
Das neue Landesmobilitätsgesetz erlaubt Landkreisen und großen Städten mit gut ausgebautem ÖPNV-Angebot, dieses weiter zu verbessern. Das Geld dazu dürfen sie über eine Mobilitätsabgabe von jenen Einwohner:innen oder KfZ-Halter:innen abgreifen, die (fast) nie Bus oder Bahn fahren. Damit ist nicht jede:r einverstanden – wie eine Ausschusssitzung am vergangenen Donnerstag zeigte.
Sprache ist selten neutral, sondern weckt Emotionen. So auch das Wort „Zwangsabgabe“. Populär wurde es als Kampfbegriff, mit dem die Rechten den von allen zu zahlenden Rundfunkbeitrag diffamierten, um so dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Teil der „Mainstreammedien“ die Gelder zu streichen.
Nun hat die „Zwangsabgabe“ auch den Konstanzer Stadtbus, den „Roten Arnold“, erreicht. Als wären nicht alle Steuern, Beiträge und Gebühren – sofern sie verpflichtend und nicht freiwillig sind – „Zwangsabgaben“. Dennoch versucht die Lokalzeitung Südkurier mit diesem Etikett die Förderung des ÖPNV zu diskreditieren.
Vielleicht haben die schwarz-grünen Gesetzgeber in Stuttgart dergleichen befürchtet. Und deshalb die Anfang der 1990er von der damals noch allein regierenden CDU ersonnenen, aber nie umgesetzten Nahverkehrsabgabe in „Mobilitätspass“ umbenannt. Der ist ein Element des kürzlich vom Landtag beschlossenen und inzwischen auch in Kraft getretenen Landesmobilitätsgesetzes (LMG).
Die Landkreise, und unter bestimmten Bedingungen auch Städte mit eigenem Stadtbus, können für diese Abgabe wahlweise alle Kfz-Halter:innen oder alle Einwohner:innen heranziehen – oder sie lassen es ganz bleiben. Auf Druck der CDU wieder gestrichen wurden die in ersten Entwürfen des Gesetzes noch vorgesehenen Varianten City-Maut oder Arbeitgeberabgabe. Wobei der Firmenbeitrag etwa in Frankreich oder in Wien (hier „Dienstgeberabgabe“ genannt) ein bewährtes Instrument zur Finanzierung des Nahverkehrs ist.
Gutscheine fürs Bus-Ticket
Wer für die Abgabe zur Kasse gebeten wird, bekommt als Gegenleistung in gleicher Höhe ein Guthaben für ein ÖPNV-Ticket, das er dann etwa auf eine Zeitkarte anrechnen lassen kann. Das Konzept: Alle, die ohnehin schon regelmäßig den ÖPNV nutzen, zahlen nicht mehr als bisher; und alle, die anderweitig unterwegs sind, sollen zum Umstieg animiert werden.
Doch nicht alle werden umsteigen und das ihnen zustehende Guthaben einlösen. Mit dem dadurch erzielten Mehrertrag können Landkreis oder die Gemeinden den ÖPNV ausbauen, also den Takt verdichten, zusätzliche Linien einrichten oder Haltestellen barrierefrei umbauen und überdachen.
Damit die Abgabe nicht einfach als Zustupf zum Normalbetrieb versickert, hat das Landesmobilitätsgesetz eine weitere Hürde eingebaut, an der mancher Landkreis scheitern wird: Den Mobilitätspass einführen darf nur, wer den Abgabepflichtigen bereits zuvor ein „ausreichendes und für sie oder für ihn nutzbares Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs“ anbietet. Das bedeutet etwa für den ländlichen Raum, dass die Busse Montag bis Freitag von 5 bis 24 Uhr und Samstag, Sonntag sowie an Feiertagen von 6 bis 24 Uhr mindestens im Stundentakt fahren müssen, in der Hauptverkehrszeit sogar halbstündlich.
Mit dem Scanmobil gegen Falsch- und Schwarzparker:innen
Von solchen Details war nicht die Rede, als das Thema im Technischen- und Umweltausschuss (TUA) der Stadt Konstanz besprochen wurde. Da ging es eher ums Grundsätzliche. Die FGL&Grüne hatten beantragt: „Die Verwaltung möge prüfen, ob und inwieweit das geplante Landesmobilitätsgesetz Auswirkungen auf den Haushalt 2025/2026 der Stadt Konstanz haben wird und wie schnellstmöglich das Einvernehmen mit dem Landkreis Konstanz als im Gesetz benannter Aufgabenträger hergestellt werden kann.“ Dazu gehöre „insbesondere die Schaffung der digitalen Parkraumkontrolle mittels sog. Scan-Fahrzeuge und die Erhebung von Abgaben […] zur Finanzierung/Förderung des ÖPNV mittels eines Mobilitätspasses“.

Den Haushalt betreffend ließ sich die Sache schnell beantworten: Das gerade erst beschlossene Gesetz hat noch keine Auswirkungen auf den städtischen Haushalt. Danach erläuterte Frank Conze, Leiter der Abteilung Verkehrswesen, den Rät:innen den schrittweisen Aufbau einer digitalen Parkraumüberwachung. Geht es nach Plan, soll ein noch anzuschaffendes Scanfahrzeug ab 2030 alle Falsch- und Schwarzparker erfassen und ein Computersystem in Kenntnis aller Anwohner-, Schwerbehinderten- und Handwerkerparkberechtigungen automatisch Bußgeldbescheide erstellen können.
Gegenüber dem aktuellen Verfahren, bei dem Stadtsheriffs die Frevler:innen manuell erfassen und mit Knöllchen abstrafen, wäre ein Scanfahrzeug um das Zwanzigfache effizienter. Bleibt zu hoffen, dass bis 2030 auch die Bußgelder fürs Falsch- und Schwarzparken auf ein Niveau angehoben werden, das unsere Schweizer Gäste schmerzt. Die nämlich, so war im späteren Verlauf der Sitzung beim Thema Parkgebühren zu hören, belegen gemäß stichprobenartiger Erhebung etwa neunzig Prozent der Stellplätze in den Parkhäusern.
Für Schwiegermutter und Radfahrende? Nein danke!
Conzes Ausführungen zu den durch das LMG ermöglichten Mehreinnahmen goutierten die Mitglieder des TUA kommentarlos – um sich dann umso mehr am nächsten Teil des Gesetzes, dem Mobilitätspass, abzuarbeiten. Vergeblich wies die Verwaltung darauf hin, dass hier zunächst die Landkreise als Aufgabenträger gefragt seien, die sich ihrerseits erst im Landkreistag um eine gemeinsame Linie bemühten. Erst dann, wenn der Landkreis einen Mobilitätspass explizit ablehne, läge der Ball bei der Stadt.
Schon vor der Sitzung hatte sich die SPD mit einer Pressemitteilung positioniert: Der Mobilitätspass sei unsozial und bürokratisch. In der Sitzung malte SPD-Stadtrat Andreas Hennemann, der als Jurist das Gesetz eigentlich gelesen haben sollte, das Schreckensszenario einer fünfköpfigen Familie, die durch die Mobilitätsabgabe unmäßig belastet würde.
Alles Unsinn: Minderjährige sind per Gesetz von der Abgabe ausgenommen. Darüber hinaus dürfen Landkreise und Kommunen für weitere Personengruppen „insbesondere aus sozialen Gründen“ die Abgabe reduzieren oder sie ganz davon befreien – einfach zu regeln etwa für die Inhaber:innen eines Sozialpasses.
Darunter fiele dann vielleicht auch Achim Schächtles Schwiegermutter, die, so erklärte der FDP-Stadtrat dem Ausschuss, weil bettlägerig im Pflegeheim, den Bus gar nicht mehr benützen könne und für die eine einwohnerbezogene Mobilitätsabgabe eine große Ungerechtigkeit wäre.
Vehement gegen die Abgabe argumentierte im Ausschuss auch die CDU, obgleich deren mitregierende Landespartei dem Gesetz im Landtag ja zugestimmt hatte. Stadträtin Sabine Feist („total ungerecht“) führte sich selbst als Beispiel an: Sie fahre stets nur mit dem Velo und sehe nicht ein, warum sie eine Abgabe für den ÖPNV leisten solle. Feists Schlagwort „Wer nutzt, der zahlt“ lässt sich indes auch so weiterdenken, dass etwas weniger Autoverkehr auf den Straßen auch den Radfahrenden zugute käme.
So begrüßten letztlich nur FGL&Grüne sowie die Linke Liste (LLK) die Chance auf eine Nahverkehrsabgabe. Der Ausbau des ÖPNV sei die einzige Alternative, um den motorisierten Individualverkehr zu verdrängen, so Holger Reile (LLK). Noch sei das Parken leider billiger als ein Busticket. Einmal mehr verwies Reile auf die Nachbargemeinden Radolfzell und Kreuzlingen, wo die Busfahrt nur einen Euro beziehungsweise einen Franken kostet.
Nachdem Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn am Ende der Debatte nochmals versicherte, die Verwaltung habe das Thema auf dem Schirm und werde zur rechten Zeit auf den Landkreis zugehen und den Gemeinderat weiter informieren, zogen FGL&Grüne ihren Antrag zurück.
Text: Ralph-Raymond Braun
Fotos: Warten auf den Bus (© Pit Wuhrer) / Scancar in Liege (© Website)
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