Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit nähert sich eine wichtige Europäische Bürgerinitiative allmählich ihrem Ende. Darauf macht derzeit das Konstanzer Bündnis für gerechten Welthandel aufmerksam – und wirbt für Unterschriften.
Es gibt Zeiten, die so von Krisen und Kriegen geprägt sind, dass selbst positive Ansätze wenig Resonanz finden. Das gilt derzeit für eine Initiative zur deutlich höheren Besteuerung der Superreichen – und das, obwohl sie prominente Fürsprecher:innen hat. Im vergangenen Herbst initiierten der französische Ökonom Thomas Picketty, der belgische Politiker Paul Magnette, die österreichische Multimillionärin Marlene Engelhorn und andere eine Europäische Bürgerinitiative, die den Europäischen Rat und die EU-Kommission dazu bringen soll, eine Vermögenssteuer einzuführen.
Mit ihr, so die Idee, können der Klimawandel und die soziale Ungleichheit bekämpft und eine bessere Entwicklungszusammenarbeit finanziert werden.
„Tax The Rich“ nennt sich das Projekt. Worum es dabei geht, ist weitgehend bekannt: Die Ungleichheit nimmt weltweit massiv zu. Seit 2020 hat sich das Vermögen der fünf reichsten Männer auf diesem Planeten verdoppelt, während fünf Milliarden Menschen – fast zwei Drittel der Weltbevölkerung – ärmer geworden sind.
Diese Superreichen (mit einem Vermögen von über fünf Milliarden US-Dollar) befeuern mit ihrem exzessiven Lebensstil die Klimaerhitzung, der vor allem im globalen Süden Millionen zum Opfer fallen. Und während oben Konzerne Superprofite einstreichen, schuften unten immer mehr Arme unter entwürdigenden Bedingungen.
Linker Ökonom, linker Politiker, linke Erbin
Vor allem Picketty hat mit seinen Studien – „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, „Kapital und Ideologie“, „Eine kurze Geschichte der Gleichheit“ – immer wieder auf die verheerenden politischen und sozialen Auswirkungen dieser Entwicklung hingewiesen.
Magnette wiederum, führendes Mitglied der Sozialistischen Partei Belgiens, widersetzt sich seit langem der Wirtschaftspolitik der EU und bekämpfte während seiner Zeit als Ministerpräsident von Wallonien so sehr das EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA, dass Belgien, anders als Deutschland, bis heute den klimaschädlichen Deal nicht ratifiziert hat.
Und die Aktivistin Engelhorn, Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn, fordert seit langem, Millionenerbschaften gerecht zu besteuern. Zudem sieht sie (siehe dazu ein Zeit-Interview mit ihr) durch das horrende Machtgefälle die Demokratie gefährdet.
Bis zu 85 Milliarden Euro pro Jahr
Ihr Vorschlag ist denkbar einfach: Sie wollen, dass wieder eine Vermögenssteuer eingeführt wird, die es hierzulande übrigens bis 1997 schon einmal gab. Mit dem Geld – es würde allein in Deutschland jährlich bis zu 85 Milliarden Euro bringen – ließen sich nicht nur viele Klimaschutzmaßnahmen finanzieren, die die Ampelkoalition inzwischen ad acta gelegt hat. Es könnte (und sollte) auch dem notleidenden Gesundheitssystem zugute kommen, könnte in das ebenfalls unterfinanzierte Bildungswesen investiert werden – und den verelendeten Bevölkerungen besonders in Asien und Afrika helfen.
Allerdings müsste ihre Europäische Bürgerinitiative innerhalb eines Jahres – das ist die Regel – von einer Million EU-Bürger:innen unterstützt werden.
Bisher haben europaweit jedoch nur 275.000 (Stand: Ende August) unterschrieben. Warum? Liegt es daran, dass die Printmedien – alle großen Zeitungsverlage befinden sich im Besitz von Superreichen – darüber nicht berichten? Oder daran, dass sich in Deutschland lediglich die globalisierungskritische Organisation attac und das Hilfswerk Oxfam dafür engagieren? Aber, soweit sichtbar, weder linke Parteien noch die Verbände der Klimaschützer:innen?
Konstanzer Initiative
Weil sie diese lähmende Ignoranz nicht einfach hinnehmen wollen, beschlossen vor kurzem die Mitglieder des Konstanzer Bündnisses für gerechten Welthandel, die Kampagne zu unterstützen. Und mit ihren Infoständen (hin und wieder auf dem Samstagswochenmarkt und anderswo) auf „Tax The Rich« aufmerksam zu machen.
Bisher hatte das Bündnis vor allem gegen die Gefahren der EU-Freihandelspolitik mobilisiert, Informationstage initiiert, Aktionen organisiert, Unterschriften gegen die geplanten Handelsabkommen mit Kanada (CETA) und den südamerikanischen Mercosur-Staaten gesammelt. Da aber in diesem Bereich – aufgrund geopolitischer Umwälzungen – Stillstand herrscht, steckt es sich neue Ziele.
Und so wirbt das Bündnis jetzt für die Europäische Bürgerinitiative „Tax The Rich“. Und engagiert sich für ein weiteres europäisches Thema: Unter dem Druck der Chemie- und der Saatgutindustrie will die EU künftig gentechnisch veränderte Lebensmittel zulassen – und zwar ohne Risikoprüfung, Kennzeichnungspflicht und Anbauregeln. Dagegen protestiert seit langem die basisnahe Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Und nun auch das Bündnis, das an seinen Ständen Informationsmaterial verteilt.
PS: Wie unterstütze ich „Tax The Rich“?
Eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) unterliegt folgenden Regeln: a) Gesammelt wird in einem Zeitraum von exakt einem Jahr; b) sie gilt erst, wenn eine Million Unterschriften zusammengekommen sind; sie muss c) in sieben EU-Staaten ein Mindestquorum erreichen und darf d) nur von EU-Bürger:innen unterzeichnet werden.
Den direkten Zugang zur EBI bietet die Website „Tax The Rich“ (anklicken und ausfüllen).
Text und Foto: Pit Wuhrer
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