Protestaktion Gegen Den Cdu Antrag Kreistag 2024 12 09 © Seebrücke

Rückzug ohne Einsicht

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Protestaktion Gegen Den Cdu Antrag Kreistag 2024 12 09 © Seebrücke
Protest gegen den flüchtlingsfeindlichen Antrag der CDU

Anfang der Woche warf sich die Kreis-CDU mit einen Antrag gegen zivilgesellschaftliche Initiativen zur Seenotrettung in die Arme der Migrationsgegner:innen. Doch ihr Schuss ging eher nach hinten los – wie auch eine wenig durchdachte Erklärung des Konstanzer Oberbürgermeisters zeigt.

Montagabend, Kreistagssitzung im Landratsamt Konstanz. Beim Tagesordnungspunkt 26 („Beratung und Beschluss über den Haushalt 2025“), zeigte die regionale AfD mal wieder, was in ihr steckt. Ihr Kreisvorsitzender Steffen Jahnke beschimpfte alle, die nicht seiner Meinung sind, als „linksideologisch“, forderte Einschränkungen bei der Sozialbetreuung von Flüchtlingen und lobte „unsere Tugenden“. Entsprechend reagierte das Bündnis „Konstanz für Demokratie – klare Kante gegen rechts in Stadt und Landkreis“ in einer Pressemitteilung.

Für mehr Furore sorgte freilich der Tagesordnungspunkt 16 auf der Kreistagssitzung. Wie von seemoz berichtet, hatte die Kreis-CDU einen Antrag angekündigt, demzufolge sie ihre Zustimmung zur weiteren Förderung der Seenotrettung davon abhängig mache, „dass die Organisatoren dem Landkreis bestätigen, dass sie die aus Seenot aufgegriffenen Menschen zurück zu ihrem Ursprung/-Abfahrtsort, die afrikanische Küste bzw. gegebenenfalls die türkische Küste bringen“. 

Hat die CDU damit ihre „Unmenschlichkeit“ gezeigt, wie Die Linke in einem Statement schrieb, nur um der „AfD Stimmen abzuluchsen, indem man sich einfach selbst ihrer Themen und ihres Vokabulars bedient“? Und sich damit „aus der demokratischen Mitte verabschiedet“, wie es in einer Pressemitteilung der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen heißt? Jedenfalls führte der Antrag zu viel empörten Stellungnahmen, zu eindeutigen Schlagzeilen (unter anderem in der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel: „Was die CDU da fordert, ist krass völkerrechtswidrig“) und zu energischem Protest der seebrücke Konstanz (siehe ihre Stellungnahme hier). Außerdem versammelten sich vor der Sitzung und später im Kreistagssaal mehrere Dutzend Demonstrant:innen mit ihren Bannern.

Der braune Dreck in der Hose

Also vertagte die CDU-Fraktion ihren Antrag – den unter anderen die Bürgermeister von Konstanz, Singen, Radolfzell, Allensbach, Stockach sowie der frühere Konstanzer Caritas-Sprecher Andreas Hoffmann unterzeichnet hatten – zu Sitzungsbeginn. Man ziehe den Antrag nicht zurück, wolle ihn aber nochmals diskutieren, sagte Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler, der noch im Januar auf der Singener Kundgebung gegen Rechtsextremismus vor „dem braunen Dreck in der Hose“ gewarnt hatte.

Offenbar war einigen CDU-Mitgliedern aufgefallen, dass sie sich mit ihrem Antrag vergaloppiert hatten. Das hinderte einen Teil der Fraktion jedoch nicht daran, gemeinsam mit der AfD gegen den Antrag der Kreisverwaltung zu stimmen. Diese hatte, wie schon zuvor, dafür plädiert, der zivilgesellschaftlichen Seenotrettung 10.000 Euro zukommen zu lassen. Den Antrag zugunsten der Organisation Sea-Eye abgelehnt hat übrigens auch eine Mehrheit der FDP-Mitglieder im Rat – mit der rühmlichen Ausnahme von Manfred Hensler. Das CDU-Papier sei „unsäglich“, sagte der Leiter des Radolfzeller Abendgymnasiums in einem Gespräch mit dem Südkurier.

Die Mehrheit im 75-köpfigen Kreistag sah dies ähnlich – und bewilligte den Zuschuss. 

„Nichts ist gut in der Seenotrettung“

Die Resonanz auf ihr Vorgehen war manchen christlich-konservativen Kreisräten wohl nicht ganz geheuer. Und so meldete sich zwei Tage später einer der Mitunterzeichnenden schriftlich zu Wort: der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt. In einem ausführlichen Statement mit dem Titel „Nichts ist gut in der Seenotrettung und wenig in der Migration“ bekräftigte er darin seine frühere Position: „Wir können nicht Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen“, berichtete von der großen Last für die Gemeinden („Seit fast 10 Jahren sind erhebliche Ressourcen meiner Konstanzer Stadtverwaltung wie auch der Landkreis-Verwaltung damit beschäftigt, irgendwie die Flüchtlingsunterbringung zu organisieren“) und lobte sich selber („Wir haben unseren Job gemacht“).

Diesen allgemeinen Aussagen folgte jedoch eine Klage an die Adresse der Kritiker:innen. „Jetzt aber auf uns Kommunen zu zeigen, die sehr gute Arbeit in der Flüchtlingsunterbringung und in der Integration leisten und hier sehr viele Ressourcen investieren, das finde ich nicht fair“, schrieb er (als hätte jemand auf die Kommunen „gezeigt“). Und wiederholte eine längst widerlegte Aussage: „Diese Form der privaten Seenotrettung“ sei „mitverantwortlich für das Entstehen von kriminellen Schlepper-Strukturen“. Dass sich Burchardt dabei auf SPD-Kanzler Olaf Scholz berief, macht die Behauptung auch nicht wahrer.

Die Frage übrigens, ob der Konstanzer OB mit seinem parteipolitischen Statement nicht gegen die Neutralitätspflicht als Verwaltungschef verstoßen habe – gestellt von Niklas Becker (Grüne) –, konnte (oder wollte) Burchardt auf der gestrigen Konstanzer Gemeinderatssitzung nicht beantworten. Er werde das prüfen lassen, sagte er. 

Und der CDU-Antrag? Vielleicht legt ihn die Partei – wie angekündigt – bei der nächsten Sozialausschusssitzung am 10. Februar wieder vor, vielleicht auch nicht. Denn dann ist der aktuelle Bundestagswahlkampf schon fast vorbei. Obwohl: Anschließend beginnen die Vorbereitungen für den baden-württembergischen Landtagswahlkampf. Und auch dabei wird die CDU auf der Überholspur rechtsaußen an den Fakten vorbeibrettern wollen.

Text: Pit Wuhrer / Foto: seebrücke Konstanz, veröffentlicht auf Instagram

PS: Die Zahl der Kritiker:innen wächst

Nach Veröffentlichung dieses Beitrag erreichten weitere Stellungnahmen die seemoz-Redaktion – Presseerklärungen des Sprecherrats der Helferkrise im Landkreis Konstanz und des Kreisverbands der Jusos.

6 Kommentare

  1. Helmut Reinhardt

    // am:

    @Dr. Peter Krause
    Für nur 10 000 EUR läuft hier wiederholt eine öffentliche Auseinandersetzung, ein öffentliches Seminar mit grosser Beteiligung, über ein für heute und auch in Zukunft elementares Thema, das alle angeht, und zugleich wird damit Menschen in höchster Not geholfen, – gut investiertes Geld – dies sollte doch besonders für im Bildungsbereich tätige Menschen einsichtig sein?

    Es scheint zugleich eine Scheidelinie zwischen linken und rechten Sichtweisen sichtbar zu machen, der Art wie die Welt wahrgenommen wird: Was bedeutet nicht links zu sein – was das Gegenteil? Der französische Philosoph Gilles Deleuze erklärt’s 1988 am Beispiel der postalischen Adresse bei uns in Europa im Unterschied zur japanischen. Quelle Abécédaire, Gilles Deleuze von A bis Z unter G wie gauche, mit deutschen Untertiteln. https://www.dailymotion.com/video/x2o8fpv

  2. Dr. Peter Krause

    // am:

    Dass Menschen Mitleid empfinden und es nicht ertragen können, dass andere Menschen ertrinken, ist mehr als nur verständlich, sondern ein Zeichen von menschlichem Mitgefühl. Dass aus diesem Mitgefühl das Bedürfnis und der Wunsch entsteht, Hilfe leisten zu wollen und den vom Ertrinken bedrohten Mitmenschen zu helfen, ist aller Ehren wert.
    Aber die Frage, die hier im Raum steht, ist eine andere: Soll bzw. darf eine Kommune bzw. ein Gemeinderat beschließen, eine derartige international tätige Rettungsgesellschaft wie sea-eye mit kommunalen Steuergeldern zu unterstützen? Hat ein Gemeinde- bzw. Stadtrat ein politisches Mandat, dass die Legitimation für derartige, letztlich außenpolitische Handlungen bietet? Oder muss sich eine Gemeindevertretung auf die kommunalen Aufgaben – wozu ggf. auch die Pflege internationaler Städtepartnerschaft zählen, aber wohl weniger außen- und sicherheitspolitische Fragen – beschränken?
    Ich denke, es steht jedem Bürger frei, sich in und für derartige Vereine zu engagieren; gerne auch finanziell. Aber eine Gemeindevertretung bzw. ein Stadtrat würde sein politisches Mandat überdehnen, wenn er derartige Organisationen mit Steuergeldern unterstützt. Die Kommune ist nicht legitimiert, Außen- und Sicherheitspolitik oder gar Welt(rettungs)politik zu betreiben.
    Dass der eine oder andere Kommunalpolitiker – oder auch ein Bürgermeister – dies anders sieht, kann immer wieder mal beobachtet werden. Gute und verantwortungsvolle Kommunalpolitiker sollten sich jedoch davor hüten, „ihre“ Gemeinde zum „internationalen Akteur“ zu erklären. Vielmehr sollten sie sich um die lokalen Angelegenheiten kümmern, wozu dann mitunter auch die Unterbringung von Flüchtlingen gehören kann, das ist ihre Aufgabe. Wer anderes will, sollte für den Bundestag kandidieren.

  3. Gunder Haschker

    // am:

    @Eisenbarth
    „Die Fluchtursachen muss man zusätzlich in den Herkunftsländern bekämpfen, nur das kann auf Dauer Erfolg haben.“
    Das ist keine neue Erkenntnis, und zwar seit Jahren. Nur leider tut sich nichts, weil sich offenbar kein „man“ dazu bereit findet, effektiv was zu tun…
    Der Konstanzer OB darf sich natürlich zu Allem äußern, aber es wäre gut, wenn er der Aufgabe nachkommt, für die er gewählt wurde und da sehe ich erhebliche Defizite…

  4. Bernd Eisenbarth

    // am:

    @ Haschker
    Die Kohle geben sie den Schleppern aber nur, weil durch die NGOs eine Chance besteht, nach Europa zu kommen. Doch alle Flüchtlinge nach Europa zu holen, ist eine rot-grüne Ideologie, die unsere Sozialsysteme auf Dauer ruiniert und unsere Gesellschaft destabilisiert, wie man jetzt sieht, und dann ist keinem mehr geholfen, auch nicht den Flüchtlingen. Also hat der OB doch vollumfänglich recht und darf sich dazu auch äußern, so wie Sie und ich; noch haben wir zum Glück Redefreiheit. Die Fluchtursachen muss man zusätzlich in den Herkunftsländern bekämpfen, nur das kann auf Dauer Erfolg haben. Alles Andere ist weltfremdes Wunschdenken.

  5. Gunder Haschker

    // am:

    @Eisenbarth
    Der OB hat eben nicht Recht:
    – eine Verbringung an den Ausgansgort erfordert entsprechende Vereinbarungen. Die gibt es nicht.
    – wenn die Flüchtlinge nicht mehr von NGO-Schiffen gerettet werden, ertrinken sie.
    – natürlich wollen sie nach Europa, sonst würden sie sich nicht auf diesen Weg machen. Werden die Schlepper von NGO-Schiffen motiviert? Wohl kaum, sie werden von der Kohle motiviert, die sie den Flüchtlingen (mit oder ohne NGO-Schiffen) abnehmen.
    Der OB sollte sich in solchen Fragen zurückhalten und mal was für Konstanz tun, zum Beispiel in der Frage steigender Preise für den ÖPNV… nur ein Beispiel.

  6. Bernd Eisenbarth

    // am:

    Ich weiß nicht, was daran falsch sein soll, wenn der OB sagt, dass Schlepperorganisationen motiviert werden, weiter zu machen und ihre Aktivität zu intensivieren, wenn NGO-Schiffe Flüchtlinge aus dem Mittelmeer fischen und nach Europa transportieren. Genau das ist, was die Flüchtlinge wollen (nämlich nach Europa und am besten nach Deutschland) und dafür bezahlen sie die Schlepper gut. Soll man das etwa immer weiter forcieren? Wo ist da die Lösung des Flüchtlingsproblems? Eine Verbringung der Flüchtlinge nach deren Rettung (die selbstverständlich notwendig ist) an den Ausgangsort würde dem Ganzen schnell die Attraktivität entziehen für die Schlepper und auch für die Flüchtlinge. Der OB hat also vollkommen Recht.

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