Noch immer mauern die Bundesländer. Weil sich keine Mehrheit fand, verweigern die Landesregierungen den studentischen Beschäftigten an den Hochschulen einen ordentlichen Tarifvertrag. Und doch war ihr Kampf für höheren Lohn und bessere Bedingungen nicht umsonst, wie Wibke Rhein am 1. Mai in Konstanz berichtete.
Liebe Kolleg:innen,
TV Stud, das ist nicht der Name eines Fernsehsenders, sondern der einer bundesweiten Initiative, die sich für einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte einsetzt. Warum?
Zwei Drittel aller Studierenden sind auf einen Nebenjob angewiesen, um ihr Studium zu finanzieren. Ein nicht unerheblicher Teil – so auch ich – tut dies als studentische Hilfskraft. Sechs Jahre habe ich neben meinem Studium Bücher ausgeliehen, plakatiert, Fußnoten korrigiert, Websites gepflegt, Texte übersetzt, Tagungen organisatorisch begleitet, Rechercheaufträge erledigt, und – sehr viel gescannt.
Während ich die Zahl meiner Vorgesetzten an einer Hand abzählen kann, wird das bei meinen Arbeitsverträgen schon etwas schwieriger: In meinem persönlichen Archiv habe ich 21 Arbeitsverträge gezählt, der kürzeste davon gerade einmal drei Monate lang für einen Umfang von zehn Stunden im Monat.
Meine Arbeitskraft war dabei ein richtiges Schnäppchen: Angefangen habe ich für einen Stundenlohn von 9,17 Euro, am Ende waren es ganze 10,01 Euro!
Den Job muss man sich leisten können
Dass ich damit nicht alleine bin, hat unsere bundesweite Bestandsaufnahme „jung, akademisch, prekär“ gezeigt. Im Rahmen dieser haben wir bundesweit 11.000 studentische Beschäftigte zu ihren Arbeitsbedingungen befragt und auch in Konstanz waren die Kolleg:innen fleißig: Durch viel Laufarbeit haben wir knapp 400 Kolleg:innen erreicht, die sich ebenfalls an der Befragung beteiligten.
Die Ergebnisse lesen sich fast schon wie das Gegenteil unseres heutigen 1.-Mai-Mottos des DGB „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“: Leben am Existenzminimum, Kettenbefristungen statt Planungssicherheit und verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind für die studentischen Hilfskräfte Normalzustand.
Dass man diesen Job doch nicht für Geld mache, dass es vielmehr um das Sammeln wertvoller Erfahrungen gehe, dass viele Hiwis sowieso nicht auf den Lohn angewiesen seien – das ist nicht das geniale Argument gegen unsere Forderung, wie einige Menschen zu denken scheinen. Denn eigentlich heißt es, dass man sich den Job als Hiwi und damit nicht selten den Einstieg in eine Karriere an der Uni erst einmal leisten können muss. Und das ist ein Problem.
Auf der Straße
Für unsere Forderungen sind wir deshalb mit den Kolleg:innen in der Tarifrunde auf die Straße gegangen: An über 100 Standorten haben sich Studis zu gemeinsamen Aktionen getroffen, über 80 Hochschulen wurden bestreikt.
Dass das ein mühsamer Kampf ist, hat das Ergebnis der Tarifrunde gezeigt. Hiwis ohne Abschluss bekommen seit dem 1. April immerhin 13,25 Euro, mit Bachelor-Abschluss sind es 14,09. Gefordert hatten wir jedoch 16,50 Euro in der Stunde, und eine dynamische Lohnanpassung.
Statt der geforderten Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten mit einer Mindeststundenanzahl, geregelt durch einen Tarifvertrag, haben wir jetzt eine schuldrechtliche Vereinbarung – eine Art Verpflichtung, die jedoch nicht dieselben Rechte wie ein Tarifvertrag enthält. Aber immerhin sieht das Ergebnis eine Mindestvertragslaufzeit von 12 Monaten vor. Allerdings blieb auch unsere Forderung nach wirklicher Mitbestimmung in den Personalräten unerfüllt.
Dank den solidarischen Kolleg:innen
Wenn mich also Kolleg:innen fragen, ob ich mit der Tarifrunde zufrieden bin, verziehe ich meistens das Gesicht, weil ich darauf zwei Antworten habe. Die Antwort an die Arbeitgeberseite ist eher lang und unflätig, und ich will sie jetzt mal so zusammenfassen: Das ist zu wenig.
Den Kolleg:innen aber würde ich gerne sagen, dass ich es umso beachtlicher finde, was sie trotz dieser Haltung der Arbeitgeberseite erreicht haben. In der letzten Tarifrunde waren wir gerade einmal zwei Hände voll Leute, die den Streik der Kolleg;innen an der HTWG und dem ZfP solidarisch begleitet hatten.
Ende letzten Jahres aber konnten wir zu unserer aktiven Mittagpause über 200 Beschäftigte, darunter auch viele Hilfskräfte, mobilisieren. Und zum ersten Mal seit langem wurde die Uni von der Gewerkschaft zum Streik aufgerufen, von dem sich die Kolleg:innen trotz widrigster Wetterumstände nicht abhalten ließen.
Dass wir als TV-Stud soviel Aufmerksamkeit generieren konnten, verdanken wir auch der Solidarität unserer Kolleg:innen – aus den Sekretariaten, den wissenschaftlichen Werkstätten, und wo sie sonst noch für zu wenig Geld oder unter schlechten Bedingungen wichtige Arbeit leisten.
Gerade wenn das Geld eh schon knapp ist, wenn neben dem Studium mehrere Jobs geschultert werden müssen, schlecht bezahlte Sekretariatsstellen mit Familienleben balanciert werden wollen oder der nächste befristete Arbeitsvertrag ergattert werden muss, ist es umso bemerkenswerter, dass sich Kolleg:innen Zeit nehmen, etwas einzufordern und zu erkämpfen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. An dieser Stelle deshalb ein großes Danke an alle, die mitgeholfen haben und an die vielen solidarischen Kolleg:innen.
Und so mager die Zugeständnisse der Arbeitgeberseite sind: TV Stud hat mit der Verhandlungszusage für die nächste Tarifrunde einen, oder – besser gesagt – sehr viele Füße in der Tür. Wir werden nicht müde werden, die Arbeitgeberseite an ihre Versprechen zu erinnern.
Text: Wibke Rhein von TV-Stud / Fotos Pit Wuhrer
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