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Ursünde Neoliberalismus

Ein Kommentar

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Seit der Ökonomisierung der Welt vor über dreißig Jahren kippt die westliche Welt politisch allmählich nach rechts, meint unser Autor Jochen Kelter. Ist der Neoliberalismus, das Konzept eines radikalen staatlichen Laisser-faire, das für weniger oder gar keine soziale Absicherung steht, für den zunehmenden Rechtstrend verantwortlich?

Am Tag nach dem Wahlsieg von Donald Trump am 5. November 2024 stieg an der Börse, der ewigen Hure des Kapitalismus, der Aktienindex Dow Jones durch eine Steigerung um 3,5 % auf den höchsten Stand aller Zeiten. Der deutsche Aktienindex DAX sank dagegen um 1,5 % und selbst der Schweizer Swiss Market Index SMI sank. Zwei Seiten derselben Medaille. Die westliche Welt tickt nur noch nach dem Börsenstand, einem unsicheren schwankenden Indikator, der durch Ausblendung der ökonomischen Realität und schönen Schein befeuert wird.

Linke Parteien wie Sozialdemokraten und andere hatten und haben dem grassierenden Neoliberalismus nichts entgegenzusetzen. Sie machten mit, wahrscheinlich weil ihre Sozialpolitik schon vorher arg reduziert war. Heutzutage gilt seine Weltanschauung als gottgegeben und ist im Bewusstsein des Großteils der Bevölkerungen der westlichen Staaten und darüber hinaus fest verankert.

Zum ersten Mal ausprobiert wurde diese neue Staatsführung in Pinochets Chile nach dem Putsch gegen die gewählte Volksfront-Regierung unter Salvador Allende im Jahr 1973 – und zwar von den sogenannten „Chicago-Boys“ des Ökonomen Milton Friedman aus Chicago. Fortan wurde der Staat auf die politische Repression reduziert und die soziale Komponente der Marktökonomie geopfert. Und weil das unter der Militärdiktatur so gut funktioniert hatte, wurde dieser Neoliberalismus von Margaret Thatcher in Großbritannien und Ronald Reagan in den USA übernommen.

Weil Linke und Bürgerliche ihnen nichts entgegenzusetzen haben, werden unterdessen viele Staaten Europas von Rechtspopulisten regiert. Von Viktor Orbán, der seine Macht in Ungarn fast zu einer Diktatur ausgebaut hat, über den fremdenfeindlichen Geert Wilders in den Niederlanden, der seine bürgerlichen Koalitionspartner vor sich hertreibt, und Marine Le Pen in Frankreich, die aus taktischen Gründen derzeit Kreide gefressen zu haben scheint, bis zu Signora Meloni, Chefin der postfaschistischen „fratelli d’Italia“, die der Radio- und Fernsehanstalt RAI ihr genehme Journalisten und ein anderes Programm verordnen will und sich auch mit der Kulturszene anlegt.

Ähnliches passiert übrigens zurzeit in der Slowakei des Ministerpräsidenten Robert Fico. In Italien gibt es traditionell nur linke Schriftsteller. Also hat das diesjährige Gastland Italien eine Schar von Möchtegern-Autoren auf staatliche Kosten zur größten Buchmesse der Welt nach Frankfurt geschickt. Sowohl Autoren wie auch Journalisten wehren sich vehement gegen postfaschistische Staatskultur. Und schließlich gibt es da noch die deutsche AfD, die besonders in den ostdeutschen Bundesländern (wie bei den drei Landtagswahlen im Herbst) Wähler an sich bindet, die sich von den westdeutschen Parteien übergangen und abgehängt fühlen.

Auch in Israel, dem traditionellen Vorposten der USA und Europas im Nahen Osten, ist mit Benjamin Netanjahu eine ultraorthodox rechtsradikale Regierung im Amt, die den Krieg in Gaza, dem Westjordanland und im Libanon trotz zehntausender Toten schon deshalb immer weiter führt, weil Netanjahu sich vor einer gerichtlichen Verurteilung retten will und zudem weiß, dass er nach Ende des Kriegs sowieso abgewählt wird und sein kriegslüsternes Kabinett die Araber aus Gaza und dem Westjordanland endgültig vollständig vertreiben will. Gegen ihn gibt es seit Monaten vehementen Widerstand einer (im Gegensatz zu den arabischen Nachbarn) selbstbewussten Zivilgesellschaft.

Bei den jüngsten Wahlen in den USA war der Ausgang zwischen dem gerichtlich verurteilten Ex-Präsident Donald Trump und der Demokratin Kamala Harris als äußerst knapp vorausgesagt worden. Die Auguren haben sich schwer getäuscht, vielleicht auch, weil die Wähler bei den Umfragen mit ihrer Absicht hinter dem Berg gehalten hatten. Statt eines knappen Wahlausgangs stand am Ende ein Erdrutschsieg des Republikaners Trump fest. Die Demokraten sind schon lange keine Arbeiterpartei mehr. Stattdessen versuchten sie mit Klimazielen, Frauenrechten und allerlei „Wokeness“ sowie der Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung und der Latinos zu punkten. Das ist offensichtlich deutlich danebengegangen, weil die wahren Probleme der Menschen Inflation, hohe Preise und zu niedrige Löhne sind.

Genau damit – mehr Geld, höheren Zöllen auf Importe und Abschottung des Landes gegen den Migrantenansturm aus dem Süden – haben die Republikaner die Wahlen gewonnen. Den Wählern war offenbar herzlich egal, dass Trump ein Rüpel, sexistischer Frauenfeind und verurteilter Großkotz ist. Und so werden die USA für ihren militärischen Schutz für Europa, der wohl auch unter Trump nicht flächendeckend aufgehoben wird, weiterhin auf Pump, sprich auf Kosten der „freien“ Welt, leben.

Text: Jochen Kelter, Bild von Mediamodifier auf Pixabay.

Ein Kommentar

  1. Janosch Tillmann

    // am:

    Da ist sicherlich viel wahres dran. Schade, dass auch dieser Text nicht ohne Israel auskommt, aber seis drum.

    Zwei Anmerkungen: ich verstehe die Bezeichnung Post-Faschistisch, für Melonis Parteien (noch?) nicht. ALLE Parteien in Italien sind doch Post-Faschistisch. Sie sind Parteien der Post-faschstischen Ära. Sind die fratteli nicht eher „Proto-Faschisten“ oder gleich „Faschisten“ oder ähnliches? Kann mich da jemand mal aufklären?

    Zur US-Wahl: Trump hat kaum Stimmen dazugewonnen, die Demokraten haben massiv verloren. Die Leute haben also nicht geziehlt den Wechsel gewählt, sie sind eher gar nicht zur Wahl gegangen. Die Frage ist nur, ob das eine Rolle spielt…

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