Bodensee Philharmonie, 25.7.2024: Dieter Dörrenbächer, Leiter der Musikschule; Gabriel Venzago, Chefdirigent; Andrea Hoever Musikvermittlung; Hans-Georg Hofmann, Intendant ad interim © Harald Borges

Neuer Name, neue Saison und volle Kraft voraus

Bodensee Philharmonie, 25.7.2024: Dieter Dörrenbächer, Leiter der Musikschule; Gabriel Venzago, Chefdirigent; Andrea Hoever Musikvermittlung; Hans-Georg Hofmann, Intendant ad interim © Harald Borges
Dieter Dörrenbächer, Leiter der Musikschule; Gabriel Venzago, Chefdirigent; Andrea Hoever Musikvermittlung; Hans-Georg Hofmann, Intendant ad interim © Harald Borges

Die Bodensee Philharmonie, von vielen Konstanzer*innen weiterhin liebevoll „BSO“ genannt, erblickt jetzt das Licht der Welt. Mit Beginn der neuen Konzertsaison im September ist die „Südwestdeutsche Philharmonie“, wie das Orchester seit 1988 hieß, also Geschichte, und es geht auf zu neuen Ufern.

Der neue Name (seemoz berichtete) soll in Zukunft helfen, die Kassen etwas besser zu füllen, weil er eine andere Identität des Orchesters vermittele, so hoffen zumindest Geschäftsleitung und Politik. Ob diese marketingpsychologische Rechnung (à la „aus Raider wird Twix“) aufgeht, muss sich weisen, zu wünschen ist es den Verantwortlichen allemal, denn sie stehen unter erheblichem Druck.

Zum neuen Namen gibt es alles obendrauf, was zu einem solchen Markenwechsel nun einmal dazugehört: Ein auf den ersten Blick kaum verständliches neues Logo (auch für die Musikschule, die zusammen mit dem Orchester ja den städtischen Eigenbetrieb OMK bildet), ein komplett neues, wirklich todschickes Design des Jahresprogramms, das ganz im Sinne der Corporate Identity „Bodensee“ in wasserblauen Farbtönen schwelgt, und natürlich die Vorfreude auf einige herausragende Konzerte.

Das Schiff im rauen See

Neu mit auf der Brücke (um im Bodensee-Bild zu bleiben) ist seit einigen Wochen der Intendant ad interim Hans-Georg Hofmann, der vermutlich in den nächsten Monaten auf dem Schlachtkreuzer Philharmonie als Kapitän, Lotse und Steuermann zugleich dienen wird, kritisch beäugt von der Politik, die noch so manchen Torpedo im Köcher hat. Immerhin hat er eine klar umrissene Aufgabe: Die Zahlen sollen stimmen. Da ist es natürlich erfreulich, dass es dem Orchester gelungen ist, ab der neuen Saison mit einigen Programmen etwa auch nach Stockach eingeladen zu werden, außerdem gibt es Gastkonzerte unter anderem in Ravensburg, Feldkirch, Zürich und Mailand, und auch die Schulen in der Region werden wieder umfassend bespielt, um sich den jungen Menschen bekannt zu machen.

Das Ziel ist es, breitere Schichten der Bevölkerung zu gewinnen und „in der Mitte der Stadtgesellschaft“ anzukommen, wie es vom Orchester immer wieder vollmundig verlangt wird. Oder wie es in einer Pressemitteilung heißt: „Unterstützt werden die Pläne von der Exzellenz-Förderung des Bundes, die es unter dem Titel ‚Zukunftsmusik‘ ermöglicht, in unterschiedlichen Projekten und Konzerten in direkten Austausch und Kontakt mit der Stadtgesellschaft zu treten und gleichzeitig zu erforschen, welche zusätzlichen Qualifikationen ein Orchestermusiker oder eine -musikerin der Zukunft braucht, um als wichtiger Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden.“ Das alles hört sich richtig gut und gescheit an, solange man nicht zu genau darüber nachdenkt.

Bodensee Philharmonie Fotograf Alberto Venzago
Bodensee Philharmonie, Fotograf Alberto Venzago

Alpen-Jazz

Natürlich sind das tägliche Brot auch in der nächsten Saison wieder die symphonischen Dickschiffe und orchestralen Riesenschlangen aus Klassik und Romantik, von Strauss‘ „Till Eulenspiegel“ bis zu Ravels (leider) unverwüstlichem „Bolero“, von Bruckners IV. und Brahms III. bis hin zu Prokofjews I.

„Die zehn Philharmonischen Konzerte“, so heißt es zur neuen Saison, „wollen ein möglichst großes Spektrum an Komponisten, Epochen und Soloinstrumenten abbilden – darunter das im Konzertbetrieb selten zu hörende Alphorn, gespielt von Arkady Shilkloper, der das Alphornkonzert des Schweizer Saxophonisten und Komponisten Daniel Schnyder spielen wird.“ Angesichts der schieren Größe des Alphorns, das in diesem launigen Stück vor allem jazzige Klänge produziert, ist auch die aus den Reihen des Orchesters immer wieder zu hörende Forderung nach einer eigenen Konzerthalle gar nicht so abwegig.

Zwei Handicaps

Auch einige andere Werke stechen heraus. Etwa Sebastian Schwabs „Concerto Bavarese – operettige Szenen nach Karl Valentin“, die ihre Uraufführung in Konstanz erleben sollen. Am selben Abend im nächsten Frühjahr gibt es dann auch noch die Symphonie Nr. 3 aus dem Jahr 1940 von Florence Price (1887-1953), die Teil der Chicago Black Renaissance war und einmal resignierend schrieb „(…) ich habe zwei Handicaps (…), ich bin eine Frau und ich habe auch schwarzes Blut in meinen Adern.“ Für den Klassikbetrieb war das jedenfalls keine Empfehlung.

Die Bodensee Philharmonie (abgekürzt vermutlich „BP“?) wird außerdem auch einige unserer Zeitgenossen wie Peteris Vasks, Luciano Berio, Enjott Schneider, Wolfgang Rihm oder Toru Takemitsu aufführen und hat auch Bela Bartóks nachgelassenes Viola-Konzert im Programm. Gregor A. Mayrhofers „Recycling Concerto“ ist übrigens, was der Titel verspricht, und wird nicht ohne Grund in der Themen-Exzellenz-Woche „Klima und Nachhaltigkeit“ aufgeführt, einmal auch mitten in der Mitte der Gesellschaft, im Wertstoffhof nämlich.

Neben diesen philharmonischen Konzerten gibt es natürlich auch weiterhin Kammerkonzerte, Extrakonzerte wie die „Dreigroschenoper“ im nächsten Sommer gemeinsam mit dem Theater auf dem Münsterplatz, es gibt Baby- und Sitzkissenkonzerte, Xperimente, Familien- und Gesprächskonzerte – und natürlich „moZart“ (was uns ein wenig an „seemoZ“ erinnert).

Ach ja: Das Motto der neuen Saison ist auf gut badisch ein herziges „See you“. Angesichts der Neubenennung und marketingtechnischen Umorientierung des Orchesters wäre ein nicht minder herzhaftes „Sea you“ doch deutlich angebrachter gewesen.

Praktische Informationen

Die neue Website des Orchesters wird im September freigeschaltet, aber eine Programmvorschau gibt es bereits, das gedruckte Programmheft liegt ebenfalls vor und ist bei der Philharmonie erhältlich.

– Bodensee Philharmonie, Karten- und Abobüro, Fischmarkt 2, 78462 Konstanz, Telefon: 07531 900-2816. Fax: 07531 900-122816, Mail abo@konstanz.de, Öffnungszeiten Mo. bis Fr. 9:00–12:30 Uhr.
– Theaterkasse im KulturKiosk, Wessenbergstr. 41, 78462 Konstanz, Telefon: 07531 900-2150, Mail Theaterkasse@konstanz.de, Öffnungszeiten Di. bis Fr. 10:00–18:30 Uhr, Sa. 10:00–13:00 Uhr.
– Tourist-Information am Bahnhof Konstanz, Bahnhofplatz 43, 78462 Konstanz, Öffnungszeiten April bis Oktober: Mo bis Fr. 9:00–18:30 Uhr, Sa. 10:00–16:00 Uhr, So. 10:00–13:00 Uhr; November bis März: Mo. bis Fr. 9:30–18:00 Uhr.
– Ortsverwaltungen Dettingen-Wallhausen, Dingelsdorf und Litzelstetten (jeweils nur Schalterverkauf, kein Kartentausch).
– Für Konzerte im Milchwerk Radolfzell: Tourist-Information Radolfzell, Seestraße 30, 78315 Radolfzell am Bodensee, Telefon: 07732 81500, Fax: 07732 81510, E-Mail: info@radolfzell-tourismus.de
– Internet: Über die neue Seite der Philharmonie (ab September freigeschaltet).

Text: Harald Borges

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