Konstanz ist in den Augen seiner Verwaltung so manches – Konzilstadt, Klimanotstandstadt und langsam auch Radstadt. Damit es mit letzterer wieder einmal einen Schritt vorangeht, soll jetzt im Paradies ein Fahrradparkhäuschen aufgestellt werden. Einige Details sind noch offen, es sind aber schon erste Bilder des Schnuckelchens im Umlauf.
Das Paradies ist nicht nur hip (mit nur einem „p“), sondern auch ziemlich hügelig. Zumindest für all jene Fahrradbesitzer*innen, die ihr Gefährt (oder ihre Gefährtin, wer weiß das heutzutage schon so genau?) über Nacht in den Keller schleppen wollen: Zuerst geht es etliche Stufen hoch ins Hochparterre, dann ein paar Stufen runter, und schließlich folgt eine enge, holperige Kellertreppe, auf der sich schon so manche Zeitgemäßen nicht nur das Genick, sondern auch das Bein gebrochen haben (was ziemlich ärgerlich ist, weil mensch so seinen habgierigen Erben keinen saftigen Fußtritt mehr versetzen kann).
Radfahren wird attraktiver
Also stehen die Räder*innen zumeist auf der Straße, wo sie nicht nur Wind und Wetter, sondern auch den höhnischen Blicken der Nachbarschaft und den Beißzangen der Diebesbanden ausgesetzt sind.
Das Problem ist also erkannt, und deshalb will die Stadt jetzt in der Wallgutstraße nahe der Schule als Lösung ein erstes Fahrradhäuschen aufstellen, sozusagen ein Mini-Fahrrad-Parkhaus auf Bewährung. Wer wissen will, wie ein solches Fahrradhäuschen aussieht, findet übrigens hier einige Fotos des Modells, das auch in Konstanz eingesetzt werden soll.
Die Entscheidung fiel bewusst zugunsten dieser lichtdurchfluteten architektonischen Komposition von der Leichtigkeit und Tiefe einer Bachschen Fuge (ich denke dabei etwa an BWV 951a). Eine billige Container-Lösung wäre im Vergleich hierzu eine Beleidigung des Stadtbildes gewesen. Und wie herzerwärmend ist die Aussicht, dass eines Tages solche Häuschen die hässlichen Auto-Parkplätze verschönern und einer sinnvollen Nutzung zuführen!
Ein Nasenwasser
Schluss mit der Schwärmerei, zu den Fakten: Ein solches Schmuckstück kostet nur (bestens angelegte!) 25.000 Euro und verfügt über eine Zugangskontrolle – das heißt, nur Menschen, die einen Platz langfristig mieten, können darin ihre Rennsemmel abstellen. Von den 25.000 Euro muss die Stadt übrigens nur einen Teil übernehmen, der Rest wird uns Israeliten in der Wüste als Fördergeld-Manna quasi vom Himmel herabregnen.
Die Installation dieses „ersten Pilot-Fahrradhäuschens soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein. Sollte das Pilot-Fahrradhäuschen gut angenommen werden, sollen bis Ende 2024 bis zu neun weitere Fahrradhäuschen eingerichtet werden.“ Und das allein im Paradies, wo allerdings der Bedarf damit vermutlich noch lang nicht gedeckt sein dürfte.
Welches Modell übrigens für das Pilotprojekt ausgewählt wurde, ob jenes für zehn Räder*innen sowie einen Lastesel oder alternativ zwei Anhänger, oder das mit doppelt so vielen Plätzen, ist noch nicht öffentlich bekannt. Die Maßnahme wird in dieser Woche vom Technischen und Umweltausschuss zur Kenntnis genommen, und dann muss es auch schon losgehen, denn die „Fördermittel sind bewilligt und müssen bis Ende 2024 abgerufen sein“. Bei Missfallen darf das Häuschen frühestens am 29.2.2028 abgebaut oder versetzt werden, sonst droht die Rückzahlung der Fördermittel, also aus Sicht der Verwaltung ein Schlag auf die Nase allererster Güte.
Viel Spaß in unserer Mitte & baldige glückliche Vermehrung wünschen wir Dir also, Fahrradhäuschen …
Text: O. Pugliese
Noch viel mehr zum Thema
Die Verwaltung beschreibt das alles in der Sitzungsvorlage 2023-3481 unter anderem so:
Modell „Velo Box“
Die Recherche in anderen deutschen Städten, die bereits solche Einrichtungen vorhalten, hat zum Modell „Velo Box“ geführt. Dieses wurde im Auftrag der Stadt Saarbrücken vom dort ansässigen Architekturbüro „baubar“ entwickelt und wird dort seit einigen Jahren erfolgreich vom ADFC betrieben. Auf Grund der positiven Erfahrungen und der hohen Nachfrage sollen in der Stadt Saarbrücken weitere Velo Boxen aufgestellt werden.
Das Gebäude ist eine mit Streckmetallblechen verkleidete Stahlrahmenkonstruktion. Dies führt zu einer leichten und transparenten, wenig störenden Erscheinung, die nach den Saarbrücker Erfahrungen wenig anziehend für Vandalismus ist.
Bei der Größe von nur 3,30 m x 3 m weist das Fahrradhäuschen hohe Flächeneffizienz aus. Im Fahrradhäuschen lassen sich zwölf Fahrräder mittels eines Doppelstock-Fahrradparksystems (adfc-zertifiziert) unterbringen, durch Gasdruckfeder- Unterstützung auch E-Bikes von mehr als 25 kg.
Das Dach des Pilot-Fahrradhäuschen wird extensiv begrünt, in weiteren Modellen soll ebenfalls die Installation einer PV-Anlage geprüft werden.
Die Zugangssicherung im Pilot-Fahrradhäuschen erfolgt über ein elektronisches Schließsystem, welches mit einem Chip bzw. einer Chipkarte geöffnet werden kann. Dieser wird den Mietern mit dem Mietvertrag zur Verfügung gestellt.
Betrieb und Vermietung der Fahrradhäuschen
Den Betrieb der Fahrradhäuschen soll ab 2024 die Konstanz mobil GmbH (KmG) übernehmen. Der Betrieb des Pilot-Fahrradhäuschens wird bis dahin vom Amt für Stadtplanung und Umwelt – Abteilung Mobilität übernommen.
Für einen Stellplatz im Fahrradhäuschen sollen ausschließlich im Stadtteil Paradies angemeldete Personen berechtigt sein. Die Fahrradstellplätze werden nur für langfristige Nutzung und gegen Gebühr mittels eines Mietvertrages vergeben; die erforderliche Gebührenhöhe wird mit der KmG abgestimmt.
Standortauswahl
Die Auswahl der Standorte erfolgte zunächst anhand einer Bedarfserhebung mittels Zählung abgestellter Fahrräder und Analyse von Bürgeranfragen. Danach wurde ge- prüft, ob vor Ort Flächen verfügbar sind, auf denen Fahrradhäuschen installiert werden können, ohne dass der Bestand an Straßenstellplätzen für Kfz reduziert wird.
Kriterium für die Errichtung von Fahrradhäuschen war zudem die Gewährleistung einer Gehwegbreite von 2,10 m und eines genügenden Abstandes von Fenstern des Erdgeschosses aufgrund der Höhe des Fahrradhäuschens von 3,3 m. Des Weiteren wurden die Belange der Rettungsdienste und der Entsorgungsbetriebe und die stadtgestalterische Integration des Fahrradhäuschens im jeweiligen Straßenraum berücksichtigt.
Anhand der oben genannten Kriterien favorisiert die Verwaltung den Standort in der Wallgutstraße als Pilot-Standort. Vorausgesetzt positiver Resonanz auf die „Velo Box“ sollen unter Beteiligung der Bürger der Bedarf für weitere Standorte ermittelt werden. Die dann ermittelten Standorte werden entsprechend der o.g. Kriterien überprüft.
Finanzierung
Die Beauftragung zur Herstellung und Montage der Fahrradhäuschen erfolgt im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens. Die geschätzten Kosten pro Fahrradhäuschen betragen ca. 25.000 € brutto, diese sind im Haushalt Aktive Mobilität berücksichtigt. Hierfür wurden Fördermittel im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums beantragt. Sie sind Bestandteil des Maßnahmenbündels im Förderantrag aus dem Programm „Klimaschutz durch Radverkehr“, zu dem auch die Ausweitung des Transportradmietsystems gehörte. Förderbedingung ist, dass die beantragten Maßnahmen gemeinsam umgesetzt werden.
Der Fördersatz beträgt 75% auf die förderfähigen Kosten. Die tatsächlichen Kosten können erst nach Vorliegen der Abschlussrechnung genau beziffert werden.
Eine der Förderbedingungen ist eine Zweckbindungsfrist von 5 Jahren nach Ende des Bewilligungszeitraums. Das heißt, dass der Zweck der Förderung bis mindestens zum 28.02.2029 gewährleistet sein muss – ansonsten droht die Rückzahlung von Fördermitteln. In der Regel bedeutet dies, dass die Radabstellanlagen in diesem Zeitraum vor Ort nutzbar bleiben müssen.
Weiteres Vorgehen
Im Rahmen des Förderprogramms ist nach Fertigstellung des Pilot-Projekts aber spätestens im ersten Quartal 2024 eine Bürgerbeteiligung geplant. In Vor-Ort Terminen soll die Funktion der „Velo Box“ erklärt werden, Anregungen zur Verbesserung abgefragt und Vorschläge zu weiteren Standorten inkl. Ankündigungen zu Anmietungsbereitschaft gesammelt werden. Die Termine werden im Amtsblatt und den sozialen Medien rechtzeitig bekanntgemacht.
Weitere „Velo Boxen“ sollen ausschließlich auf Grund von ermitteltem Bedarf und erkennbarer Bereitschaft zur Stellplatzanmietung eingerichtet werden. Ziel ist die Inbetriebnahme von bis zu zehn Fahrradhäuschen bis Ende 2024 im Stadtteil Paradies.
Im April 2023 meldete der AK RuF [Arbeitskreis Rad- und Fußverkehr] die Brauneggerstraße als potenziellen Standort an. Dieser Standort würde jedoch zum Ausfall von drei längs-angeordneten Kfz- Stellplätzen führen. Weil laut Beschluss 2020-0642/1 entfallende Stellplätze kompensiert müssen, ist ein Fahrradhäuschen dort aktuell nicht möglich.
Im Rahmen des Förderprogramms verlangt der Fördermittelgeber eine Evaluation der Maßnahmen. Daher ist geplant, 2025 an allen Standorten an einem Stichtag die Auslastung der Fahrradhäuschen zu erheben. Die Ergebnisse werden dem Technischen und Umweltausschuss mit einem Vorschlag zur Erweiterung der Fahrradhäuschen auf andere Stadtteile zum Beschluss vorgestellt.
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