Wie seemoz berichtete, haben die Stadtwerke aufgrund der angespannten Personalsituation die Busfahrpläne ausgedünnt. Hinzu kamen in den letzten Wochen krankheitsbedingt weitere, kurzfristig angekündigte Kursausfälle. Die Freie Grüne Liste sorgt sich nun um die Attraktivität des „Roten Arnold“ und will auf der heutigen Gemeinderatssitzung über den Personalmangel sprechen.
Ein schmerzhafter Einschnitt war Umstellung der Linien 3 und 12 von bisher alle 15 Minuten auf einen 20-Minuten-Takt. Dadurch müssen beispielsweise Fahrgäste zwischen Altstadt und Fürstenberg, wenn denn die Busse pünktlich sind, statt bisher 5 Minuten nun das eine Mal 2 Minuten, das andere Mal 10 Minuten warten. Für Studierende entfällt die im Semester proppenvolle Linie 9C. Da die Studis über ihr Studiticket ja sowieso über einen längeren Zeitraum hinweg zahlen (wie auch die vielen Nutzer:innen des Deutschlandtickets), ist es aus kaufmännischer Sicht sinnvoll, hier das Angebot einzuschränken.
Samstags, wenn der/die eine oder andere vielleicht aus den Bodanrück-Vororten in der Altstadt einkaufen möchte, entfallen 32 Kurse der Ringlinien 4/13 und 13/4. Das spart besonders viele Streckenkilometer und Arbeitsstunden der Fahrer:innen. Weiterhin gestrichen wurden samstags 16 Fahrten der Linie 6.
Während der städtische Masterplan Mobilität 2020+ noch konstatiert, dass „einige Buslinien (Linien 9 A-C zur Universität, Linie 4 zur Insel Mainau) […] an der Kapazitätsgrenze [liegen] und ihre Erschließungsfunktion innerhalb der Stadt zu Stoßzeiten nur noch eingeschränkt erfüllen“, wurde das Angebot auf genau diesen Linien nun reduziert. Rechtfertigung der Stadtwerke (SWK): Insgesamt geringere Nachfrage gegenüber Vor-Corona-Zeiten und zu wenige Fahrer:innen.
Warum fehlen Busfahrer:innen?
Aber warum mangelt es beim nach dem sozialdemokratischen Bürgermeister Fritz Arnold (1883–1950) benannten Bussystem an Personal? Liegt’s am Gehalt? Die Stadtwerke entlohnen ihr Personal unterhalb der Chefetage nach Tarif, was in der Busbranche nicht selbstverständlich ist. Ein Fahrer (Frauen sieht man aktuell keine mehr am Steuer) in Vollzeit kommt so mit Zuschlägen auf brutto 3500 bis 4000 Euro im Monat, dazu Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt und für die Älteren mehr Freizeit bei vollem Lohnausgleich. Lässt sich davon in Konstanz nicht mehr leben? Jedenfalls sind die Löhne in der Schweiz um 50 Prozent höher. „Vor allem auch Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund, für die das Arbeiten im Ausland schon bei uns gewohnte Realität ist, nutzen die Stadtwerke auch gezielt als Sprungbrett in die Schweiz“, erklären die Stadtwerke.
Sicher könnten Betriebswohnungen die finanzielle Belastung verringern und Fahrer und Fahrerinnen an die Stadtwerke binden. Da gäbe es schon ein paar, die man fest angemietet und an Kolleg:innen untervermietet habe, so die SWK. Aktuell stünde man im Kontakt mit der Caritas, um übergangsweise Wohnraum im zwischenzeitlich leerstehenden Marienhaus anzumieten.
Hier wollte die Caritas ursprünglich 31 Wohnungen für ihr eigenes Personal einrichten, hat den Umbau jedoch wegen der hohen Bau- und Zinskosten auf unbestimmte Zeit verschoben. So gibt es aktuell in diesem ehemaligen Senior:innenheim freie Zimmer, aber keine Wohnungen. Was heißt, die SWK könnten hier vielleicht auf Zeit Lehrlinge und Praktikant:innen unterbringen, nicht aber ihr Stammpersonal mit dauerhaft günstigen Wohnungen ködern. In punkto Betriebswohnungen ist also noch Luft nach oben.
Unbeliebte Wechselschichten
Wie schaut es mit den Arbeitszeiten aus? Gearbeitet wird in Wechselschicht mit drei Schichtlagen, jede(r) hat also wechselnd Früh-, Mittags- und Spätschicht. Gewechselt wird nicht im Wochenrhythmus, sondern alle sechs Tage. Die Fahrer:innen arbeiten vier Tage und haben dann zwei Tage frei, womit sich auch die freien Tage jede Woche verschieben.
Dass dieses Arbeitszeitmodell insbesondere wegen der Wechselschichten die Gesundheit und das Sozialleben der Beschäftigten beeinträchtigt, liegt auf der Hand. So schwindet branchenübergreifend die Akzeptanz für Schicht- und Wochenendarbeit. Und mancher, der vom Bus im ÖPNV zum Lkw im Baustellenverkehr gewechselt hat, mag dies nicht aus finanziellen Gründen, sondern um günstigerer Arbeitszeiten willen getan haben. Wie starr oder flexibel die Stadtwerke ihr Schichtmodell dem Buspersonal überstülpen, wissen wir nicht. Um Eltern jüngerer Kinder, Nachteulen oder chronische Frühaufsteher zu gewinnen und zu behalten, taugt es jedenfalls nicht.
Mobilitätswende mit weniger ÖPNV?
Das Betriebsklima ist ein weiterer Faktor, der Mitarbeiter:innen bindet oder vertreibt. Von außen ist es nur schwer zu fassen. Wer abgesprungen ist, lässt kein gutes Haar; wer noch dabei ist, berichtet Gutes oder schweigt. Diesen Graubereich wird auch die Gemeinderatssitzung nicht ausleuchten. Fakt ist: Auf Kante gestrickte Einsatzpläne, die zeitweise katastrophale, durch die vielen Baustellen noch verschlimmerte Verkehrssituation in der Innenstadt, dazu der immer schwieriger werdende Umgang mit oft aggressiven Fahrgästen werden zunehmend als Belastung empfunden.
Zwar steht, verglichen etwa mit Friedrichshafen, das Konstanzer Busangebot noch immer gut da. „Wenn aber zunehmend mehr Bürgerinnen und Bürger den Bus nutzen sollen, muss er eine gute Linienführung haben, die wesentlichen Einrichtungen der Stadt bedienen, zuverlässig und preiswert sein und in regelmäßigem, kurzem Abstand fahren“, so die FGL in ihrem Antrag. Das sei derzeit leider nicht gegeben. Während sich anderorts das Angebot in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, geht Konstanz den umgekehrten Weg.
Text: Ralph-Raymond Braun / Foto: Pit Wuhrer
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