
Der Partei Die Linke ist mit einem bemerkenswerten Comeback der Einzug in den Bundestag gelungen – mit einem antifaschistischen und an sozialen Fragen orientierten Programm. Für eine antikapitalistische Zukunft braucht es aber mehr: eine Vision.
Man weiß es seit langem: Der an Wachstum und Profit orientierte privatwirtschaftliche Kapitalismus hat global nicht nur Massenelend verursacht und Fluchtursachen verschärft – er zerstört auch die Zukunft, intensiviert die Klimakatastrophe, vernichtet Lebensgrundlagen (wie die Artenvielfalt). Es bedarf also mehr als nur geringere Mieten, niedrigere Lebenshaltungskosten, höhere Renten oder einen Ausbau nachhaltiger Mobilitätsformen und erneuerbarer Energien, um allen ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Aber was? Zur Zeit von Marx und Engels schien die Antwort klar und einfach – ein kommunistisches Wirtschaftssystem, in dem alle über die Produktionsmittel verfügen und das auf Gleichheit basiert, sollte an die Stelle der bisherigen Ausbeutungssysteme treten. Eine klassenlose Gesellschaft also, in der nicht die Besitzenden den Ton angeben, sondern die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen. Freiheit von Knechtschaft, Verstaatlichung der Industrie (als erster Schritt) hin zum Sozialismus, Kontrolle des Staats durch die Werktätigen …
Was herauskam, ist bekannt: Die „Diktatur des Proletariats“ und Planwirtschaft führten zur Herrschaft von Parteieliten, zu Elend, zu stalinistischem Terror und zur Unfreiheit. Schlußendlich kollabierten die „realsozialistischen“ Systeme der UdSSR, der DDR und der anderen osteuropäischen Staaten. Dieser Weg einer von oben diktierten Staatswirtschaft funktioniert also nicht. Doch was dann?
Es gibt Alternativen
Nach der Wende herrschte unter den Linken große Ratlosigkeit – und Schweigen, wenn es um die Frage ging, welche Schritte eine Bewegung gehen sollte, um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen grundlegend zu verbessern, und das noch unter Berücksichtigung der Umwelt und des Klimas. Viele wussten zwar, wogegen sie waren. Aber wofür genau sollten und könnten sie kämpfen?
Dabei gab und gibt es durchaus Beispiele für eine andere, für eine funktionierende gemeinwohlorientierte Ökonomie – nicht unbedingt hierzulande, aber auch nicht allzuweit entfernt. Im baskischen Mondragón zum Beispiel entstand in den 1950er Jahre eine Kooperative, die sich zur größten Genossenschaft weltweit entwickelte. Noch früher etablierte sich in der norditalienischen Provinz Reggio Emilia ein umfassendes, breit gefächertes Kooperativenmodell, dem mehrere hundert Genossenschaften inklusive einem eigenen Finanzinstitut angehören. Und auch anderswo bestehen zahllose Ansätze für eine demokratisch kontrollierte Alternative zum vorherrschenden System.
All diese Modelle sind nicht frei von Widersprüchen – schließlich müssen sie in der Marktwirtschaft überleben, sind zu Konzessionen gezwungen. Und doch bieten sie einen Einblick in das, was möglich wäre. Und stellen die Systemfrage.
Die Verteidigung der bürgerlichen Demokratie reicht nicht
„Was verstehen wir heute unter Sozialismus?“ Diese Frage haben sich Bernd Riexinger und Raul Zelik gestellt, als sie mit der Arbeit für die Broschüre „Was ist Sozialismus heute?“ begannen, der eine (Riexinger) langjähriger Geschäftsführer von ver.di in Stuttgart und ehemaliger Ko-Vorsitzender der Partei Die Linke, der andere (Zelik) Autor vieler Bücher und Artikel. Eine überzeugende Antwort auf diese Frage, so die Autoren, sei „eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die gesellschaftliche Linke stärker werden und auch wieder in die politische Offensive kommen kann“.
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Denn in Zeiten der Faschisierung „ist es politisch verheerend, wenn sich Linke drauf beschränken, die bürgerliche Demokratie (mit ihrer sozialen Ungleichheitsordnung) gegen rechts zu verteidigen“. Man müsse also weiter denken, zukunftsorientierter handeln – und Selbstorganisation, Solidarität, Gemeinwohl und Basisdemokratie ebenso in den Blick nehmen wie die Natur, die nicht länger der Kapitalverwertung unterworfen sein dürfe.
In ihrer Broschüre entwickeln die Autoren ein Gegenkonzept zur kapitalistischen Gegenwart, stellen die bestehenden Eigentumsverhältnisse in Frage, kritisieren die (oft unhinterfragten) Expansionsprozesse und entwerfen das Konzept einer sozial-ökologischen und demokratisch kontrollierten Transformation.
Wieviel Markt ist nötig und sinnvoll? Wer trifft die Entscheidungen? Wo sind Widersprüche zu erwarten? Wie ein solches Konzept aussehen könnte, erläutert Bernd Riexinger am kommenden Freitag auf einer Veranstaltung in Konstanz. Eingeladen hat ihn der Kreisverband der Partei Die Linke und der Verein seemoz e.v.
Text: Pit Wuhrer
Foto: Website bernd-riexinger.de
Termin: Freitag, 28. Februar, 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Ort: Treffpunkt Petershausen, Georg-Elser-Platz 1, Konstanz.
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