Lars Hofmann Beim Klimastreik2 2025 02 14 © Pit Wuhrer

„Plötzlich zehn Neue! Das ist schon krass“

Lars Hofmann Beim Klimastreik2 2025 02 14 © Pit Wuhrer
Lars Hofmann auf der Konstanzer Klimastreik-Kundgebung am Freitag

„Ihr kennt mich“: Diesen etwas kryptischen Spruch hat die Linke ihrem bis dahin weitgehend unbekannten Kandidaten auf den Wahlplakaten in den Mund gelegt. Aber nach dem ersten Teil des Interviews gestern kennt man Lars Hofmann schon ein bisschen. Noch mehr über ihn erfahren Sie heute.

Den ersten Teil des seemoz-Gesprächs mit Lars Hofmann können Sie hier nachlesen.

Was ist dir am Wahlkampf wichtig?

Dass man die Leute erreicht. Allerdings sind unsere Möglichkeiten aufgrund der Größe unseres Kreisverbands und des Etats limitiert

Macht ihr Hausbesuche?

Ja. Da kann ich leider selten teilnehmen, weil wir das natürlich samstags machen. Da bin ich meistens bei der Arbeit. Wir begeben uns dorthin, wo man bei den Menschen punkten kann, also eher nicht ins Konstanzer Musikerviertel. Bei den Haustürgesprächen geht es vor allem darum, die Menschen sprechen zu lassen; sie erzählen dann allein von ihren Problemen.

Auf die Menschen zugehen, hören, was sie umtreibt – was sonst noch?

Das ist ein ganz großes Feld. Was wir leider nicht ganz so gut ausfüllen, ist Social Media. Da müsste man viel mehr machen, das sieht man an den Erfolgen, die die Rechten mit ihrem Bullshit-Content, den faktenfreien Aussagen, haben.

Dafür habt ihr Heidi Reichinnek.

Die macht das ganz gut, auch andere tun da mehr. Bisher haben wir da etwas gepennt, inzwischen läuft es aber besser; wir verzeichnen auf Social Media großen Zulauf. Andererseits haben wir unsere Wahlstände, obwohl wir inzwischen begriffen haben, dass Infostände auf dem Wochenmarkt nicht unsere Klientel erreichen. Weil die nicht das Geld hat, um auf dem Wochenmarkt einzukaufen.

Hat die Linke nicht auch ein Angebot für jene, die etwa am Freitag mit den Fridays for Future demonstrieren gingen und von der Klima- und Biodiversitätspolitik der Grünen enttäuscht sind?

Natürlich. Wir bieten eine politische Alternative für alle, die mit Fridays for Future demonstrieren und von der Klima- und Biodiversitätspolitik der Grünen enttäuscht sind. Die Linke verbindet konsequenten Umweltschutz mit sozialer Gerechtigkeit. Zentral sind der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der Ausstieg aus fossilen Energien und der Schutz der Biodiversität durch eine ökologische Agrarwende. Außerdem fordert die Linke eine Energiewende in öffentlicher Hand, um Profite großer Konzerne zu verhindern, und kämpft gegen Massentierhaltung sowie den Einsatz schädlicher Pestizide. Bewegungen wie Fridays for Future unterstützt sie aktiv und setzt sich dafür ein, deren Forderungen ins Parlament zu tragen.

Es ist also weiterhin wichtig, dass sich Bewegungen auf der Straße zeigen?

Ja. Und zwar nicht nur vor den Wahlen. 

Gilt das auch für die Linke?

Während des Wahlkampfs findet da einiges statt, aber es besteht die Gefahr, dass man danach aus dem Blickfeld verschwindet, dass anschließend einfach nur Ruhe herrscht. Das darf diesmal nicht sein. Aber jetzt wächst ja unser Kreisverband.

Woran sieht man das?

Ich kam vorletzten Donnerstag zur Sitzung, und da sah ich zehn neue Gesichter von Leuten, die direkt nach ihrem Beitritt zu uns gekommen sind. Normalerweise braucht es erst einmal Überwindung, bis man zu einer Sitzung geht: Du weißt ja nicht, was dich erwartet. Und jetzt plötzlich zehn Neue. Das war schon krass. Die haben sich direkt eingebracht und sind flyern gegangen. Jemand anderer hat sich über Instagram gemeldet und gleich einen ganzen Karton mit Flyern geholt, die er auf der Höri verteilen wollte. Da tut sich schon was.

Und was ist inhaltlich an diesem Wahlkampf wichtig?

Wir sind gegen die Rechten, wir sind nicht wie die Union, die FDP, die SPD, die  Grünen, wie das BSW. Und dann gibt es da die Themen, für die ich selber stehe.

Zum Beispiel?

Das Thema Mieten- und Wohnraumpolitik gehört deutschlandweit ganz nach oben, besonders natürlich in Konstanz. Dann habe ich als Einzelhandelsbeschäftigter mit Lebensmitteln zu tun und weiß, wie sehr die Preise da gestiegen sind. Beides belastet die Menschen und lässt sie verarmen. Wie soll man sich noch gesund ernähren, wenn die Preise für Obst und Gemüse hochschießen? Also greifen viele zu billigeren, ungesünderen Lebensmitteln. Und dann ist da noch die Lebensmittelverschwendung.

Inwiefern?

Wir hatten früher ein kleines Regal, das hieß „Ich bin noch gut“. Da haben wir die Ware, die morgens raus musste, in Beutel abgepackt, einen Aufkleber draufgepäppt – und die Leute haben sich auf das Zeug gestürzt, weil sie günstige Obst und Gemüse haben möchten. Aber derzeit haben wir einen solchen Abbau an Mitarbeitern, dass das nicht mehr machbar ist.

Es wird also wieder weggeschmissen?

Nein. Wir arbeiten jetzt (nach einer Pause) wieder mit der „Tafel“ zusammen. Aber die picken sich heraus, was sie wollen, und lassen extrem viel liegen, das noch gut ist. Das ist ein Problem; vielleicht haben auch sie die Kapazität nicht. Viele Menschen sind enttäuscht, dass es unser Regal nicht mehr gibt. Aber wenn derart an Personal gespart wird …

Was ist dir noch wichtig? 

Der öffentliche Nahverkehr. Da ich ohne Auto unterwegs bin, ist für mich der ÖPNV ganz wichtig – wie für andere Menschen auch. Ausbau des Schienenverkehrs, Beibehaltung des Deutschlandtickets (wenn’s geht billiger)  mal wieder. Das Deutschlandticket sollte natürlich beibehalten werden.

Auf der Kundgebung gegen rechts hat die Pfarrerin Christine Holtzhausen gesagt, dass wir nicht mehr weiterleben können wie bisher. Das heißt aber auch, dass ein Gesellschaftsmodell, das auf Wachstum setzt, nicht funktioniert. Wie kommen wir da raus?

Das ist eine zentrale Frage: Wie können wir eine Gesellschaft aufbauen, dass sie ohne Wachstum auskommt – und gleichzeitig vermeiden, dass die Armen noch ärmer werden. Umverteilung ist sicher ein Mittel, es gibt ja viel Reichtum, außerdem Abschaffung des Kapitalismus, der ohne Wachstum ja nicht auskommt. Und natürlich ein anderes Steuermodell. Mit dem Argument habe ich teilweise auch Leute bekommen. Viele glauben ja immer noch, dass Honig und Milch in grauen Mengen fließt, wenn ab morgen die AfD an der Macht ist. Das sage ich auch immer wieder den Leuten im Handel, die zu zweit ungefähr 40.000 Euro im Jahr verdienen. Wieso möchtet du die Leute wählen? Die sind ja zum Teil noch schlimmer als die FDP.

Momentan sind alle ganz fasziniert von den Großdemos. Du hast zu Beginn unseres Gesprächs deine Skepsis geäußert. Hast du die Befürchtung, dass mit diesen Demos gegen rechts genau das Gleiche passiert wie mit den Klimastreiks von Fridays for Future, die vor Jahren auch riesig waren und dann immer kleiner wurden?

Das Problem ist: Bewegungen kommen und gehen – je nachdem, wie sehr ein Thema die Leute beschäftigt. Wenn etwas in aller Munde ist, du überall damit konfrontiert wirst, die Leute nichts mehr anderes hören und sehen, dann strömen sie zu Demos. Zumindest in der Stadt. Hier waren es 10.000 oder 12.000, in Stockach am Tag danach 300. Da merkst du dann, es geht raus aufs Land, da sind dann nicht mehr so viele dabei. Am 19. Februar ist das Gedenken an fünf Jahre Hanau, da werden vermutlich auch nur paar Leute kommen. Und da denke ich: hey, wenn ihr zu Tausenden zur einen Demo kommt, dann geht doch bitte auch dahin.

Um so wichtiger ist es, dass man all jene, die man jetzt mobilisieren konnte, auch nach der Wahl behält. Dazu braucht es Strukturen, die länger bestehen bleiben. 

Ja, das ist richtig. Wie bindet man die Leute? Wie sorgen wir dafür, dass sie nicht einfach verschwinden und man dann per E-Mail eine Austrittserklärung bekommt. Aber jetzt haben wir eine andere Dynamik. Die Spaltung ist überwunden …

Welche?

Hab ich das gar nicht erzählt? Der Austritt von Sarah Wagenknecht war der ausschlaggebende Grund, warum ich überhaupt dazugestoßen bin. Ich war bestimmt zwei Monate bei den Sitzungen, ohne Mitglied zu sein. „Willst du nicht mal unterschreiben?“, haben sie mich gefragt. Aber da war Wagenknecht noch dabei. Erst als die ausgetreten ist, habe ich die Beitrittserklärung unterzeichnet. Es war wie eine Befreiung.

Wie geht die Wahl aus?

Wir werden deutlich über die Fünfprozent-Hürde kommen. 

Interview: Ralph-Raymond Braun, Pit Wuhrer
Fotos: Pit Wuhrer / Grafiken: Screenshots diverser social-media-Kanäle

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