
Mit dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen werden die allermeisten Gasleitungen am Ende wertlos sein. Auf dem Weg dorthin müssen jedoch jene Verbraucher:innen, die noch mit Gas heizen, immer höhere Kosten für die Erdgasinfrastruktur tragen. Um die Kundschaft davor zu schützen, erlaubt die Bundesnetzagentur schon jetzt, die Netzentgelte anzuheben. Doch die Stadtwerke Konstanz zögern.
Über die Netzentgelte legen die Fernleitungs- und Verteilnetzbetreiber ihre Kosten für den Betrieb und die Wartung des Gasnetzes und der Gasspeicher auf die angeschlossenen Endkunden um. Über den Daumen gerechnet machen die Netzentgelte im Bundesdurchschnitt gut zehn Prozent des Gaspreises aus. Bei den Stadtwerken Konstanz (SWK) oder den Stadtwerken am See (Überlingen, Friedrichshafen) liegt der Anteil mit 15 Prozent etwas höher.
Erdgas-Ausstieg: Probleme für Kund:innen und Versorger
Durch die zunehmende Nutzung von Wärmepumpen sowie den Ausbau der Wärmenetze wird der Einsatz von Erdgas kontinuierlich zurückgehen. Bundesweit soll es im Jahr 2045 überhaupt kein Erdgas mehr geben, in Baden-Württemberg sogar schon 2040 (seemoz berichtete).
Die Kosten für den Betrieb und die Wartung des Gasnetzes, im Bereich der SWK etwa 630 Kilometer lang, sind jedoch weitgehend unabhängig von der durchs Netz verteilten Gasmenge und auch von der Anzahl der angeschlossenen Haushalte. Bezieht auch nur ein einziges Haus in der Straße noch Erdgas, muss trotzdem die gesamte Leitung dorthin unterhalten werden.
So wie es bisher gehandhabt wird, würden also die Netzentgelte steigen: Je mehr Kund:innen sich vom Gas verabschieden, desto höher sind die Preise für die verbleibenden Verbraucher:innen. Am Ende müssten einige wenige die gesamten Netzkosten schultern.
Doch auch die Netzbetreiber bekämen ein Problem. Die herkömmlichen Abschreibungsregeln sehen etwa für Gasrohre eine Nutzungsdauer von 30 oder gar 40 Jahren vor. Der Versorger kann also jedes Jahr nur 3,3 beziehungsweise 2,5 Prozent der Anschaffungskosten auf die Kunden umlegen. Ein 2020 neu gelegtes Gasrohr wäre also bei der Netzstilllegung 2040 erst zu zwei Dritteln oder zur Hälfte refinanziert – auf dem Rest blieben die Stadtwerke sitzen.
KANU 2.0 soll die Kosten gerechter verteilen
Um dem entgegenzuwirken, erlaubt die Bundesnetzagentur als zuständige Regulierungsbehörde seit letztem Herbst den Netzbetreibern, kürzere Nutzungsdauern anzusetzen und ihre Anlagen statt wie bisher linear, also in gleichen Jahresbeträgen, künftig degressiv, nämlich mit anfangs hohen und dann von Jahr zu Jahr sinkenden Beträgen abzuschreiben.
Die entsprechende Verordnung mit dem Monsternamen „Festlegungsverfahren zur Anpassung von kalkulatorischen Nutzungsdauern und Abschreibungsmodalitäten von Erdgasleitungsinfrastrukturen, abgekürzt KANU 2.0, erlaubt den Gasnetzbetreibern allerdings nicht, hier nach eigenem Gutdünken zu verfahren. Sie müssen ihre veränderten Abschreibungsmodalitäten vielmehr gegenüber der Bundesnetzagentur begründen und von dieser genehmigen lassen. Voraussetzung sind etwa eine kommunale Wärmeplanung und damit verbunden eine Mengenprognose über den für die kommenden Jahre erwarteten Gasverkauf.
Nach Angabe der Bundesregierung (Drucksache 20/14427) wendet etwa ein Drittel der Gasnetzbetreiber die KANU 2.0 bereits für das laufende Jahr 2025 an. Die Netzentgelte sind dadurch um 20 bis 25 Prozent gestiegen.
Alles anders unter Merz?
Die Stadtwerke Konstanz wenden die neuen Regeln noch nicht an. Sie haben im letzten Oktober die Gaspreise kräftig gesenkt. Wäre es im Sinn der Generationengerechtigkeit nicht geboten, die Kosten für das Netz möglichst früh umzulegen, solange noch viele Häuser – aktuell etwa 11.000 – im Einzugsgebiet mit Gas beheizt werden?
Die SWK wiegeln ab. Es gebe noch keine belastbaren Prognosen, „insbesondere hinsichtlich einer alternativen Nutzung für den Transport von Wasserstoff.“ Und fallen damit hinter frühere Erkenntnisse zurück (dazu die seemoz-Beiträge „Wie kann ich künftig heizen?“ und „Wofür braucht Konstanz Wasserstoff?“). Es ist auch weiterhin völlig unrealistisch, dass in Konstanz dereinst Wasserstoff zum Heizen angeboten werden kann.

Weiter schreiben die SWK, „grundlegende Fragestellungen [seien] auf bundespolitischer Ebene noch nicht gelöst.“ Was sie wohl damit meinen? Für die alte Bundesregierung und jene Gasverteiler, die KANU 2.0 bereits anwenden, scheint alles klar. Aber wer weiß schon, ob ein Kanzler Friedrich Merz nicht die Sache wieder zurückdreht und uns mit einem „Deal“ dauerhaft zum Verbrennen von Fracking-Erdgas aus Nordamerika verpflichtet.
Doch im Ernst: Die CDU verspricht in ihrem Wahlprogramm, die Stromsteuer und die Netzentgelte zu senken. Ob letzteres auch für die Gasnetze beabsichtigt ist, bleibt unklar. Gegenfinanziert werden soll diese Entlastung aus den Einnahmen der CO2-Bespreisung. Das würde aber am oben genannten Problem konstanter Fixkosten bei sinkendem Gasverkauf nichts ändern. Wird das Gas jedoch erheblich verbilligt, verzögert das den Ausstieg aus dem Heizen mit Erdgas.
Einen weiter gehenden Vorschlag macht der Bundesverband Verbraucherzentralen (vzbv). Er empfiehlt zum einen, die von Netzbetreiber zu Netzbetreiber ganz unterschiedlichen Netzentgelte bundesweit anzugleichen. Und zum andern, einem zu starken Anstieg der Netzentgelte durch staatliche Zuschüsse gegenzusteuern.
Konstanz hinkt hinterher
Doch sind, lassen wir Bundes- und Geopolitik einmal beiseite, in Konstanz überhaupt die Voraussetzungen zur Anwendung von KANU 2.0, also zu einer gerechteren Umlage der Gasnetzkosten gegeben? Das sind sie nicht. Der städtische, zuletzt 2023 aktualisierte Energienutzungsplan ist nämlich kein kommunaler Wärmeplan, wie ihn der Gesetzgeber vorschreibt. Insbesondere fehlt eine Prognose, wie sich der Gasabsatz entwickeln wird.
Das Wärmeplanungsgesetz (WPG) lässt der Stadt hierfür Zeit bis zum 30. Juni 2028. Doch die Stadtwerke, die den Plan ja erarbeiten müssen, wollen etwas schneller sein und versprechen erste Ergebnisse ihrer „Zielnetzplanung Gas“ bereits für diesen Sommer.

Wie weiter mit den Wärmenetzen?
Schon weiter sind die SWK mit der Planung ihrer Wärmenetze. Für das Nahwärmenetz rund um die Bodenseetherme, das seine Energie aus Seewärme gewinnen soll, habe man bereits den geeigneten Standort der notwendigen Technikzentrale ermittelt, nämlich neben dem Parkhaus der Therme. Und, noch wichtiger, es gebe bereits einen „bevorzugten Partner [zur] Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft“. Die Verhandlungen wolle man bis zur Jahresmitte abschließen, sobald als möglich die Öffentlichkeit informieren, das letzte Wort habe dann der Gemeinderat. Sollte alles laufen wie gewünscht, könne der Wärmeverbund 2030 in Betrieb gehen.
Aus der Stadtverwaltung hört man, wer sich dereinst gegen die Minderheitsbeteiligung der Thüga an den Stadtwerken gewehrt habe, der werde das nun bereuen, denn die potenziellen Projektpartner der Nahwärmenetze strebten gar eine Mehrheitsbeteiligung an den Netzen an. Fakt ist, die Stadtwerke sind ohne Rückendeckung durch die ja selbst klamme Stadt nicht kreditwürdig und brauchen Partner, um ihre Wärmenetze finanzieren zu können. seemoz wird jedenfalls die Gründung der Wärmenetz-Projektgesellschaften aufmerksam verfolgen.
Text: Ralph-Raymond Braun
Fotos: Gasspeicher Konstanz (© Pit Wuhrer); LNG-Tanker am LNG-Terminal Wilhelmshaven (© Wikimedia Commons); Grafik Wärmenetzplanung Konstanz (© Stadtwerke Konstanz)
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