Markgrafenstraße Ecke Fahrradstraße Petershauser Straße 27.03.2019 © Harald Borges

Petershausen, Stadtteil der Zukunft

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Markgrafenstraße Ecke Fahrradstraße Petershauser Straße 27.03.2019 © Harald Borges
Die Markgrafenstraße © Harald Borges

Petershausen soll eine erste Fahrradzone erhalten. Das ist eine relativ neue Einrichtung, die erst seit 2020 in der Straßenverkehrsordnung steht. Vorgesehen ist dafür ein Quartier, das in der Tat als Modellquartier für den Langsamverkehr (Radfahrer*innen, Fußgänger*innen) besonders geeignet erscheint.

Die (wenigen) Fahrradstraßen in Konstanz erfreuen sich erheblicher Beliebtheit, aber in den letzten Jahren ging es in der fahrradfreundlichen Kommune mit spürbaren Verbesserungen für die Drahtesel eher langsam voran. Jetzt soll die Schlagzahl wieder erhöht werden: In seiner letzten Sitzung sprach sich der TUA auf Antrag der FGL mehrheitlich dafür aus, eine Fahrradzone in Petershausen zu planen und dann zur Entscheidung vorzulegen. Sie soll das komplette Gebiet zwischen Petershauser, Reichenau-, Schneckenburg- und Von-Emmich-/Bruder-Klaus-Straße umfassen, also ein klar abgrenzbares Quartier von knapp 2 Quadratkilometern Grundfläche.

Die ursprüngliche Idee der FGL war es laut Sitzungsvorlage bereits 2017, „die Sankt-Gebhard-Straße als Fahrradstraße auszuweisen. Der TUA hat die Verwaltung daraufhin mit der Durchführung einer Verkehrszählung beauftragt, welche im Oktober 2018 durchgeführt wurde. Für die St.-Gebhard-Straße zwischen Markgrafenstraße und Von-Emmich-Straße ergaben sich Verkehrsstärken von ca. 3.000 Radfahrenden/Tag und 1.800 Kfz/Tag. Zum Zeitpunkt des Antrages der FGL im Jahr 2017 war weder die Z-Brücke fertiggestellt noch war die Fahrradstraße in der Petershauser Straße eingerichtet.“ Mit anderen Worten: Seit 2017 dürfte sich der Rad- und Fußverkehr speziell auf der Sankt-Gebhard-Straße, nicht zuletzt durch die Schüler*innen der Gesamtschule am Petershauser Bahnhof mit seiner Z-Brücke, massiv erhöht haben.

Zeichen 244.3 Und 244.4 Fahrradzone, Stvo 2020
Zeichen 244.3 und 244.4 Fahrradzone

Das ist eine Fahrradzone

2020 wurde dann die Straßenverkehrsordnung geändert und das – zumindest auf den ersten Blick – menschen- und fahrradfreundliche Instrument der Fahrradzone geschaffen. Die Stadtverwaltung beschreibt die Regeln so: „Die in einer Fahrradzone geltenden Verkehrsregeln stellen eine Kombination der Regeln einer Fahrradstraße und einer Tempo 30-Zone dar: Radfahrende dürfen explizit nebeneinander fahren, es gilt Tempo 30 und rechts-vor-links an Kreuzungen, andere Verkehrsmittel als Fahrräder müssen durch Beschilderung explizit zugelassen werden, Autofahrer*innen müssen auf den Radverkehr besondere Rücksicht nehmen.“

Mit anderen Worten: Die Autofahrer*innen haben sich in der Zone den Radelnden zu unterwerfen, Automobilist*innen haben ihren bisherigen Opfern in der Fahrradzone kniefälligst und ohne zu murren den Weg freizugeben. Demut statt Hoffart ist künftig ihre Devise.

Die Straßenverkehrsordnung spricht

In der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), § 45 Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen liest sich das so:

(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.

Quelle: Bundesamt für Justiz

Wann und wie kommt die Fahrradzone?

Die Verwaltung steht dem Ansinnen aufgeschlossen gegenüber und schlägt für die Planung der künftigen Fahrradzone bereits einige Maßnahmen vor, die vor allem dem Autoverkehr seine Grenzen aufzeigen sollen. Sie denkt etwa an ein System von für Räder*innen freigegebenen Einbahnstraßen, das die Zufahrt von Kfz in einzelne Straßen verhindert. Sie kennt ihre vierrädrigen Pappenheimer*innen, die kaum eine Gelegenheit auslassen, sich störend bemerkbar zu machen, wie weitere Vorschläge nahelegen: „Umgestaltung von Kreuzungen derart, dass Kreuzungsbereiche nicht mehr zugeparkt werden und Querungen des Fußverkehrs freigehalten und klar gekennzeichnet werden.“ Außerdem denkt sie an ein „bedarfsgerechtes Angebot zum Fahrradparken im Straßenraum, um auf den Gehwegen ausreichende Breiten für Fußgänger*innen und Aufenthalt freizuhalten und das Diebstahlrisiko zu senken.“

Eine höhere Radverkehrsdichte bringt allerdings deutliche Nachteile für Fußgänger*innen und mobilitätseingeschränkte Menschen etwa mit Rollatoren oder Rollstühlen mit sich, aber auch dem soll durch die „Berücksichtigung der Belange des Fußverkehrs, z.B. durch verbesserte (barrierefreie) Querungsmöglichkeiten von Straßen“ Rechnung getragen werden.

Was bringt’s?

Die Frage ist, wie es mit dem Vorrang der Radelnden am Ende tatsächlich beschaffen sein soll. Dafür gibt es letztlich einen einfachen Test: Wird die Planung, die noch in diesem Jahr dem TUA vorliegen könnte, auch den Wegfall von ausreichend Autoparkplätzen vorsehen, um an den entsprechenden Stellen großzügige Fahrradparkanlagen und Querungshilfen für Fußgänger*innen einzurichten? Werden die Fahrbahnen tatsächlich so breit und die Abstände zu den parkenden Autos tatsächlich so groß sein, dass plötzlich aufgerissene Autotüren keine Radelnden zu Fall bringen oder anderweitig verletzen? Anders gefragt: Werden Parkplätze dort aufgehoben, wo dies nicht der Fall ist?

Im Kern geht es auch hier darum, die Verkehrsflächen zugunsten von Rad- und Fußverkehr neu zu verteilen, und das gelingt nur, wenn den bisher bevorzugt behandelten Autos Verkehrsflächen, vor allem Parkplätze, weggenommen werden. Der Platz auf den Straßen lässt sich nicht beliebig vermehren, also fordert eine solche Verbesserung immer auch eine klare Stellungnahme im Verteilungskampf zwischen radelnden und gehenden Menschen auf der einen und den Autos auf der anderen Seite.

Siehe auch

Parkraumreglement in Petershausen

Text: O. Pugliese, Schilderbilder: Mediatus via Wikipedia, This image is in the public domain according to German copyright law because it is part of a statute, ordinance, official decree or judgment (official work) issued by a German authority or court (§ 5 Abs.1 UrhG).

7 Antworten

  1. Bernd Köbke

    // am:

    Flickwerk a la Konstanz
    Was passiert im Anschluss bei oder in den angrenzenden Stadtteilen?
    Es wird keine Tiefenpsychologie benötigt um zu erahnen, dass die Autofahrer*innen dann Ihr Fahrzeug in den angrenzenden Stadtteilen abstellen werden. Was ja bereits schon seit geraumer Zeit zum Beispiel in der Neuhauserstrasse zu beobachten ist. Hier werden unter anderem auch von Krankenhausmitarbeitern die Fahrzeuge über mehrere Tage abgestellt. Die Mitarbeiter vom Rechts- und Ordnungsamt sind betriebswirtschaftlich geführt und sind unter dem Motto (kleinster Aufwand und grösster Ertrag) hauptamtlich im Bereich Laube und Döbele unterwegs. Monatelang abgestellte Lasten- oder Sportboothänger in allen Stadtteilen selbst im Industriegebiet werden erfolgreich Ignoriert auch wenn diese Anhänger z. T. auf dem Gehweg stehen. An Markttagen sind es alle Arten von Egoisten welche an der Luisenstrasse bis zum Eingang des Wochenmarktes hineinfahren. Sind hierfür auch 3,5 Stellenprozent vorgesehen?
    Sarkasmus Ende :)

  2. Sabrina Burandt

    // am:

    Als Anwohnerin und Fußgängerin muss ich zugeben, dass ich das mit einem lachenden und einem weinenden Auge lese. Ich wohne mitten in dem beschriebenen Gebiet und fühle mich hier als Fußgängerin von Fahrradfahrer*innen oft mehr bedroht als von Autos. Insbesondere jene, welche die Z-Brücke oder die Jahnstraße herabgerast kommen. Insgesamt wird das Projekt für mich nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt den Verkehr allgemein – für alle, egal, wieviele Räder man hat – zu entschleunigen, insbesondere an den vielen Kreuzungen in diesem engen Viertel.

  3. Peer Mennecke

    // am:

    Hallo Herr Krause, lieber gleich als Wortmarke schützen bzw.. eintragen lassen. Als Oberbegriff für Raser und andere Tiefflieger.

  4. Dr. Peter Krause

    // am:

    @Peer Mennecke
    In der Tat! Ein wirklich großartiger Schreibfehler, der zahlreiche Tiefenpsychologischen Interpretationsmöglichkeiten bietet! Ich gebe den Begriff zur freien Verwendung der Öffentlichkeit frei – solange der Begriff nicht zu kommerziellen oder gewerblichen Zwecken genutzt wird.
    In diesem Sinne: Weiterlachen!
    :-)

  5. Peer Mennecke

    // am:

    „Autotfahrer“. Das ist der Knüller des Tages, Herr Krause. Wenn nicht der neue Kampfbegriff der Debatte…

  6. Dr. Peter Krause

    // am:

    Man kann selbstverständlich den Autoverkehr unattraktiv machen.
    Aber wenn man nicht gleichzeitig – und am bestem sogar vorher – den öffentlichen Nahverkehr (Busse und Bahnen) ausbaut, sodass die Menschen auch ihre nicht fuss- und fahrradläufig erreichbaren (Reise)Ziele werden erreichen können, wird das nix.
    Der erste Schritt zur Reduzierung des Autoverkehrs, der auch in erster Linie auch den Einwohner der Stadt Konstanz zugute kommen würde, wäre die Reduzierung des durch den Einkaufstourismus verursachten Autoverkehrs. Hier wären gezielte Maßnahmen wünschenswert. Politiken und Maßnahmen, die alle Autotfahrer über einen Kamm scheren, sind nicht zielführend.
    Nur um das klarzustellen: Ich habe kein Auto.

  7. Steven Ries

    // am:

    Außerdem kommt in Petershausen ja auch noch die Parkraumbewirtschaftung. Im Gebiet zwischen Schneckenburgstraße, Bahnlinie–Moltkestraße, Theodor-Heuss-Straße/Glärnischstraße und Seerhein sollen ca. 1.100 Parkplätze im öffentlichen Straßenraum bewirtschaftet werden.
    Dabei soll es drei möglichst übersichtliche Arten von Zonen geben:
    1. Bereiche, in den ganztags Bewohnerparken gilt.
    2. Bereiche, in denen ganztags Bewohner- und Besucherparken möglich ist.
    3. Bereiche, in denen tagsüber Bewohner- und Besucherparken, nachts aber nur Bewohnerparken erlaubt ist.
    Für uns Anwohner gibt das die Hoffnung, dass in diesem Bereich der Parkdruck durch die zahlreichen Besucher, die eigentlich in die Innenstadt wollen, aber kein Geld fürs Parkhaus ausgeben mögen, ein wenig nachlässt.

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