Bild Irrgarten 2 Pixabay

Scharf nach Rechtsaußen abgebogen

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Eine blaue, aber in Wahrheit eher tiefbraune Welle schwappt über das ganze Land und spült auch ehemalige Demokraten in die rechtsradikale Ecke. Mittlerweile ist dort nach einer langen Reise auch der Litzelstetter Journalist Dennis Riehle angekommen. Eine erstaunliche Wandlung.

Ältere unserer Leser*innen werden sich erinnern: Über mehrere Jahre hinweg verfasste Riehle für seemoz fundierte und gut geschriebene Texte, die sich meist mit sozialpolitischen und kirchenkritischen Themen beschäftigten. Außerdem war er ehrenamtlich für diverse Selbsthilfeverbände aktiv, unter anderem betreute er längere Zeit die Sozial- und Pflegesprechstunde der Litzelstetter Nachbarschaftshilfe e.V.

Zusätzlich zertifizierte er sich im Bereich der Gesundheitsförderung und des Sozialrechts und engagierte sich auch mit Elan in der Flüchtlingsberatung. Mit seiner Homosexualität ging er offen um, ebenso mit seinen gesundheitlichen Problemen, die ihn immer wieder zu beruflichen Auszeiten zwangen.

Ein Kämpfer gegen rechte Umtriebe

In seinen vielen Berichten bei seemoz äußerte er fast schon euphorisch seine Sympathie für fortschrittliche, grüne sowie linke Bewegungen und warnte ausdrücklich vor „Rechtsradikalen, die auf Deutschlands Straßen Angst und Schrecken verbreiten“. Vor allem mit der AfD ging er hart ins Gericht. Diese liefere „keine Konzepte“, nur eine linke Opposition könne dafür sorgen, „dass die AfD mit ihren nichtssagenden Anschuldigungen an Flüchtlinge in diesem Land kein Oberwasser gewinnt“.

Um das zu verhindern, so Riehle, müsse sich „links der Mitte ein Bündnis der Objektiven sammeln“. Mehrmals rief er wortgewaltig dazu auf, gegen den „rechtsradikalen Mob“ anzutreten und zu versuchen, „Deutschland ein linkes Gesicht zu geben“. In der Flüchtlingsfrage plädierte er mit Nachdruck für „offene Grenzen“, denn diesbezüglich sei noch „Luft nach oben“.

Bis Ende 2021 war Riehle Mitglied bei der Partei die Linke, weil sie seiner Meinung nach eine soziale und gerechte Politik verfolge, mit der er sich voll und ganz identifizieren könne. Doch dann machte sich bei ihm allmählich ein langsam schleichender und radikaler Gesinnungswandel breit, den frühere Bekannte bis heute nicht nachvollziehen können. Viele fragen sich: Was ist nur mit dem Mann passiert?

Propaganda für völkischen Nationalismus

Denn seit Anfang 2024 betreibt Dennis Riehle einen Blog, den er täglich mit mehreren Beiträgen bestückt. Auch auf X (früher Twitter) ist er präsent und verbreitet seine extremen Ergüsse. Aus dem früheren Verfechter einer wehrhaften Demokratie ist ein begeisterter Trommler für das rechtsradikale Lager geworden. Man reibt sich verwundert und auch entsetzt die Augen, was Riehle auf seinen Seiten absondert.

Im völligen Gegensatz zu seinen früheren Auffassungen, fühlt er sich neuerdings der AfD verbunden und schreibt: „Jetzt erst recht Alternative für Deutschland. Und v. a. ein klares Bekenntnis zur Heimat, zur Identität, zum Volk, zu Schwarz-Rot-Gold. Ich finde beim Lesen der Grundsätze kein einziges Anzeichen für Ausländerfeindlichkeit, für Antisemitismus oder Ressentiments“. Derlei Vorwürfe bezeichnet Riehle als „grünsozialistische Verblendung“, aus der auch „Wokeness“ und „Genderismus“ entstanden seien – linkes Teufelszeug eben, um dem deutschen Volkskörper Schaden zuzufügen. „Ich bin ein schwuler Mann“, schrieb er unlängst, aber „ich benötige keine Regenbogenflagge, sondern mir genügt die Deutschlandflagge vollkommen“. Wäre Ernst Röhm noch unter den Lebenden, hätte er wohl begeistert geklatscht.

Für Proteste gegen die rechten Umtriebe hat Riehle grundsätzlich nichts mehr übrig. Er pöbelt und schäumt hemmungslos: „Wo Omas gegen rechts antrommeln, ansingen und anstricken, während gleichzeitig der nächste Messerattentäter eine Blutspur durch unsere Fußgängerzonen zieht, ist das Höchstmaß an Schizophrenie erreicht“. Umweltaktivist*innen sind für Riehle „Klimafanatiker“ und die „Leitmedien“ stünden logischerweise unter der Fuchtel eines „grünen Kartells“, dem er neuerdings sogar die CDU zurechnet.

Festung Europa

Und was ist aus dem früheren „Integrations- und Flüchtlingsberater“ Riehle geworden? Auch da wird man auf seinen Seiten schnell fündig. Sein Engagement bezeichnet er als „überdrüssig“, hält „Remigration“ für „völlig zulässig“ und plädiert vehement dafür, Europa „zu einer Festung“ zu machen. Das aber funktioniere nur, „wenn sich darum die Parteien rechts der CDU bemühen“.

So wundert es auch nicht, dass Riehle sich stark macht für den rechtsradikalen Martin Sellner, der kürzlich an der Grenze von der Kreuzlinger Kantonspolizei festgenommen wurde. Damit, meint Riehle, habe man einem „unbewaffneten Referenten, Influencer und Autoren die europäische Freizügigkeit“ genommen, „während vielleicht ein paar hundert Meter weiter der messerbewaffnete Islamist unbehelligt das Territorium betritt“. Das mag Riehle nicht verstehen, denn Sellner kämpfe „unermüdlich für den Erhalt des europäischen Volkes“.

Zurück nach Litzelstetten. Dort engagierte sich Riehle in seinem früheren Leben bei der Litzelstetter Nachbarschaftshilfe, einer Initiative, die verdienstvolle Arbeit leistet. Auf deren Seite wurde Riehle bis Mitte Oktober als verantwortlicher Redakteur ausgegeben, sein Name ist nun aber gestrichen. Denn auch in dem Konstanzer Vorort hat sich längst herumgesprochen, was ihr Mitbürger auf seiner Seite täglich von sich gibt.

Text: Holger Reile; Symbolbild: pixabay

7 Kommentare

  1. Roland Becker

    // am:

    @Peter Köhler

    An die potentielle Wählerschaft der Ränder gerichtet sollte man genau wissen worauf man sich einlässt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich diese leicht durchschaubare politische Trendbewegung zusammen gerechnet mittlerweile in Richtung 50% Stimmenanteil bewegt, zumindest derzeit noch beschränkt auf östliche Bundesländer.

    Im Ergebnis werden wir auch hier zu Lande eine Polarisierung der Gesellschaft, durch politische Eliten angefeuert erleben, wie aktuell in den USA zu sehen ist, wo die politischen Lager und deren Wählerschaft an der Grenze zu einem Bürgerkrieg verfeindet sind.

  2. Peter Köhler

    // am:

    Der Flensburger Politologe Torben Lütjen hatte 2023 aus Anlaß der Gründung des BSW einen Essay in der FAZ ( https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/sahra-wagenknecht-ueber-die-geschichte-politischer-seitenwechsel-19325166.html ). Warum gehen die öffentlichen Bekehrungen immer nach rechts, nie nach links?

    „Linke Überläufer nach rechts dürfen auf etwas hoffen, was rechte Überläufer nach links niemals finden werden: eben, wie wir es auch bei Wagenknecht derzeit erleben, eine dankbare Gemeinde, die sie mit offenen Armen aufnimmt. …
    Vormalige Linke, die sich der Rechten anschließen, genießen … einen besonderen Status: Sie gelten als gebrannte Kinder, die so gründlich in den Abgrund einer falschen Ideologie geblickt haben, dass sie am Ende eine tiefere Wahrheit gesehen haben. Was Überläufer darüber hinaus nützlich macht: Sie kommen nie mit leeren Händen, verfügen sie doch über intime Kenntnisse der Gegenseite, bringen Fertigkeiten und Fähigkeiten mit, die sie unter den neuen Weggefährten sofort zur Avantgarde machen. …
    Natürlich ist diese Wertschätzung auch die Frage einer banalen Intellektuellen-Ökonomie. Links gab es nie einen Mangel, sondern immer ein Überangebot an sendungsbewussten Intellektuellen… Auf der anderen Seite sieht die Sache ganz anders aus, weshalb politische Rechte immer schon um jeden Intellektuellen geworben, sie auch aktiv und aggressiv abgeworben haben.“

  3. Roland Becker

    // am:

    Irgendwie zeigt doch so ein Phänomen, dass politisch weder das rechts noch das links Außen im Sinne eines gesunden Menschenbildes wirklich im Einklang steht. Die Positionen ähneln sich häufig insbesondere in ihrer Kompromisslosigkeit gegenüber der Realität und sind damit austauschbar, genauso wie deren Lautsprecher. Der gesunde Mensch ist halt nur in der Mitte im Gleichgewicht.

  4. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Zu Herrn Ritzmann
    Warum verwundert? Ich hatte noch überlegt, ob ich in dem Zusammenhang auch Horst Mahler oder Jürgen Elsässer erwähne, an die hatte ich gedacht. Doch mal ehrlich, diese Wucht hat Denis Riehle einfach nicht.
    Mussolini gehört aber eindeutig nicht in diese Reihe, seine Geschichte war von Anfang an anders geprägt und im Keim klar ersichtlich, keine Wandlung, sondern konsequente Fortführung.
    Da ich selber die Erfahrung gemacht hatte, dass jemand, den ich vor vielen Jahren anders kannte, plötzlich stramm AfD ist, kann ich den Schock oder auch nur die Verwunderung verstehen, die bei ehemaligen Mitstreitern entstanden sein muss. Aber mal ehrlich, mich wundert so langsam nichts mehr.

  5. Christoph Ritzmann

    // am:

    Die oft etwas wirren Leserbriefe im SK wurden vergessen. Aber warum so verwundert? Diesen Weg sind seit Mussolini, Horst Mahler und Jürgen Elsässer schon einige gegangen.

  6. Peer Mennecke

    // am:

    Klarer Fall von AfD-/Putin-Proxytum. Bringt immerhin Geld. Schade um den Mann, mir tut er leid. Beim Lesen seiner Blog-Beiträge wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ganz ganz traurig, so eine offenkundige Gehirnwäsche.

  7. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Das ist bitter. Ich hatte Herrn Riehle nie persönlich getroffen, aber viele seiner Beiträge auf seemoz gelesen. Manches fand ich gut, anderes hatte mich eher geärgert. Seine Verbitterung bezüglich der Großkirchen konnte ich teilweise nachvollziehen, seine Attacken gegen Glauben insgesamt nicht. Ich hatte jedoch immer Respekt vor einem Menschen der sich von seiner Erkrankung nicht unterkriegen lassen wollte und ja auch in einer Selbsthilfegruppe engagiert war.
    Nun es klingt wie ein Nachruf, das ist es wohl in gewisser Weise auch.
    Nun, lieber „Omas gegen Rechts“ , die nicht nur stricken und trommeln, das ist ein Versprechen für Konstanz.

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