In einer Medienmitteilung (siehe hier) warf das Junge Forum unter anderem dem Friedensaktivisten Maik Schluroff „israelbezogenen Antisemitismus“ vor und konstatierte in Konstanz ein „israelphobes Milieu“. Im Folgenden antwortet Schluroff auf die ihn betreffenden Vorwürfe.
Hier sein Brief:
Das JuFoDIG erklärt mich zu einem „klassischen Fall von … Antisemitismus“1. Diese Behauptung wird lediglich damit begründet, ich hätte den „Krieg Israels gegen die Hamas mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine“ gleichgesetzt, was ich nie getan habe.
Ich habe deshalb das JuFoDIG mit einer Unterlassungserklärung aufgefordert, seine Verleumdung zu widerrufen.
Seit Jahrzehnten setze ich mich aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus und für ein friedliches Zusammenleben der Völker ein. Dafür habe ich auch Einbußen meiner beruflichen Karriere in Kauf genommen. Auch deshalb haben mich die Vorwürfe besonders hart getroffen und mir eine schlaflose Nacht bereitet.
Damit mensch sich selbst eine Meinung bilden kann, hier der Wortlaut meiner inkriminierten Vortragseinleitung. Da ist keine „Gleichsetzung“ zu finden.
„Die schrecklichen Mordtaten der Hamas vom 7. Oktober 2023 und der darauf folgende Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung haben unendliches Leid über Israelis und mehr noch über die Palästinenser*innen gebracht.
Die Mordtaten der Hamas sind durch absolut nichts zu rechtfertigen. Mit Befreiungskampf haben sie nichts zu tun. Den Krieg der israelischen Regierung gegen den Gazastreifen kann ich aber nicht als Selbstverteidigung sehen.
Wenn dieser Krieg nicht ein bloßer Rachefeldzug ist, dann unterliegt er dem Irrglauben, Terror ließe sich mit militärischen Mitteln abschaffen. Spätestens seit dem US-amerikanischen „Krieg gegen den Terror“ sollte jedem klar sein, dass dies ein Irrglaube ist.
Wir in Deutschland sind davon nur indirekt betroffen. Die Diskussion über diesen Konflikt dreht sich häufig nur um das Rechthaben: Bist du für Israel oder für die Palästinenser*innen?
Das unendliche Leid der direkt Betroffenen in den palästinensischen Gebieten und in Israel wird dabei leicht vergessen. Damit uns das heute Abend nicht auch passiert, bitte ich um eine Schweigeminute für die Opfer auf beiden Seiten, damit wir den Vortrag und die Diskussion mit entsprechender Aufmerksamkeit führen können.“
— Schweigeminute —
Deutschland hat eine historische Verantwortung, die Sicherheit von Israel zu garantieren und jeglichen Judenhass zu bekämpfen. Kritik an der israelischen Regierung ist jedoch per se kein Antisemitismus. Vielmehr wird unsere Aufgabe als Deutsche sein, dem aus dem völkerrechtswidrigen Vorgehen Israels entstehenden zusätzlichen Antisemitismus in aller Schärfe entgegenzutreten.
Hier sind vier Zitate von Mitgliedern der israelischen Regierung, kurz nach dem 7. Oktober:2
- Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant: Ich habe eine „vollständige Belagerung“ von Gaza-Stadt angeordnet. Es wird „keinen Strom, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff“ geben. (9. Oktober 2023)
- Und derselbe: „Ich habe alle Einschränkungen aufgehoben. … Wir kämpfen gegen menschliche Tiere. … Wir werden alles vernichten. Wenn es nicht einen Tag dauert, wird es eine Woche dauern, es wird Wochen oder sogar Monate dauern.“
- Isaac Herzog, Präsident Israels, in Bezug auf den Gazastreifen: „Es ist ein ganzes Volk da draußen, das verantwortlich ist. … Wir sind im Krieg. … Und wir werden kämpfen, bis wir ihnen das Rückgrat brechen.“ (12. Okt. 2023)
- Israel Katz, damals Minister für Energie und Infrastruktur Israels: „Wir werden die terroristische Organisation Hamas bekämpfen und sie zerstören. Die gesamte Bevölkerung in [G]aza wird aufgefordert, sofort zu gehen. Wir werden siegen. Sie werden keinen Tropfen Wasser oder eine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen.“ (13. Okt. 2023)
Diese Aussagen stammen nicht aus irgendwelchen dubiosen Quellen, sondern aus dem Gerichtsbeschluss des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag vom 26. Januar 2024.
Die Verteidiger*innen des israelischen Vorgehens werden sagen: „Aber was soll die israelische Regierung denn machen?“ Ich würde antworten: „Ich werde mich hüten, Israel dazu Vorschläge zu machen. Ich sage nur: ‚Morde rechtfertigen keine Morde, Massaker rechtfertigen keine Massaker, Terror rechtfertigt keinen Terror‘.“
Zwei Zitate aus europäischer Sicht:
„Hunger darf nie wieder als Waffe eingesetzt werden.“3
„Gezielte Angriffe auf zivile Infrastrukturen – mit der klaren Absicht, Männer, Frauen und Kinder von Wasser, Strom und Heizung abzuschneiden – sind reine Terrorakte“.4
Wer das wohl gesagt hat? Das erste Zitat stammt von Bundeskanzler Scholz, das zweite von der Präsidentin der Europäischen Union, Ursula von der Leyen. Aber das galt wohl nur für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Wir fordern unsere Regierung und die Europäische Union dazu auf, diese Prinzipien auch gegenüber der israelischen Regierung durchzusetzen!
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Sumaya Farhat-Naser wurde in Ramallah/Palästina geboren. Sie studierte Biologie, Geografie und Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg und promovierte in Angewandter Botanik.
Sie ist Mitbegründerin und Mitglied zahlreicher Organisationen, wie „Women Waging Peace“ an der Harvard-Universität und „Global Fund for Women“ in San Francisco.
Sie erhielt unter anderem folgende Auszeichnungen: Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Münster; Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte; Versöhnungspreis Mount Zion Award in Jerusalem; Augsburger Friedenspreis; Bremer Solidaritätspreis; (kirchlicher) AMOS-Preis für Zivilcourage in Religion, Kirchen und Gesellschaft.“
Text & Bild: Maik Schluroff
Anmerkungen
1 https://www.seemoz.de/stellungnahme-des-jungen-forums-der-deutsch-israelischen-gesellschaft/
2 Alle Zitate aus dem Beschluss des IGH vom 26.1.2024, APPLICATION OF THE CONVENTION ON THE PREVENTION AND PUNISHMENT OF THE CRIME OF GENOCIDE IN THE GAZA STRIP (SOUTH AFRICA v. ISRAEL), S. 17f
3 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/scholz-getreide-hunger-ukraine-krieg-russland-100.html, Abruf 8.4.2024
4 https://www.merkur.de/politik/von-der-leyen-angriffe-auf-energieversorgung-in-ukraine-sind-kriegsverbrechen-91860356.html , Abruf 8.4.2024
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