vhs-Pressekonferenz am 19.07.2024 © Harald Borges

Volkshochschule: Aufs Rad für die Bildung

vhs-Pressekonferenz am 19.07.2024 © Harald Borges
Zu sehen sind von links nach rechts: Iman Kharazi (vhs-Dozent), Melanie Penningers (vhs Grenzach-Wyhlen, Leiterin), Henning Kurz (vhs Grenzach-Wyhlen, ehem. Leiter), Susanne Berenbach (vhs Landkreis Konstanz, Fachbereichsleiterin Deutsch und Integration), Katrin Nuiro (vhs Wiesental, Leiterin und Vorsitzende der Regionalversammlung Hochrhein), Andreas Jung MdB, Dr. Tobias Diemer (vhs-Verbandsdirektor), Landrat Zeno Danner, kniend Dr. Thomas Schmidt (vhs Rheinfelden, Fachbereichsleiter Gesellschaft und Berufliche Bildung), Stephan Kühnle (vhs Landkreis Konstanz, Programmdirektor).

Seit über 10 Jahren findet in der Region Hochrhein-Bodensee im Sommer die Fahrrad-„Tour de vhs“ statt. Dahinter steht der Gedanke, die Region durch das Radeln zu verbinden und die kursfreie Zeit im Sommer zu nutzen, um auf die Belange und Leistungen der Volkshochschulen der Gegend aufmerksam zu machen.

Bei „Volkshochschule“ denkt mensch zuerst einmal an alle möglichen Zeitvertreib-Programme für vorzüglich weibliche Menschen mittleren Alters, die gern mal wieder ein paar Vokabeln lernen, ein paar Rückenübungen absolvieren oder besser kochen lernen wollen.

Aber das ist erheblich zu kurz gegriffen. Gerade in den letzten 10 Jahren haben die Volkshochschulen mit ihren Sprach- und Integrationsprogrammen eine immens wichtige Aufgabe für das Einfinden ausländischer Menschen wahrgenommen. Rund 1.200 Integrationskurse wurden von 23.000 Menschen besucht, die nicht nur Sprachkenntnisse erwerben, sondern auch den Einbürgerungstest ablegen konnten. Außerdem arbeitet die vhs im Bereich der Qualifizierung von Arbeitskräften und wirkt damit gegen den Fachkräftemangel.

Tür zur deutschen Welt

Für Menschen wie ihn, berichtete Iman Kharazi, der 2012 in der Unterkunft Steinstraße landete und heute selbst an der vhs unterrichtet, war der Besuch der Volkshochschule der allererste Eindruck von und erste echte Kontakt mit Deutschland. Der gelernte Wirtschaftsingenieur und Atomtechniker aus Iran hat hier Deutsch gelernt, später Sprachwissenschaften studiert und ist schließlich selbst Lehrer geworden. Er versicherte, dass für viele Geflüchtete die vhs die Tür schlechthin zur deutschen Welt sei, weit über die reine Sprachvermittlung hinaus.

vhs ist überall

Bei der Auftaktveranstaltung zur diesjährigen „Tour de vhs“, bei der es den Beteiligten nicht zuletzt um den informellen Austausch über aktuelle Volkshochschulthemen geht, wurde vor allem die Dezentralität der Einrichtungen betont, die es nicht nur in den Großstädten, sondern fast überall gibt, wo Menschen beisammenwohnen. Nach Angaben des Volkshochschulverbandes sind das allein in Baden-Württemberg 170 Standorte mit ca. 660 Außenstellen, die mit ihren Kursen rund 2,24 Millionen Menschen pro Jahr erreichen. (Zur Regionalversammlung Hochrhein gehören 11 Volkshochschulen bzw. Verbünde von Volkshochschulen, von Bad Säckingen über Waldshut bis in den Landkreis Konstanz. Die vhs-Regionalversammlungen haben die Aufgabe, die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch der Mitglieder zu fördern, die Mitarbeitenden der Volkshochschulen in der Region weiterzubilden sowie Grundsatzangelegenheiten vorzuberaten. Der Stärkung des Zusammenhalts in der Region dient eben diese gemeinsame Radtour.)

Aussichten

Eine ganz andere Frage ist die nach der Zukunft der Volkshochschulen, etwa der für den Landkreis Konstanz. Stephan Kühnle sieht großen Rückhalt in den Gemeinden und fürchtet für sein Haus keine Mittelkürzungen, wie sie jüngst in Konstanz dem Theater und der Philharmonie verordnet wurden. Natürlich hätte auch er gern mehr Geld, besonders aus den Töpfen des Landes, aber man sei in der Lage, mit eher überschaubaren Mitteln Großes zu erreichen.

Stimmungsänderungen

Immer wieder wurde die Bedeutung der vhs für die Demokratie und politische Bildung hervorgehoben, ein wichtiges Thema, da der Stimmungswandel im Land natürlich auch in den Kursen der vhs angekommen ist. Dass alle gesellschaftlichen Gruppen in deren Veranstaltungen zusammenkommen, wird immer seltener, einige Gruppen seien nicht mehr zu erreichen.

Die Volkshochschulen, die ja von den öffentlichen Händen finanziert werden, sind weltanschaulich und religiös neutral und parteipolitisch unabhängig. Gerade das macht auch die Stärke ihrer politischen Bildungsarbeit aus. Trotzdem schlagen auch ihnen immer wieder die in manchen Kreisen verbreitete grundsätzliche Skepsis gegenüber dem Staat oder auch wissenschaftsfeindliche Haltungen etwa in Corona-Fragen entgegen. Trotzdem wollen sie auch auf dem Land die Fahne der Demokratie auch weiterhin hochhalten.

Text & Bild: Harald Borges

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