Wie in den vergangenen Semestern startet auch dieses Semester die Universität wieder mit einer Vortragsreihe, die Projekte vorstellt, die die Universität in Kooperation mit städtischen Akteur*innen durchgeführt hat. Am 25. April um 19 Uhr gestaltet Prof. Veit Dörken im Palmenhaus den Auftakt.
Wenn Menschen mich nach meiner Kindheit fragen, beschreibe ich ihnen oft einen schmalen Jungen, der einen blechernen Eimer an einem orangefarbenen Strohband um den Bauch trug. In diesen Eimer wurde gesammelt: Himmelsschlüssel, Hagebutten, Odermennig und Kamille für den Tee, Blau- und Preiselbeeren für den Nachtisch, Brennnesseln und Löwenzahn für Salat und Jauche zur Schädlingsbekämpfung.
Ich bin in einem kleinen ostwestfälischen Dorf in Waldnähe aufgewachsen. Meine Kindheit verbrachte ich draußen. Die Pflanzen der Umgebung und ihre Verwendung zu kennen, gehörte ganz selbstverständlich zum Alltag. Der Garten um unser Haus war ein Nutzgarten, in dem Kartoffeln, Lauch, Salat, Möhren, Knoblauch und einmal sogar Spargel angebaut wurden. Auf der Wiese neben den Beeten standen Apfel-, Kirsch-, Birnen- und Quittenbäume. Die Wiese wurde nur zweimal im Jahr gemäht. Mit der Sense (was natürlich eine väterliche Aufgabe und ein väterliches Privileg war).
Mein Vater war es auch, der uns Kindern die Namen der Pflanzen in Garten, Wald und Flur beibrachte. Wir vertrauten ihm, bis wir ihn irgendwann einmal bei einer Lüge ertappten: „Gelbblümelein“ nannte er ein Gewächs, dessen Namen er wohl nicht kannte. „Gelbblümelein“ war auch für uns Kinder zu dick aufgetragen, um glaubwürdig zu sein. Wir lernten deshalb dann ein Buch kennen, das uns bei der Bestimmung unbekannter Pflanzen half: „Was blüht denn da?“ Ein Klassiker, der bis heute aufgelegt wird. Auffällig an diesem Band sind auf den ersten Blick gleich die farbigen Ecken. Ein erstes und sehr einsichtiges Suchkriterium: hat die Pflanze blau oder rot geblüht. Wenn sie nicht blühte, war das Nachschlagewerk eher mühselig bis gar nicht zu gebrauchen. Mit der Blütenfarbe aber kam man schnell weiter: Anzahl und Form der Blüten- und sonstigen Blätter. Länge und Form des Stils. Schwarz-weiße Zeichnungen zur Illustration. So erweiterte sich unsere Kenntnisse.
Das Pflanzenbuch eines Vorfahren mütterlicherseits, des Schäfers Matthias, habe ich nie selbst in Händen gehalten, aber als Kind so häufig davon reden hören, dass es mir als Wunderwerk der Weisheit und Heilkunst erschien. Eine weitläufig verwandte Medizinerin erhielt das Buch zur Promotion.
Was macht man nun heute, wenn man wissen will, was sich da durch den Asphalt arbeitet oder dort am Wegesrand Insekten anlockt, aber nicht in Wald und Feld aufgewachsen ist wie ich? Oder ein Studium oder eine Ausbildung absolviert hat? Wenn man trotzdem gern wissen würde, wie Scharfgabe aussieht oder Wiesenschaumkraut? Wenn man sich einfach interessiert für seine pflanzliche Um- und Mitwelt?
Für diese Menschen hat der Nabu die Naturguckerakademie, einen „virtuellen Lernort für Naturbegeisterte“ aufgebaut. Natur- und Umweltbildung wird hier niedrigschwellig für Menschen ohne jedes Vorwissen angeboten. Wer Vorwissen hat, kann dieses vertiefen und erweitern. Denn es handelt sich nicht einfach um einen Kosmos-Naturführer, sondern um ein umfassendes E-Learning-Angebot, das neben dem Wissen über Flora und Fauna auch ein Systemwissen über ökologische Zusammenhänge vermittelt.
Veit Dörken ist Professor für Evolution & Biodiversität der Landpflanzen an der Universität Konstanz. Gemeinsam mit dem Biologen und Hochschuldidaktiker Patrick Kuss, der in Freiburg ein eigenes feldbotanisches Gutachterbüro in Freiburg unterhält, und der Wissenschaftsjournalistin und freien Autorin Julia Hecht hat er das Modul „Pflanzen“ für die Naturguckerakademie verfasst.
Im Palmenhaus im Paradies wird er am Donnerstag, 25. April 2024 um 19 Uhr dieses Modul vorstellen.
Text: Albert Kümmel-Schnur, Bild: Greg Larcombe auf Pixabay
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