Das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (JuFo DIG) Bodensee-Region will angesichts einiger Entwicklungen der letzten Tage und Wochen klar Stellung beziehen. Unter dem Titel „Wie sich in Konstanz das israelphobe1 Milieu zusammenfindet“ hat es eine Mitteilung veröffentlicht, die zu einigen Diskussionen Anlass geben dürfte.
Hier die ungekürzte Mitteilung:
Auf folgende drei Sachverhalte wollen wir dabei in dieser Stellungnahme eingehen:
1. Reaktion auf antisemitische Graffiti an der Universität Konstanz
2. ‚Rettet Gaza‘ Konstanz
3. Antizionistischer Vortrag im Treffpunkt Petershausen
1. Reaktion auf antisemitische Graffiti an der Universität Konstanz
Nachdem an der Universität in Konstanz antisemitische Schmierereien auftauchten, gab es starke Reaktionen gegen diese Hassbotschaften, die sich direkt gegen Jüdinnen und Juden im Allgemeinen, sowie gegen den Staat Israel im Besonderen richteten. Die Universität hat sich in ihrer Stellungnahme vom 26.03. „Entschieden gegen Antisemitismus“ klar zu den Graffiti geäußert. Zudem fand anschließend eine Kundgebung unter dem Titel „Kein Platz für Antisemitismus“ auf dem Campus statt. Dies begrüßt das JuFo DIG Bodensee-Region ausdrücklich. Jedoch hat sich das Rektorat der Universität leider dagegen entschieden, seine Erlaubnis zu geben, das Banner längerfristig in der Universität zu befestigen. Diese fehlende Zivilcourage enttäuscht uns, weswegen wir als JuFo DIG Bodensee-Region das Rektorat dazu aufrufen, seine Entscheidung zu überdenken.
2. Rettet Gaza Konstanz
Mit dem ehrenhaften Ziel „Gaza zu retten“ hat sich zu Beginn dieses Jahres die o.g. Gruppe gegründet. Was hinter diesem Rettungswunsch steckt, zeigt sich, wenn man den Statements der Gruppe einen genaueren Blick widmet.
In einem Statement zu den oben genannten Vorfällen an der Universität meldete sich die Gruppe ‚Rettet Gaza‘ zu Wort. Dem Anschein nach einem aufklärerischen Motiv folgend, verurteilt die Gruppe den antisemitischen Übergriff, um im gleichen Zuge einen der Slogans auf euphemistischste Weise zu relativieren. Danach handele es sich bei einem der Graffiti mit dem Wortlaut: „From the river to the sea“, um einen Hinweis auf den „derzeitigen Völkermord“. Dass der Slogan von der PLO stammt und eine Ein-Staaten-Lösung fordert bzw. eine Zwei-Staaten-Lösung ausschließt, sollte klar machen, dass hiermit keinerlei versöhnlichen Worte dem jüdischen Staat und seinen Bewohnern gegenüber angestimmt werden. Vielmehr geht es jenen, die sich dieser Phrase bedienen, wenigstens im Wunsch darum, Israels Vernichtung zu proklamieren. Dass das Innenministerium die Parole verboten hat, unterstreicht einmal mehr, dass deren Relativierung in keinem Fall zu rechtfertigen ist. Das Motiv hinter dieser Verharmlosung seitens Rettet Gaza ist klar, der „ehrbare Antisemitismus“ (Jean Améry)2, das heißt der Antizionismus linker Provenienz, soll gegen jegliche Kritik immunisiert werden.
3. Antizionistischer Vortrag im Treffpunkt Petershausen
An einem Vortrag unter dem unschuldig daherkommenden Titel „Palästina/Israel: Trotz Gewalt und Unrecht den Frieden suchen“, der am 11.04. im Treffpunkt Petershausen stattfand, fanden sich diverse Akteure der politischen Linken sowie christliche Gruppierungen zusammen und boten der Antizionistin Sumaya Farhat-Naser eine Plattform, um antiisraelische Mythen zu verbreiten. Eingeladen dazu hatten die Friedensinitiative Konstanz, Friedensregion Bodensee e.V., Pax Christi Ravensburg, Café Mondial, Terre des Femmes e.V. Konstanz, Die Linke Konstanz, Weltladen Konstanz, Aktionsbündnis Rettet Gaza und der Bildungsverein seemoz e.V.
Der Vortrag begann zwar immerhin mit der Bekundung, dass der 7. Oktober ein schreckliches Massaker darstellt und in keinster Weise gutzuheißen sei, doch man musste nicht lange auf die erste Relativierung warten. Schon in seinen einleitenden Worten setzte Maik Schluroff von der Friedensinitiative Konstanz den Krieg Israels gegen die Hamas mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine gleich. Diese Gleichsetzung stellt den Staat Israel als tyrannischen Aggressor dar und streicht zugleich die Ursache des Krieges – das antisemitische Massaker des 7. Oktobers, in dem mehr als 1.200 Menschen auf bestialische Weise ermordet wurden – aus der Argumentation – ein klassischer Fall von Derealisierung und Dämonisierung Israels und damit auch von israelbezogenem Antisemitismus.
Mehrfach wurde dann seitens der Referentin das Massaker des 7. Oktober als eine schlichte Reaktion auf die israelische Politik dargestellt, welche das Fass zum Überlaufen gebracht habe. So spricht sie unsäglicherweise vom „Trigger“, der zum Massaker führte. Für die palästinensische Friedensaktivistin, welche die Hamas 2006 noch als „sehr pragmatisch“3 bezeichnet hatte, scheint der antisemitische Vernichtungswunsch eine ganz gewöhnliche menschliche Reaktion zu sein. Ihr damaliger Satz ist wahr und falsch zugleich. Pragmatisch ist die Hamas insofern, dass es für den 7. Oktober viel Planung und Vorbereitung brauchte – aber aus ihrem Ziel, nämlich der Vernichtung um der Vernichtung willen, spricht der tiefste, mörderische Wahn, dem sie folgt. Indem sie das antisemitische Massaker der Hamas schlicht als die logische Konsequenz der Politik Israels darstellt, verdreht sie ganz einfach Täter und Opfer, womit eines der klassischsten antisemitischen Narrative bedient wird. Zwar wurden die Hamas und Fatah im Verlauf des Vortrags für ihre Korruptheit kritisiert, ihre antisemitische Ideologie, das Wort ‚Antisemitismus‘ fällt jedoch kein einziges Mal.
Man hätte sich beim Thema „Palästina/Israel: Trotz Gewalt und Unrecht den Frieden suchen“ eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Konflikt wünschen können, die sich der Aufklärung widmet. Stattdessen wurden einseitige Ressentiments über eine „Zionistische Ideologie“ und „angefertigte Meinung“ geschürt. Wie tendenziös das ganze Unterfangen der Referentin ist, findet seinen besten Ausdruck wohl in einer Karte, welche die studierte Geografin präsentiert. Eine schlecht bearbeitete und verpixelte Karte soll als Beweis dafür herhalten, dass es den Israelis insgesamt daran läge, Ansprüche auf Staatsgebiet zu haben, welches große Teile von Syrien, dem Irak, Saudi-Arabien, Ägypten und ganz Jordanien umfasse. Sucht man dieselbe Karte im Internet, so stößt man auf unzählige antisemitische Websites, die sich mit diesem kartographisch untergründigen Werk eine zionistische Verschwörung erklären.
Statt sich einer kritischen Analyse der politischen Lage zu widmen, wird zum Ende des Vortrags viel lieber folkloristisch die Verbundenheit von Land und Leuten untermalt – ganz nach dem Motto „unser Land“ und „unser Boden“, wie es einen die Referentin schon zu Beginn ihres Vortrages wissen lässt. Für eine Veranstaltung, die unter anderem von der Linken Liste Konstanz mitorganisiert wurde, mögen solche Phrasen im ersten Moment befremdlich wirken, doch schon die Geschichte der sich als antiimperialistisch verstehenden Linken zeigt, dass ein kritisches Verhältnis zu völkischen Ideologien schnell fallengelassen wird, wenn es gegen Israel geht.4 Schon die Frage, wer am längsten wo gelebt habe, auf die sich die Referentin schon zu Beginn stolz einlässt, indem sie aufzählt, über wie viele Generationen sie in der Westbank verwurzelt sei, ist eine falsche. Denn sie erhebt die Abstammung zu einem validen Kriterium und bekennt sich damit ganz direkt zu einer ethnozentrischen Weltsicht.
Auch der lokalen Terre des Femmes Gruppe wollen wir an dieser Stelle ihren eigenen Grundsatz vorhalten. Nach eigener Angabe ist deren Ziel, das Thema der Gewalt gegen Frauen in die Öffentlichkeit zu transportieren“.5 Doch es scheint, dass der feministische Universalismus, der eine Solidarität mit allen Frauen fordert, in Bezug auf israelische und jüdische Frauen über Bord geworfen wird. Seit dem 7. Oktober kam kein Kommentar zur Gewalt gegen Frauen durch die hiesige Ortsgruppe, obwohl sich die Attacke der Hamas in einer nicht zu begreifenden Grausamkeit ganz gezielt auch gegen Frauen richtete. Nicht einmal die Stellungnahme des Gesamtverbandes von Terre des Femmes, welche die Gräueltaten der Hamas verurteilte 6, wurde geteilt. Es bleibt dabei zu betonen: Believe Israeli Women!
Das JuFo fordert außerdem von Pax Christi Ravensburg eine Klarstellung zur beschriebenen Veranstaltung. Wie die Internationale Katholische Friedensbewegung ihren Kurs zum Mehrfrontenkrieg, in dem sich Israel befindet, weiterhin halten kann und meint, solche Veranstaltungen mitinitiieren zu müssen, stellt das JuFo deutlich in Frage. Das Junge Forum schlägt deshalb vor, dass Pax Christi Ravensburg sich zu den Inhalten dieses Briefs äußert, sich von der besprochenen Veranstaltung distanziert und somit ggf. öffentlich seine Haltung zu Antisemitismus und Antizionismus klarstellt. Alles andere wäre für die DIG, in der alle Konfessionen und Religionen willkommen sind und in der sich viele Christinnen und Christen engagieren, eine Enttäuschung.
Wir als Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bodensee-Region sehen diese Entwicklungen mit Besorgnis und verurteilen sie hiermit scharf. Gerade dem – neben offensichtlichem rechten Antisemitismus – in vermeintlich progressivem Gewand sich versteckenden antisemitischen Ton, der sich in den letzten Monaten neben der politischen Linken auch in einigen christlichen Gruppen sowie im universitären Bereich breit macht, ist mit Entschiedenheit entgegenzutreten.
Der Vorstand des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bodensee-Region
Anmerkungen
1 Autor Jake Wallis Simons versteht hierunter: „1. Dämonisierung: Verleumdung Israels als böse und Bedrohung für die Welt, 2. Bewaffnung: Instrumentalisierung der Bewegung für soziale Gerechtigkeit als trojanisches Pferd für den Hass auf Juden und ihre nationale Heimat, 3. Verfälschung: Nachbeten von Nazi- oder Sowjetpropagandalügen“, siehe: https://www.hagalil.com/2024/01/israelphobie/
2 https://www.zeit.de/1969/30/der-ehrbare-antisemitismus; und https://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/Amery_der_ehrbare_Antisemitismus_mit_Vorwort_Gess.pdf
3 https://www.deutschlandfunk.de/hamas-ist-sehr-pragmatisch-100.html
4 https://taz.de/Antisemitismus-in-der-RAF/!5193915/
5 https://www.seemoz.de/die-provinz-lebt-terre-des-femmes-konstanz/
6 https://frauenrechte.de/aktuelles/detail/krieg-in-nahost-frauen-sind-in-besonderem-masse-von-krieg- betroffen
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