Petershausen soll eine erste Fahrradzone erhalten. Das ist eine relativ neue Einrichtung, die erst seit 2020 in der Straßenverkehrsordnung steht. Vorgesehen ist dafür ein Quartier, das in der Tat als Modellquartier für den Langsamverkehr (Radfahrer*innen, Fußgänger*innen) besonders geeignet erscheint.
Die (wenigen) Fahrradstraßen in Konstanz erfreuen sich erheblicher Beliebtheit, aber in den letzten Jahren ging es in der fahrradfreundlichen Kommune mit spürbaren Verbesserungen für die Drahtesel eher langsam voran. Jetzt soll die Schlagzahl wieder erhöht werden: In seiner letzten Sitzung sprach sich der TUA auf Antrag der FGL mehrheitlich dafür aus, eine Fahrradzone in Petershausen zu planen und dann zur Entscheidung vorzulegen. Sie soll das komplette Gebiet zwischen Petershauser, Reichenau-, Schneckenburg- und Von-Emmich-/Bruder-Klaus-Straße umfassen, also ein klar abgrenzbares Quartier von knapp 2 Quadratkilometern Grundfläche.
Die ursprüngliche Idee der FGL war es laut Sitzungsvorlage bereits 2017, „die Sankt-Gebhard-Straße als Fahrradstraße auszuweisen. Der TUA hat die Verwaltung daraufhin mit der Durchführung einer Verkehrszählung beauftragt, welche im Oktober 2018 durchgeführt wurde. Für die St.-Gebhard-Straße zwischen Markgrafenstraße und Von-Emmich-Straße ergaben sich Verkehrsstärken von ca. 3.000 Radfahrenden/Tag und 1.800 Kfz/Tag. Zum Zeitpunkt des Antrages der FGL im Jahr 2017 war weder die Z-Brücke fertiggestellt noch war die Fahrradstraße in der Petershauser Straße eingerichtet.“ Mit anderen Worten: Seit 2017 dürfte sich der Rad- und Fußverkehr speziell auf der Sankt-Gebhard-Straße, nicht zuletzt durch die Schüler*innen der Gesamtschule am Petershauser Bahnhof mit seiner Z-Brücke, massiv erhöht haben.
Das ist eine Fahrradzone
2020 wurde dann die Straßenverkehrsordnung geändert und das – zumindest auf den ersten Blick – menschen- und fahrradfreundliche Instrument der Fahrradzone geschaffen. Die Stadtverwaltung beschreibt die Regeln so: „Die in einer Fahrradzone geltenden Verkehrsregeln stellen eine Kombination der Regeln einer Fahrradstraße und einer Tempo 30-Zone dar: Radfahrende dürfen explizit nebeneinander fahren, es gilt Tempo 30 und rechts-vor-links an Kreuzungen, andere Verkehrsmittel als Fahrräder müssen durch Beschilderung explizit zugelassen werden, Autofahrer*innen müssen auf den Radverkehr besondere Rücksicht nehmen.“
Mit anderen Worten: Die Autofahrer*innen haben sich in der Zone den Radelnden zu unterwerfen, Automobilist*innen haben ihren bisherigen Opfern in der Fahrradzone kniefälligst und ohne zu murren den Weg freizugeben. Demut statt Hoffart ist künftig ihre Devise.
Die Straßenverkehrsordnung spricht
In der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), § 45 Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen liest sich das so:
(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.
Wann und wie kommt die Fahrradzone?
Die Verwaltung steht dem Ansinnen aufgeschlossen gegenüber und schlägt für die Planung der künftigen Fahrradzone bereits einige Maßnahmen vor, die vor allem dem Autoverkehr seine Grenzen aufzeigen sollen. Sie denkt etwa an ein System von für Räder*innen freigegebenen Einbahnstraßen, das die Zufahrt von Kfz in einzelne Straßen verhindert. Sie kennt ihre vierrädrigen Pappenheimer*innen, die kaum eine Gelegenheit auslassen, sich störend bemerkbar zu machen, wie weitere Vorschläge nahelegen: „Umgestaltung von Kreuzungen derart, dass Kreuzungsbereiche nicht mehr zugeparkt werden und Querungen des Fußverkehrs freigehalten und klar gekennzeichnet werden.“ Außerdem denkt sie an ein „bedarfsgerechtes Angebot zum Fahrradparken im Straßenraum, um auf den Gehwegen ausreichende Breiten für Fußgänger*innen und Aufenthalt freizuhalten und das Diebstahlrisiko zu senken.“
Eine höhere Radverkehrsdichte bringt allerdings deutliche Nachteile für Fußgänger*innen und mobilitätseingeschränkte Menschen etwa mit Rollatoren oder Rollstühlen mit sich, aber auch dem soll durch die „Berücksichtigung der Belange des Fußverkehrs, z.B. durch verbesserte (barrierefreie) Querungsmöglichkeiten von Straßen“ Rechnung getragen werden.
Was bringt’s?
Die Frage ist, wie es mit dem Vorrang der Radelnden am Ende tatsächlich beschaffen sein soll. Dafür gibt es letztlich einen einfachen Test: Wird die Planung, die noch in diesem Jahr dem TUA vorliegen könnte, auch den Wegfall von ausreichend Autoparkplätzen vorsehen, um an den entsprechenden Stellen großzügige Fahrradparkanlagen und Querungshilfen für Fußgänger*innen einzurichten? Werden die Fahrbahnen tatsächlich so breit und die Abstände zu den parkenden Autos tatsächlich so groß sein, dass plötzlich aufgerissene Autotüren keine Radelnden zu Fall bringen oder anderweitig verletzen? Anders gefragt: Werden Parkplätze dort aufgehoben, wo dies nicht der Fall ist?
Im Kern geht es auch hier darum, die Verkehrsflächen zugunsten von Rad- und Fußverkehr neu zu verteilen, und das gelingt nur, wenn den bisher bevorzugt behandelten Autos Verkehrsflächen, vor allem Parkplätze, weggenommen werden. Der Platz auf den Straßen lässt sich nicht beliebig vermehren, also fordert eine solche Verbesserung immer auch eine klare Stellungnahme im Verteilungskampf zwischen radelnden und gehenden Menschen auf der einen und den Autos auf der anderen Seite.
Siehe auch
Parkraumreglement in Petershausen
Text: O. Pugliese, Schilderbilder: Mediatus via Wikipedia, This image is in the public domain according to German copyright law because it is part of a statute, ordinance, official decree or judgment (official work) issued by a German authority or court (§ 5 Abs.1 UrhG).
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