Gleich zwei städtische Gremien befassten sich dieser Tage einmal mehr mit dem Bauvorhaben auf dem Gelände des Gasthofs, das die Ortsmitte von Wollmatingen künftig prägen wird. Der „Löwen“ soll abgerissen und durch drei Wohnhäuser ersetzt werden – seemoz berichtete. Viele Wollmatinger:innen missbilligen das Vorhaben. Mitentscheiden dürfen sie aber nicht.
Für die Ortsmitte wird derzeit ein Bebauungsplan aufgestellt. Der soll regeln, was wo wie groß und für welche Nutzung gebaut werden darf. Im Regelfall müssen Bauherr:innen in dem von der Planaufstellung betroffenen Gebiet mit ihren Vorhaben warten, bis der Plan beschlossen ist: Es gilt eine Veränderungssperre.
Doch keine Regel ohne Ausnahme. „Wenn absehbar ist, dass das Vorhaben den zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht, kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden“, heißt es im Gesetz.
Dem wollten die Freie Grüne Liste FGL&Grüne einen Riegel vorschieben und beantragten deshalb im Technischen und Umweltausschuss (TUA), für die Ortsmitte Wollmatingen keine Ausnahme zuzulassen. Die Verwaltung schloss sich dem an und die kurze Diskussion zu fortgerückter Stunde mündete in den Mehrheitsentscheid: Keine Ausnahme! Zumindest bis zum sogenannten Abwägungsbeschluss. Der wertet die Anregungen und Stellungnahmen der Bürger:innen und Behörden zum Bebauungsplan aus und legt dessen finale Version vor.
Da die Wollmatinger:innen diesmal nicht die Zuschauerplätze bevölkerten, sei ihnen gesagt: Vier Räte aus dem bürgerlichen Lager waren mit einem Festzurren der Veränderungssperre nicht einverstanden und enthielten sich der Stimme.
Wann es mit dem Bebauungsplan weitergeht, erfuhr man tags drauf im Gestaltungsbeirat. Im März 2025, so Marion Klose, Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt, könne man den Planentwurf wohl dem Gemeinderat vorlegen und im Sommer die Abwägung abschließen.
Was macht der Gestaltungsbeirat?
Auch im Gestaltungsbeirat war der „Löwen“ wieder Thema. Anders als der TUA darf der Gestaltungsbeirat (GBR) zwar nichts entscheiden, doch seine Empfehlungen haben Gewicht. Wortführer:innen, zumindest im öffentlichen Teil, sind die Fachleute, vier renommierte Architekt:innen, darunter auch ein Schweizer und eine Vorarlbergerin. Die Kommunalpolitiker:innen, nämlich der Baubürgermeister und je ein Mitglied jeder Ratsfraktion, wirken in diesem Beirat nach außen eher als schmückendes Beiwerk.
Die Sitzungen des GBR laufen in etwa so ab: Vormittags Exkursion zu den Örtlichkeiten der zu beratenden Bauvorhaben. Nach dem Mittagessen dann die Sitzung, meist öffentlich, zu manchem brisanten Vorhaben aber auch geheim. Architekt:innen und Projektentwickler stellen ihr Vorhaben vor, das Gremium zieht sich zur Beratung zurück, um dann, jetzt wieder vor Publikum, seine Empfehlungen zu geben.
Diese verkündet gewöhnlich der Beiratsvorsitzende Martin Haas, mehrfacher Gastprofessor, Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und souverän genug, um irgendwann im Lauf des Nachmittags beiläufig zu erklären, am nachhaltigsten sei es doch, nicht zu bauen – eigentlich eine Binsenweisheit, für einen Architekten aber doch eine bemerkenswerte Aussage.
Tricksereien um die Gebäudehöhe
Zurück zum Löwenquartier. Dessen Architektenteam, das auf dem Gelände drei Häuser plant, steht nun bereits zum dritten Mal vor dem Gestaltungsbeirat. Bei der letzten Sitzung hat es als eine von mehreren Hausaufgaben bekommen, zumindest das Haus entlang der Litzelstetter Straße, also gegenüber der Kirche, und jenes auf der Rückseite (Löwengasse) des Areals um ein Geschoss zu reduzieren. Womit dann, rechnet man die Dachgeschosse mit ein, noch immer vier Etagen blieben, an der Radolfzeller Straße gar fünf.
Einem Schüler könnte man vielleicht noch zugute halten, er habe die Aufgabe nicht richtig verstanden, doch die um maximale Ausnutzung bemühten Löwen-Architekten wissen, was sie tun – und tricksen. Gegenüber der Kirche hat das Haus 2 auf Straßenniveau nun eine Tiefgarageneinfahrt und Stellplätze, was im Baurecht sicher nicht als Vollgeschoss zählt, aber doch eine gewisse Höhe braucht. Auf der etwas tiefer gelegenen Hofseite reicht es gar für eine ebenerdige Wohnung. Dergleichen Tiefparterre entsteht auch auf der Hofseite von Haus 3, das nur zur Löwengasse hin nun ein Geschoss weniger hat als im früheren Entwurf.
Dem Ausschuss merkt man an, dass die Hausaufgabe zwar formal, aber nicht zur vollen Zufriedenheit erfüllt wurde. Doch er beließ es bei der Empfehlung, das prägende Haus an der Radolfzeller Straße doch noch um einen Höhenmeter abzuspecken,und gab dazu entsprechende Tipps.
Die um den dörflichen Charakter ihrer Ortsmitte besorgen Wollmatinger:innen werden sich damit nicht begnügen und hoffen nun auf den Bebauungsplan, der das letzte Wort haben wird. Dieser, so will es das Gesetz, muss öffentlich ausgelegt werden, und da dürfen alle ihre Einwendungen vorbringen. Ob die Planer:innen diese Einwände dann aber berücksichtigen oder sich darüber hinwegsetzen, steht auf einem anderen Blatt.
Text: Ralph-Raymond Braun
Straßenbilder: Pit Wuhrer / andere Abbildungen: aus den Unterlagen des Gestaltungsbeirats der Stadt Konstanz, 4. Dezember 2024
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