Die Philharmonie steht unter besonderer Beobachtung. Die Verwaltungsspitze hat klargemacht, dass sie notfalls auch ohne ein eigenes Konstanzer Orchester auskommen könne, und eine erhebliche Verbesserung der Bilanz gefordert. Heute wird der Interims-Intendant Hans-Georg Hofmann dem Orchester- und Musikausschuss die aktuellen Entwicklungen und Pläne vorstellen.
Dass, wer die Musik bezahlt, auch bestimmt, was und wie gespielt wird, ist eine Binsenweisheit. Selten war sie so schmerzlich zu spüren wie derzeit in der Philharmonie. Dass dort ganz neue Zeiten anbrechen (sollen), zeigte spätestens die Umbenennung des Klangkörpers in „Bodensee Philharmonie“ zum Saisonstart, mit der das Orchester für externe Auftraggeber*innen und das Publikum attraktiver werden soll. Ob ein solcher Namenswechsel tatsächlich wirkt, mag umstritten sein, aber das Ziel ist klar formuliert: Die Philharmonie hat eine Bewährungsfrist von fünf Jahren, in der sie beweisen soll, dass sie auch mit eingefrorenen Zuschüssen auskommen kann, sonst mag sich die Stadt Konstanz in ein paar Jahren vielleicht gar kein eigenes Orchester mehr leisten.
Mehr Geld
Vor allem muss das Orchester seine Einnahmen erheblich steigern. So sollen die Erlöse der Philharmonischen Konzerte, die im Wirtschaftsplan 2023 noch mit 435.500 Euro angesetzt waren, 2025 auf 515.500 Euro steigen. Nach der aktuellen Hochrechnung aus den Einnahmen der ersten drei Quartale dieses Jahres liegen die Philharmoniker weitgehend auf Kurs: Danach sind bis Jahresende 475.446 Euro zu erwarten. Auch die Zahl der Abonnent*innen ist um 101 auf 2780 gestiegen. Außerdem wurden mehr Drittmittel aus Spenden, Sponsoring, Fördergeldern usw. eingeworben, so dass die Intendanz hofft, im Jahr 2025 die Zielvorgabe von 150.000 Euro zu erreichen.
Zusätzlich besteht für 2025 eine Zusage der Stadt Kreuzlingen über 30.000 CHF und die Hoffnung, dass das Kulturamt des Kantons Thurgau zur Unterstützung der Schweizer Gastspiele 20.000 CHF zuschießt. Ob es für diese Gespräche hilfreich sein wird, dass der Konstanzer Gemeinderat am Donnerstag wohl die Bitte der Kreuzlinger um einen erheblichen Zustupf zur Renovierung der Eissport-Arena ablehnen wird, bleibt abzuwarten. Darüber hinaus erhofft sich die Bodensee Philharmonie auch noch Geld von der Schweizer Stiftung Pro Helvetia zur Unterstützung der „Projekte mit Schweizer Künstlern (DirigentInnen, SolistInnen, KomponistInnen)“ und mehr Konzerte in bodenseenahen Kommunen.
Zaubermittel Haustarifvertrag
Nicht weniger wichtig ist den politisch Verantwortlichen und dem Gemeinderat ein zweites Standbein der Philharmonie: Die Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse der Musiker*innen, wie sie derzeit landauf, landab betrieben wird, immer mit der Drohung, Orchester zu schließen, falls die Künstler*innen nicht klein beigeben. Das Mittel heißt „Haustarifvertrag“ und setzt eine Einigung zwischen dem Arbeitgeberverband (Bühnenverein) und der Orchestergemeinschaft Unisono voraus. Es geht dabei unter anderem um „eine größere Flexibilität im Einsatz der MusikerInnen und mehr Beiträge des Orchesters kultureller, sozialer und bildungspolitischer Art für die Stadtgesellschaft“, was auch immer damit gemeint sein mag – manche Gemeinderät*innen träumen ja insgeheim schon davon, den Musikunterricht an Schulen statt von ausgebildeten Musikerlehrer*innen quasi nebenbei von Orchestermitgliedern erteilen zu lassen. Vorbild sollen dabei die Verhandlungen des ehemaligen Konstanzer Intendanten Beat Fehlmann mit seinem aktuellen Klangkörper, der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, sein.
Natürlich steht bei Tarifverhandlungen immer die Überlegung im Raum, dass die Arbeitnehmer*innen umso nachgiebiger sein dürften, je schlimmer die Drohungen der Arbeitgeberseite sind. Selbst die scheinbar harmlose Umbenennung des Orchesters wird denn auch seitens der Verwaltung nicht nur als reine Marketingmaßnahme, sondern auch als „Signal für die Ernsthaftigkeit des Kooperationswillens gesehen“, also eine Art Unterwerfungserklärung. So lässt sich selbst mit einem Namenswechsel Personalpolitik machen.
Kein Nasenwasser
Außerdem gibt es natürlich die üblichen Floskeln: Das Orchester solle sich gegenüber der Stadtgesellschaft öffnen und verstärkt mit der Musikschule, mit der es ja im städtischen Eigenbetrieb Orchesterkultur und Musikbildung Konstanz OMK formal verschmolzen wurde, zusammenarbeiten.
Das Erreichen der wirtschaftlichen Ziele, und das auch noch auf Dauer, ist trotzdem schwierig, denn beide Betriebsteile könnten nach ersten Hochrechnungen schon für 2024 etwas schlechter dastehen als vorhergesagt: Die Philharmonie um 163.466 Euro und die Musikschule um 58.480 Euro. Zum besseren Verständnis dieser Zahlen: Das Orchester erhält von der Stadt rund 3,6 und vom Land rund 2,8 Millionen Euro an Zuschüssen.
Diese Abweichung mag sich angesichts all der Millionen, die das Bodenseeforum Jahr für Jahr verschlingt, nach einem Nasenwasser anhören, kann aber in dieser Zeit, in der Kultur und Bildung immer weniger zählen und Geld immer mehr, auf Dauer existenziell bedrohlich werden. Auch die Musik geht letztlich nach dem Geld.
Quellen: Aktuelle Sitzungsvorlagen für den Orchester- und Musikausschuss sowie die grundlegende Vorlage 2023-3472 aus dem Oktober 2023.
Text & Bild: Harald Borges
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