Ampelmännchen © Jos Van Ouwerkerk via Pexels

Von allen Seiten auf uns mit Gebrüll

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Wie man’s in Sachen Verkehr auch macht, es ist verkehrt – oder wird zumindest erheblich teurer, als sich das der Normalmensch so vorstellt. Aber welch Aufwand betrieben wird, die vor allem samstäglichen Autoströme der Beute-Germanen und -Helvetier auf den Straßen von Konstanz zu kanalisieren, kann mensch sich beim besten Willen kaum vorstellen.

Die bedrückende Erfahrung von der Beschränktheit der normalmenschlichen Vorstellungskraft in Sachen Verkehrsplanung und deren Kosten macht die Verwaltung immer wieder, und das mag einer der Gründe sein, weshalb sie den mehr oder weniger tollkühnen Vorschlägen und Ansinnen ihrer Untertanen am liebsten mit einem mürrisch-abweisenden Grinsen aus dem Weg geht. Oder darauf verweist, dass man ja gern Auskunft geben würde, dass dafür aber eine andere Stelle zuständig sei, die man aber leider, leider gerade nicht benennen oder gar erreichen könne.

Aber lassen wir den alltäglichen Wahnsinn einfach mal beiseite, und konzentrieren wir uns auf die außerordentlichen Anschläge auf das menschliche Nervensystem, den Einkaufsverkehr am Wochenende nämlich. Im Technischen und Umweltausschuss TUA ging es nämlich jüngst wieder einmal um das, was auf gut Durchblickerdeutsch „Verkehrsmanagement“ genannt wird. Gemeint ist die weitgehend gewaltfreie Abfüllung der einkaufswilligen Autofahrer*innenmassen in die allseits aufgestellten Parkhäuser und Einkaufstempel. Und die hat es für alle Beteiligten in sich.

Manuell vs. Digital

Natürlich gibt es im Computerzeitalter auch hierfür zwei Wege: Das manuelle und das digitale Verkehrsmanagement.

Das manuelle trägt eine Weste in Leuchtfarben, ist meist jung, männlich, wagemutig und sichtbar stolz auf die Bedeutung des eigenen Tuns im gesellschaftlichen Friedensprozess. Man findet es beispielsweise auf der alten Rheinbrücke, wo es sich den Automassen zwar unbewaffnet (?), aber mit echtem Todesmut in den Weg stellt. Diese edlen Ritter des neuzeitlichen Straßenkampfes hören auf den Namen „Verkehrskadetten“. Sie sind jene Menschen, wie es in schönstem Ausschussdeutsch heißt, „die an Hochlasttagen in der linksrheinischen Innenstadt Zufahrten zu Parkhäusern und Straßen sperren, wenn die Stellplatzanlagen kurz vor Auslastung sind (bei Berücksichtigung des im Straßensystem befindlichen Verkehrs) bzw. die Parkhaus-Zufahrten sich nicht bis in den Altstadtring hinein stauen. Die Sperrungen dauern bis zur Wiederöffnung […]“. (Sic!)

Seit 2015 fordert die Stadt Konstanz dafür die Verkehrskadetten Konstanz-Hegau (VK) an. Aber deren Arbeit ist leider trotz ihres Nutzens für die Allgemeinheit nicht umsonst, weshalb die Verwaltung jetzt mehr Geld beantragte, um ihre Arbeit auch 2024 entlohnen zu können. „Die Maßnahmen werden zurzeit mit 140.000 Euro aus dem Haushalt der MTK und mit 60.000 Euro aus dem Haushalt des ASU [Amtes für Stadtplanung und Umwelt, red.] finanziert.“ Das sind also schon 200.000 Euro pro Jahr, die die Allgemeinheit selbstlos schultert, damit „ihr“ Handel, Gewerbe und Gaststättenwesen wachsen, blühen und gedeihen.

Immer mehr Verkehr

Und es brummt offensichtlich: „War bis 2017 der Einsatz der VK zunächst an lediglich 20 Spitzentagen notwendig, stieg die Belastung bis heute auf ca. 60 Hochlasttage, weil sich nach den Lockdowns und Einschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie das Mobilitätsverhalten vieler Besucher verändert hatte. Um die Kosten für das mVM [manuelle Verkehrsmanagement, red.] möglichst niedrig zu halten, wurden die Personaleinsätze differenziert in einen Basis- Einsatz, Mini, Midi und Maxi, die je nach Jahreszeit unterschiedlich zur Anwendung kommen.“ Was auch immer das konkret bedeuten mag, es klingt zuerst einmal ganz eindeutig nach konsequenter Lohndrückerei.

Aber lassen sich die Autos nicht auch durch Psychologie lenken, durch friedliche und zudem sparsame Verkehrskadetten-Ersatzmaßnahmen also? Kann man die Einkaufswütigen etwa mit Psycho-Tricks in Busse und Bahnen locken, um die Verkehrskadetten endlich arbeitslos zu machen?

Hypnose teuer und unwirksam

Man hat darüber tief nachgesonnen und ist zu einer Erkenntnis gekommen: „Zusätzliche Kommunikationsmaßnahmen, Banner und LED-Anzeigen erreichen die Besucher erst, wenn sie mit dem Auto in Konstanz sind.“ Daher haben Fachleute gebrütet, wie sich die Autofahrer*innen von außerhalb überhaupt erreichen lassen. Man dachte an Plakatwerbung oder samstägliche Spots in verschiedenen Radiosendern, die die öffentlichen Verkehrsmittel schmackhaft machen sollten. Aber das wäre verdammt ins Geld gegangen. Ein Schweizer Werbe-Unternehmen veranschlagte „für eine 7-tägige Plakat-Kampagne im Bereich nördlich der Schweizer Autobahnen A1 und A4 Kosten in Höhe von etwa 50.000 Euro“. Und die „Anfrage im Jahr 2021 bei einem Schweizer Radiosender für 15 Werbespots à 20 Sekunden an einem Wochenende im Advent ergab Kosten in Höhe von ca. 4.000 Euro.“

Fazit: „Aufgrund der schwierigen Haushaltslage sieht die Verwaltung davon ab, Mittel für zusätzliche Kommunikationsmaßnahmen zu beantragen; dies würde nicht garantieren, dass weniger Fahrzeuge kommen.“ Das ist gut erkannt, denn kaum ein Autofahrer wird nach dem Anhören selbst eines erschütternden Werbespots bereit sein, umzukehren, um sich beispielsweise umweltfreundlich und sozialverträglich per Postpaket in sein Lieblingskaufhaus schicken zu lassen.

Erst mehr Geld und dann das Halali für die VK?

Also ist es wohl eine weise Investition in die goldene Zukunft unserer stets darbenden Wirtschaft, die die Verwaltung jetzt tätigen will: „Daher sind auf jeden Fall mehr Mittel notwendig, um für Rettungsdienste und Busverkehr den Verkehrsfluss zu gewährleisten. In 2023 entsteht ein Mehraufwand in Höhe von etwa 30.000 Euro, wobei die Verwaltung davon ausgeht, dass ein Teil der Rechnungen auch noch in 2024 beglichen werden kann. Deshalb wird die Verwaltung für den Nachtragshaushalt 2024 auf der Haushaltsstelle beim Amt für Stadtplanung und Umwelt 130.000 Euro beantragen (statt bisher 60.000 Euro).“ Womit wir dann bei 270.000 statt bisher 200.000 Euro wären.

Aber bald soll das digitale Verkehrsmanagement kommen und alles grüner, smarter und billiger machen. Dann wird für die Verkehrskadetten wohl bald das Halali geblasen. Wie das gehen soll, lesen Sie bei uns nächste Woche.

Text: O. Pugliese, Quellen: Sitzungsvorlagen 2023-3324 und 2023-3080.

2 Kommentare

  1. Gunder Haschker

    // am:

    Herr Jansen, nicht nur die Kadetten, auch das C-Konzept ist eine unsägliche Erfindung! Da brauchts dann keine Kadetten mehr, wohin sollen die die schweizerische Blechlawine denn dann noch steuern, zumal am Döbele keiner weiß, wie es weitergeht, Parkhaus zu hoch, Parkhaus zu klein, Parkhaus gar nicht oder wie?
    Da brauchst du einen OB, der ein Handlungsprogramm dazu auflegt (vielleicht gibst auch schon eins?), da kann man dann 10 Jahre drüber diskutieren.
    Ach ja, da gibts ja tatsächlich schon eins: „Handlungsprogramm Wohnen“ (am Döbele) heißt das und da sind 1.000 Tiefgaragenstellplätze vorgesehen, ja was nun, OB?

  2. Nils Jansen

    // am:

    Heranwachsende, die sich – öffentlich finanziert – in die Abgase stellen.

    Verkehrskadetten sind eine unsägliche Erfindung.

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