Stadt nicht parteiisch in eigener Sache entscheidet. Das jedoch wollte die Kommunalverwaltung partout nicht einsehen, sie lenkte auch auf gutes Zureden nicht ein – und so wurde die städtische Baugenehmigung schließlich durch förmliche Anweisung aus Freiburg aufgehoben.
Nicht ohne Umweltprüfung
Als Schuss in den Ofen erwies dann auch der Bebauungsplan, auf dem die Baugenehmigung beruhte. Die Große Koalition hatte 2017 mit dem neuen Paragraphen 13b Baugesetzbuch erlaubt, Freiflächen im Randbereich von Siedlungen in einem vereinfachten Verfahren ohne Umweltprüfung, ohne Ausgleichsmaßnahmen und ohne Berücksichtigung des Flächennutzungsplans mit Wohnungen zu überbauen.
Die Stadt hatte ihren Bebauungsplan auf dieser Basis aufgestellt. Jedoch befand das Bundesverwaltungsgericht im Sommer 2023 auf Antrag des BUND, dass der Paragraph 13b BauGB nicht mit EU-Recht vereinbar und damit nichtig sei (seemoz berichtete). So musste nachgebessert werden. Erst im letzten November konnte der Gemeinderat dann, wiederum gegen die Einwände der Naturschutzverbände, den „geheilten“ Bebauungsplan beschließen, auf dessen Grundlage die WOBAK nun eine Baugenehmigung beantragen kann.
Kein Fortschritt im Hockgraben
Noch länger warten muss man auf das Bauvorhaben „Jungerhalde West“. Auf einem Acker am Rand des Hockgrabens und nahe dem Allmannsdorfer Waldkindergarten soll die WOBAK 130 Wohnungen in Holzbauweise errichten. Auch dabei hofft sie auf Fördermittel, diesmal aus der Holzbauoffensive des Landes.
Energisch widersetzt sich die Bürgergemeinschaft Allmannsdorf Staad (BAS) dem Bauvorhaben: „Das Gebiet kam nur deshalb in den Topf [des Handlungsprogramms Wohnen], weil man 2015 schnelle und unbürokratische Möglichkeiten suchte, Unterkünfte für Flüchtlinge zu bauen“, sagt BAS-Vorsitzender Sven Martin. „Das Areal war nicht im Flächennutzungsplan enthalten. Das überschreitet für uns eine rote Linie.“
Da die Stadt für das Gebiet bislang noch nicht einmal den Entwurf eines Bebauungsplans vorgelegt hat, stehen Bau- und Förderanträge noch in weiter Ferne.
Fazit: zu wenig Bundes- und Landesmittel
Kommt die WOBAK mit ihren rechtzeitig gestellten Förderanträgen zum Zug, wird ein beträchtlicher Anteil der Landesmittel für den sozialen Wohnungsbau nach Konstanz fließen. Dazu kann man der WOBAK dann nur gratulieren. Gleichzeitig wird offenbar, wie gering die Bundes- und Landesförderung für den Wohnungsbau bemessen ist, wenn sie doch schon von einer einzigen Stadt zu großen Teilen beansprucht wird.
Zudem werden auch weitere 250 und noch ein paar preisgebundene Wohnungen den Anstieg der Mieten in Konstanz kaum bändigen. Ein wesentlicher Grund für die hier exorbitant hohen Mieten ist die hohe Fluktuation der Mieter:innen auf dem freien Wohnungsmarkt. Mit jedem Mieterwechsel steigen die Preise.
Text: Ralph-Raymond Braun
Illustrationen: Aus den Planungsunterlagen
Foto vom früheren Siemensparkplatz: pw
„Mieten runter!“
In Sachen Mietenwahnsinn läuft aktuell in Baden-Württemberg die Unterschriftensammlung für den von der Linken initiierten Volksantrag „Mieten runter!“.
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