Maik Schluroff Kompr

Leserbrief zur gestrigen Erklärung des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

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Maik Schluroff
Maik Schluroff (c) Privat

In einer Medienmitteilung (siehe hier) warf das Junge Forum unter anderem dem Friedensaktivisten Maik Schluroff „israelbezogenen Antisemitismus“ vor und konstatierte in Konstanz ein „israelphobes Milieu“. Im Folgenden antwortet Schluroff auf die ihn betreffenden Vorwürfe.

Hier sein Brief:

Das JuFoDIG erklärt mich zu einem „klassischen Fall von … Antisemitismus“1. Diese Behauptung wird lediglich damit begründet, ich hätte den „Krieg Israels gegen die Hamas mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine“ gleichgesetzt, was ich nie getan habe.

Ich habe deshalb das JuFoDIG mit einer Unterlassungserklärung aufgefordert, seine Verleumdung zu widerrufen.

Seit Jahrzehnten setze ich mich aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus und für ein friedliches Zusammenleben der Völker ein. Dafür habe ich auch Einbußen meiner beruflichen Karriere in Kauf genommen. Auch deshalb haben mich die Vorwürfe besonders hart getroffen und mir eine schlaflose Nacht bereitet.

Damit mensch sich selbst eine Meinung bilden kann, hier der Wortlaut meiner inkriminierten Vortragseinleitung. Da ist keine „Gleichsetzung“ zu finden.

„Die schrecklichen Mordtaten der Hamas vom 7. Oktober 2023 und der darauf folgende Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung haben unendliches Leid über Israelis und mehr noch über die Palästinenser*innen gebracht.

Die Mordtaten der Hamas sind durch absolut nichts zu rechtfertigen. Mit Befreiungskampf haben sie nichts zu tun. Den Krieg der israelischen Regierung gegen den Gazastreifen kann ich aber nicht als Selbstverteidigung sehen.

Wenn dieser Krieg nicht ein bloßer Rachefeldzug ist, dann unterliegt er dem Irrglauben, Terror ließe sich mit militärischen Mitteln abschaffen. Spätestens seit dem US-amerikanischen „Krieg gegen den Terror“ sollte jedem klar sein, dass dies ein Irrglaube ist.

Wir in Deutschland sind davon nur indirekt betroffen. Die Diskussion über diesen Konflikt dreht sich häufig nur um das Rechthaben: Bist du für Israel oder für die Palästinenser*innen?

Das unendliche Leid der direkt Betroffenen in den palästinensischen Gebieten und in Israel wird dabei leicht vergessen. Damit uns das heute Abend nicht auch passiert, bitte ich um eine Schweigeminute für die Opfer auf beiden Seiten, damit wir den Vortrag und die Diskussion mit entsprechender Aufmerksamkeit führen können.“

— Schweigeminute —

Deutschland hat eine historische Verantwortung, die Sicherheit von Israel zu garantieren und jeglichen Judenhass zu bekämpfen. Kritik an der israelischen Regierung ist jedoch per se kein Antisemitismus. Vielmehr wird unsere Aufgabe als Deutsche sein, dem aus dem völkerrechtswidrigen Vorgehen Israels entstehenden zusätzlichen Antisemitismus in aller Schärfe entgegenzutreten.

Hier sind vier Zitate von Mitgliedern der israelischen Regierung, kurz nach dem 7. Oktober:2

  • Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant: Ich habe eine „vollständige Belagerung“ von Gaza-Stadt angeordnet. Es wird „keinen Strom, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff“ geben. (9. Oktober 2023)
  • Und derselbe: „Ich habe alle Einschränkungen aufgehoben. … Wir kämpfen gegen menschliche Tiere. … Wir werden alles vernichten. Wenn es nicht einen Tag dauert, wird es eine Woche dauern, es wird Wochen oder sogar Monate dauern.“
  • Isaac Herzog, Präsident Israels, in Bezug auf den Gazastreifen: „Es ist ein ganzes Volk da draußen, das verantwortlich ist. … Wir sind im Krieg. … Und wir werden kämpfen, bis wir ihnen das Rückgrat brechen.“ (12. Okt. 2023)
  • Israel Katz, damals Minister für Energie und Infrastruktur Israels: „Wir werden die terroristische Organisation Hamas bekämpfen und sie zerstören. Die gesamte Bevölkerung in [G]aza wird aufgefordert, sofort zu gehen. Wir werden siegen. Sie werden keinen Tropfen Wasser oder eine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen.“ (13. Okt. 2023)

Diese Aussagen stammen nicht aus irgendwelchen dubiosen Quellen, sondern aus dem Gerichtsbeschluss des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag vom 26. Januar 2024.

Die Verteidiger*innen des israelischen Vorgehens werden sagen: „Aber was soll die israelische Regierung denn machen?“ Ich würde antworten: „Ich werde mich hüten, Israel dazu Vorschläge zu machen. Ich sage nur: ‚Morde rechtfertigen keine Morde, Massaker rechtfertigen keine Massaker, Terror rechtfertigt keinen Terror‘.“

Zwei Zitate aus europäischer Sicht:

„Hunger darf nie wieder als Waffe eingesetzt werden.“3

„Gezielte Angriffe auf zivile Infrastrukturen – mit der klaren Absicht, Männer, Frauen und Kinder von Wasser, Strom und Heizung abzuschneiden – sind reine Terrorakte“.4

Wer das wohl gesagt hat? Das erste Zitat stammt von Bundeskanzler Scholz, das zweite von der Präsidentin der Europäischen Union, Ursula von der Leyen. Aber das galt wohl nur für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Wir fordern unsere Regierung und die Europäische Union dazu auf, diese Prinzipien auch gegenüber der israelischen Regierung durchzusetzen!

***

Sumaya Farhat-Naser wurde in Ramallah/Palästina geboren. Sie studierte Biologie, Geografie und Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg und promovierte in Angewandter Botanik.

Sie ist Mitbegründerin und Mitglied zahlreicher Organisationen, wie „Women Waging Peace“ an der Harvard-Universität und „Global Fund for Women“ in San Francisco.

Sie erhielt unter anderem folgende Auszeichnungen: Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Münster; Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte; Versöhnungspreis Mount Zion Award in Jerusalem; Augsburger Friedenspreis; Bremer Solidaritätspreis; (kirchlicher) AMOS-Preis für Zivilcourage in Religion, Kirchen und Gesellschaft.“

Text & Bild: Maik Schluroff

Anmerkungen

1 https://www.seemoz.de/stellungnahme-des-jungen-forums-der-deutsch-israelischen-gesellschaft/
2 Alle Zitate aus dem Beschluss des IGH vom 26.1.2024, APPLICATION OF THE CONVENTION ON THE PREVENTION AND PUNISHMENT OF THE CRIME OF GENOCIDE IN THE GAZA STRIP (SOUTH AFRICA v. ISRAEL), S. 17f
3 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/scholz-getreide-hunger-ukraine-krieg-russland-100.html, Abruf 8.4.2024
4 https://www.merkur.de/politik/von-der-leyen-angriffe-auf-energieversorgung-in-ukraine-sind-kriegsverbrechen-91860356.html , Abruf 8.4.2024

11 Kommentare

  1. Helmut Reinhardt

    // am:

    @Norbert Höpfinger 28. April
    «Den Palästinensern ist es geglückt in den letzten Jahrzehnten eine „Fan-Gemeine“ um sich zu scharen, die die Legende (heute: Narrativ) von der verfolgten Unschuld bedingungslos glaubt…»
    Das was Sie hier vortragen, ist gelinde gesagt, mehr als vereinfachend.

    Vielleicht bekommen Sie oder andere ein differenzierteres Bild vom israelisch-palästinensischen Verhältnis, wenn Sie dieses autobiographische Gespräch Uri Avnerys, damals im 92sten Lebensjahr, mit Birgit Wentzien aus dem Jahr 2015 lesen, in dem er seine Entwicklung vom jugendlichen Mitglied in der Irgun zum Friedensaktivisten schildert, und in dem einige der gegenseitigen Verletzungen durch Gewaltakte zur Sprache kommen.

    Aus dem Abschnitt: Vom Frontsoldaten zum Friedensaktivisten; aktiv in Politik und Publizistik und Avnery als Vater der Zwei-Staaten-Lösung

    «..Wentzien: Ja? Ich möchte aber ein bisschen an der Stelle springen, denn in beiden Büchern ist ja etwas drin, was Sie jetzt gerade auch beschrieben haben. Das erste Buch, das 1948 erschienen ist, lautet „In den Feldern der Philister“ und wurde zum Bestseller in Israel. Sie haben aber im Nachgang zu diesem Buch dann auch geschrieben, festgestellt erst mal und dann geschrieben: Ich habe nur die halbe Wahrheit geschrieben in diesem ersten Buch, es braucht ein zweites. „Die Kehrseite der Medaille“, das erschien 1950. Als Augenzeuge haben Sie darin auch die Vertreibung der –
    Avnery: Dazwischen war ein Krieg.
    Wentzien: – der Palästinenser beschrieben aus Ihren Dörfern. Dazwischen war der Krieg. Die Tötung der arabischen Zivilisten. Und dieses Buch, Herr Avnery, 1950, war damals in Israel ein Tabubruch. So, wie Sie vorher für das erste gelobt worden sind allüberall, so wurden Sie für das zweite als, Sie haben es selber einmal gesagt, als Staatsfeind, als Volksfeind bezeichnet…»
    «..Avnery: Sehen Sie: Kurz nach der Broschüre, die ich schon erwähnt habe, in der ich ein gemeinsames Leben der Hebräer und der Araber beschrieben habe, gefordert habe – kurz danach, ein paar Wochen später brach der Krieg aus. Ich habe mich natürlich sofort gemeldet und war ein Jahr lang Frontsoldat während des ganzen Krieges. Kurz vor Ende des Krieges wurde ich schwer verwundet, Bauchschuss. Im Krankenhaus hatte ich sehr viel Zeit, nachzudenken, denn ich habe weder geschlafen noch gegessen noch getrunken. Als ich
    heraus kam, habe ich wirklich beschlossen – ich habe mein Leben zu verdanken – ich war Korporal, Zugführer am Ende des Krieges, und vier meiner Soldaten, Neueinwanderer aus Marokko, haben mein Leben gerettet, und ich lag in einer Zone, die unter Beschuss lag, und die hatten mich raus geholt. Und ich habe beschlossen, den Rest meines Lebens – ich wusste ja nicht, dass es so lang wird – mich für den Frieden und für die hebräisch-arabische Verständigung einzusetzen…»
    https://www.deutschlandfunk.de/uri-avnery-ich-moechte-dass-israel-ein-normaler-staat-wird-100.html

    https://de.wikipedia.org/wiki/Uri_Avnery

    Hier nochmal die Laudatio von Uri Avnery auf Sumaya Farhat-Naser, Vortragende am 11.4. in Konstanz, und Gila Svirsky, die zusammen den Hermann-Kesten-Preis 2002 erhielten: https://www.zeit.de/politik/kestenpreis_avnery
    Ein Zitat daraus: «..Der Krieg zwischen Israelis und Palästinenser tobt schon seit 120 Jahren. Zu dieser Stunde ist er schlimmer als je, und er kann noch viel, viel schlimmer werden. Aber seit einigen Jahren hat ein anderer Kampf begonnen, mit ganz verschiedenen Fronten. Nicht zwischen Israelis and Palästinensern, sondern zwischen denen, die Frieden wollen, Israelis und Palästinenser, und denen die ihn ablehnen, Israelis und Palästinenser. In diesem Kampf stehen Gila und Sumaya seit Jahren auf derselben Seite, Schulter an Schulter. Das ist nicht leicht.
    Man braucht viel Mut, um sich – wie Sumaya – im palästinensischen Volk für den Frieden mit Israel einzusetzen, während israelische Soldaten sich in allen palästinensischen Städten und Dörfern herumtreiben, Menschen hinrichten, Häuser zerstören, Bäume ausreißen, eine ganze Bevölkerung einsperren und ihr Leben zur Hölle machen. Auch Birseit ist belagert und isoliert. Man braucht viel Mut, um sich – wie Gila – in Israel für den Frieden mit den Palästinensern einzusetzen, während Palästinenser Selbstmordaktionen in israelischen Märkten und Bussen ausüben, und viele Israelis davon überzeugt sind, dass die Palästinenser uns ins Meer werfen wollen. Sumaya Farhats Weg zur Friedensaktivistin war nicht leicht…»

  2. Norbert Höpfinger

    // am:

    Ich kenne Maik Schluroff seit vielen Jahren, ihm Antisemitismus zu unterstellen ist völlig abwegig. Allerdings können seine Beiträge und Äußerungen Antisemitismus befördern, weil sie parteiisch sind und falsch interpretiert werden können. Den Palästinensern ist es geglückt in den letzten Jahrzehnten eine „Fan-Gemeine“ um sich zu scharen, die die Legende (heute: Narrativ) von der verfolgten Unschuld bedingungslos glaubt.
    Bis zum Ende der 70er Jahre hat die PLO die ganze Welt mit Terror überzogen (München 1972, Landshut 1977 z.B.). Es wurden Flugzeuge entführt, um Terroristen freizupressen, die Flugzeuge entführt haben um Terroristen freizupressen, die Flugzeuge entführt haben usw.
    In den 80er Jahren fand ein Paradigmenwechsel statt. Die Palästinenser konzentrierten sich mit ihrem Terror auf Israel. Es fanden Anschläge, Überfälle und andere Attentaten statt (z.B. Anschläge auf jüdische Schulkinder), um Israel zu Gegenschlägen zu zwingen. Dann erhoben die Palästinenser ein Lamento: Seht nur, was sie mit uns machen. Sie beschießen uns und werfen Bomben auf uns friedliche Zivilisten, dabei sind wir völlig unschuldig. Dieses Konzept geht bis heute auf. Terrororganisationen greifen an, verstecken sich danach, und lassen die Weltöffentlichkeit sich über die Reaktion Israels empören. Und die Palästinenser präsentieren sich als Opfer, als verfolgte Unschuld.
    Goebbels hat mal gesagt: Man muss eine Lüge nur lange genug wiederholen, irgendwann glauben sie die Menschen, sie hören ja nichts anderes. Dieses Vorgehen haben die Palästinenser übernommen und bis zur Perfektion entwickelt. Und ihre Unterstützer übernehmen das, weil sie es glauben wollen, denn es entspricht ihrer inneren Überzeugung. Es ist wie bei einer Sekte.
    Ein Beleg dafür ist der Umstand, dass die linken Israelkritiker gleichzeitig in Personalunion Putin-Versteher/-Freunde/-Unterstützer sind. Putin, ein homophober Antikommunist, ein Diktator, der weltweit rechte Parteien fördert und unterstützt. Von Seiten der Linken aus ist das völlig irrational.
    Einmal irrational, immer irrational.

  3. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    zu Maik Schluroff, mir ist Ihr Engagement bekannt, weshalb es mich dann doch sehr schockiert hatte. Kurznachrichten über politische (richtige und bitte mehr Druck dabei) Forderungen von Außenministern oder Präsidenten unterscheiden sich von der Einführung zu einer Veranstaltung, bei der ein sehr kontroverses Thema, auch mit fragwürdigen Karten unterlegte Ausführungen, vorgetragen wurden. Dazu hätte der Kontext vorweg wirklich gehört.
    Ich kann verstehen, dass sie, so wie sie angegriffen wurden, erst mal in Verteidigungshaltung gehen. Ich würde mir jedoch für Sie wünschen, gerade in Anbetracht Ihres großartigen Engagement, dass es Ihnen gelingt, die Anwürfe zu reflektieren, ganz jenseits ihrer juristischen Gegenwehr und dem natürlichen Bedürfnis die eigenen Handlungen zu rechtfertigen.
    Als gegenüber der derzeitigen israelischen Regierung mehr als kritischer Person, bleibt bisher für mich haften, die Veranstalter waren und sind auf einem Auge blind. Als bewusst antisemitisch, habe ich hier niemanden bezeichnet.

  4. Maik Schluroff

    // am:

    Um es klar zu sagen: Ich bin schockiert vom Massaker der Hamas, ich verurteile jede einzelne Rakete auf Israel, ich fordere die sofortige und bedingungslose Freilassung der Geiseln, mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer und auch den israelischen Binnenflüchtlingen. Und selbstverständlich hat Israel das Recht, sich gegen Terror und die barbarischen und mörderischen Angriffe zu verteidigen.
    Aus manchen Äußerungen hier lese ich heraus, dass es auch Antisemitimus sei, wenn man Israel zur Einhaltung des Völkerrechts auffordert, ohne den Terror der Hamas, den Bombenterror (der Hamas), die (israelischen) Geiseln und die Hunderttausende (israelischen) Binnenflüchtlinge zu erwähnen. Dann müsste aber auch der Präsident der USA und unsere Außenministerin als Antisemit.in bezeichnet werden. Beide haben dies nicht immer erwähnt.
    So sagte A. Baerbock im Weltsicherheitsrat: „Deshalb ist es für uns von entscheidender Bedeutung, dass dieser Kampf im Einklang mit dem humanitären Recht und mit größtmöglicher Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung in Gaza geführt wird“. Und: Das Leben aller Zivilisten sei in gleichem Maße wichtig.
    Und an anderer Stelle: „Jetzt in Rafah, an dem letzten und überfülltesten Ort, vorzugehen, wie vom israelischen Verteidigungsminister angekündigt, wäre einfach nicht zu rechtfertigen. Ein Großteil der Opfer sind Frauen und Kinder. Stellen wir uns einfach vor: Es wären unsere Kinder.“
    Beide Male, ohne den Hamas-Terror zu schildern. Macht das unsere Außenministerin zur Antisemitin?

  5. Helmut Reinhardt

    // am:

    @Norbert Höpfinger 26. April 2024
    „Wenn Deutsche über Israel reden, reden sie meist über sich selbst.“ So Daniel Marwecki in seinem vor kurzem erschienen Buch „Absolution“ und das scheint auch hier zuzutreffen:
    „Im Krieg gegen Nazideutschland haben die Alliierten systematisch die deutschen Städte bombardiert. Gab es dagegen internationale Proteste? Nein, das war legitim. Es war Krieg, und die Deutschen hatten angefangen.“

    Schon dieser Versuch, die Reaktion der israelischen Regierung auf die von der Hamas begangenen Kriegsverbrechen und Terrorakte mit diesem Vergleich einzuordnen und den Protest dagegen zu delegitimieren, entzieht Ihrer Argumentation den Boden, sie wird bodenlos, verharmlost die Verbrechen von Nazideutschland und damit vieler unserer beteiligten Altvorderen, liest sich wie eine Entlastung derselben.
    Deutschland war damals mit einer riesigen Kriegsmaschinerie als revanchistische und imperialistische Macht gegen die anderen europäischen Staaten angetreten, mit expliziten Vernichtungs- und Völkermordabsichten vor allem im Osten, die in einem unvorstellbaren und zuerst vor der Weltöffentlichkeit verborgenen Ausmass auch vollzogen wurden.

    Berichte von Augenzeugen wie Jan Karski, Emissär der polnischen Untergrundarmee, über die systematische, industriell organisierte Vernichtung der jüdischen Bevölkerung wurden 1943 von den einflussreichen und mächtigen Personen in Grossbritannien und den USA, an die sie gerichtet waren, zuerst als kaum glaubhaft wahrgenommen, weil sie ihre Vorstellungskraft überstiegen: https://absolutmedien.de/film/387/Der+Karski-Bericht

    https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Karski

    PS: Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki waren nach Einschätzung vieler Historiker Kriegsverbrechen an einem schon kapitulationsbereiten Japan, das vorher ebenfalls unzählige Kriegsverbrechen begangen hatte. Kriegsverbrechen des Aggressors rechtfertigen nicht die Kriegsverbrechen des Angegriffenen.

  6. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    zu Herrn Höpfinger, in der Sache sehe ich es teils ähnlich, wenn da doch nicht die tausendfachen zivilen Opfer im Gazastreifen wären. Da muss Hilfe her und politischer Druck auf die israelische Regierung.
    Die Sicht auf die Situation bleibt jedoch verzerrt, das sehe ich ganz genauso. Israel wird in manchen Kreisen deutlich stärker verurteilt als andere Staaten, die sich jetzt und in der Vergangenheit am Rande von Kriegsverbrechen bewegen oder bewegten, und das, obwohl sie die Angegriffenen waren. Ich denke, dass es ein Ergebnis unserer kollektiven Sozialisation ist und sehr wohl teils unbewusste antisemitische Aspekte eine Rolle spielen. Ich würde mir wünschen, dass mehr reflektiert wird. Tatsache ist, dass beide Seiten ( pro Palästina/pro Israel) und viel dazwischen, eher auf Kritik mit Verteidigung, Ablehnung und Schuldzuweisung reagieren. Das führt leider nicht weiter.
    Es ist und bleibt ein Krieg im Sandkasten der Ansichten, das unendliche Leid eben auf beiden Seiten erscheint mir dabei teils als zweitrangig, jenseits aller aufgewühlten Emotionen.

  7. Norbert Höpfinger

    // am:

    Irgendjemand hat mal gesagt: Den Holocaust werden die Deutschen den Juden nie verzeihen. Ich denke, das Massaker vom 7. Oktober wird die Welt Israel auch nie verzeihen. Warum? Die Juden sind nicht mehr die wehrlosen, hilflosen Opfer, die sie über Jahrhunderte waren. Sie wehren sich und sind damit erfolgreich. Seit dem ersten Tag seiner Existenz musste Israel Angriffe abwehren und hat alle Konflikte gewonnen.
    Aber in der Kriegsführung gelten für Juden besondere Regeln. Die IDF hat die Palästinenser vor jedem Angriff vorgewarnt, sie hat Fluchtwege ausgewiesen und sichere Zonen, in denen die Zivilisten geschützt waren. Kennt irgendjemand eine andere kriegsführende Macht, die ähnlich handelt oder gehandelt hat?
    Im Krieg gegen Nazideutschland haben die Alliierten systematisch die deutschen Städte bombardiert. Gab es dagegen internationale Proteste? Nein, das war legitim. Es war Krieg, und die Deutschen hatten angefangen.
    Aus Rache für Pearl Harbor haben die USA Tokio bombardiert, mit ca. 100.000 Toten. Gab es dagegen Proteste? Nein, es war Krieg, und die Japaner hatten angefangen.
    Von Israel verlangt man aber, dass es Rücksicht nimmt. Rücksicht auf die Menschen, die am 7. Oktober gejubelt haben, und Süßigkeiten an Kinder verteilten. Auf die Palästinenser, die die logistische Vorarbeit für das Massaker leisteten. Die der Hamas detaillierte Pläne von den Häusern der Juden lieferten, mit der Anzahl der Bewohner und der Lage der Schutzräume. Zum Dank durften nach dem Abschlachten die Zivilisten aus dem Gazastreifen zum Plündern kommen.
    Der Öffentlichkeit ist das Wohlergehen der Palästinenser wichtiger als das Leben und die Sicherheit von Juden. In meinen Augen ist das Antisemitismus. Jewish lifes don‘t matter.

  8. Günter Faltin

    // am:

    Ich finde den Versuch, Friedensinitiativen zum Israel-Palästina-Konflikt zu unterstützen, richtig.

    Maik Schluroff kenne ich seit den 1970iger Jahren, er ist ein aktiver Kriegsgegner, hat sich dazu in vielen Aktionen engagiert, in ruhiger, sachlicher Weise. Keine Spur von Judenfeindlichkeit, im Gegenteil, er engagiert sich seit langem in der Initiative „Stolpersteine“.

    Kritik zu äußern an einer Regierung, auch der israelischen, ist Grundbaustein des westlichen
    Demokratieverständnisses.

  9. Hendrik Riemer

    // am:

    Bin ich Antisemit?
    Ich setze mich für Religionsfreiheit ein, die ohne das Judentum nicht vorstellbar wäre. Ganz im Lessingschen Sinne. Ich kritisiere den Staat Israel wegen seiner Siedlungspolitik und der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Araber (Palästinenser). Ich weiß, daß die Geschichte Israels nicht erst mit dem Überfall der Hamas begonnen hat. Ich halte die israelischen Geheimdienste für gut informiert.
    Bin ich deshalb Antisemit und Verschwörungsgläubiger?
    Anfangs der Nullerjahre habe ich die Stolpersteine Konstanz mitinitiert. Einen der ersten Stolpersteine für den jüdischen Kaufmann Hans Tanhäuser recherchiert. Weitere folgten.
    Wenn Maik Schluroff in die antisemitische Ecke gedrückt wird, ja, dann bin ich solidarisch und bekenne: Ich gehöre auch zu den schluroffschen Antisemiten!
    Hendrik Riemer

  10. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Es gibt in Ihrem Text, Herr Schluroff, einen Vergleich mit dem Ukrainekrieg, der bezieht sich allerdings auf die Äußerungen von Olaf Scholz und Ursula von der Leyen. Ich habe dies als Kritik am Schweigen zur Lage in Gaza und zur israelischen Regierung aufgefasst. Nur schweigen sie westlichen Politiker tatsächlich? Die Kritik aus dem westlichen Lager an der humanitären Situation in Gaza und den radikalen Siedlern im Westjordanland ist doch nicht zu überhören. Die mahnenden Stimmen nach dem Luftangriff des Irans in Richtung Israels Regierung sind das auch nicht. Israel ist auch nicht Russland, das seinen Nachbarstaat, mit der Absicht das Land zu zerstören und zu annektiere, angegriffen hat.
    Ich gebe Herrn Tillmann recht wenn er anmerkt, dass hier in diesem Beitrag kein Wort gefallen ist zu den Raketenangriffen, den israelischen Binnenflüchtlingen und den Geiseln.
    Ich kann in Ihrem Beitrag keinen offenen Antisemitismus erkennen, aber eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegen Israel. Dort aber leben Menschen, die leiden, die ihre Angehörigen vermissen oder betrauern müssen, die ständig immer wieder in ihre Schutzräume müssen, weil sie beschossen werden, die ihr Zuhause verlassen mussten. Sind das alles Fans der Regierung oder radikale Siedler?
    Das Leid der Menschen in Gaza ist grausam, sie brauchen eine Stimme und Hilfe. Dieses Leid wurde nicht allein von der israelischen Regierung verursacht, sondern auch von dem bestialischen Terrorangriff der Hamas, die darauf hofften, dass es so kommt, und denen ihre eigene Bevölkerung völlig egal scheint.
    Es gibt offensichtlich einen Punkt an dem sich die Israelkritik instrumentalisieren lässt, ganz im Sinne der Hamas und letztlich des Irans. Das geschieht hier und Sie Herr Schluroff und die Mitorganisatoren haben dazu beigetragen, indem Sie keine anderen Worte fanden, als die in Ihrem Beitrag, der wohl teils Text bei der Veranstaltung war.
    In Sachen Palästina ist die Friedensbewegung auf einem Auge offensichtlich blind. Ob dies gleich offener Antisemitismus ist, bezweifele ich. Welche unbewussten Kerben dazu beitragen, kann ich nicht beurteilen, aber die deutsche Prägung durch das dritte Reich treibt seltsame Blüten, oft unbewusst. Die Einen halten Kritik an Israel gleich grundsätzlich für antisemitisch, die anderen bedienen blind vererbte Vorurteile, ohne sich ernsthaft damit auseinander zu setzten. Zwei Haltungen an entgegengesetzten Punkten der Skala.

  11. Janosch Tillmann

    // am:

    Sehr geehrter Herr Schluroff,

    Sie verwehren sich gegen den Vorwurf ein Antisemit zu sein. Das kann ich gut verstehen. Wer will, gerade in Deutschland nach 1945, noch einer sein. Zudem betonen Sie, dass Sie sich seit Jahren gegen Antisemitismus einsetzen.

    Zu Ihrer Rede gibt es dennoch ein paar Anmerkungen zu machen, wie ich finde:

    Sie verwenden zwei Absätze auf den Terror der Hamas – den Sie verurteilen. Allerdings kommt von Ihnen kein Wort zu den Geiseln, die bis heute in Gaza festgehalten werden. Man liest kein Wort zum Raketenterror, der bis heute andauert oder zu den 300.000 Binnenflüchtlingen, innerhalb Israels, die vor dem Terror der Raketen auf der Flucht sind.

    Ihre Anmerkung dazu: „Wenn dieser Krieg nicht ein bloßer Rachefeldzug ist, dann unterliegt er dem Irrglauben, Terror ließe sich mit militärischen Mitteln abschaffen.“

    Die Formulierung, die Sie wählen, lässt offen, ob es nicht ein bloßer Rachefeldzug ist und es wird auch nicht klar, was Israel machen soll. Soll es sich weiter mit Raketen beschießen lassen? Die Geiseln aufgeben? Den Vernichtungswillen der Hamas als gegeben hinnehmen?

    Sie und so viele Kritiker des israelischen Vorgehens beklagen das Handeln des Staates Israel, nur wie es stattdessen sein sollte, formulieren Sie auch nicht. Israel soll es halt irgendwie anders lösen.

    Dann sagen Sie: „Wir in Deutschland sind davon nur indirekt betroffen.“ Außer eben man ist Jude. Dann steckt man seine Kippa weg, versteckt seinen Davidstern und schweigt. Sonst wird man ins Krankenhaus geprügelt oder einem wird das Gebetshaus angezündet. Betroffen sind vor allem die nicht, die es nicht betrifft. Die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland.

    Da Sie sich der Bekämpfung des Antisemitismus seit Jahrzehnten widmen, sollten Sie wissen, dass kein Verhalten von Jüdinnen und Juden (oder von Israel) den Antisemitismus verstärkt oder ab-schwächt. Was den Antisemitismus gerade auszeichnet ist ja, dass man „die Juden“ wegen nichts und wieder nichts, hasst und ermordet. Zu behaupten, Israels Vorgehen in Gaza wäre der Motor, der jemanden zum Antisemiten macht und ihn motiviert, eine Synagoge anzuzünden oder einen Juden zu attackieren verkennt vollkommen, dass der Gazakrieg für Antisemiten ein Vorwand ist, um die Sau rauszulassen aber sicher nicht der Grund, warum jemand anfängt, Jüdinnen und Juden für den Weltfeind zu halten.

    Wenn Ihnen aber daran gelegen ist, den Antisemitismus nicht zu verstärken, warum wählen Sie dann Zitate aus, die binnen Wochenfrist nach dem Pogrom der Hamas entstanden? Die Lage war emotional aufgeladen. Es gab den größten Massenmord an Juden, seit der Shoa. Vielleicht führen Sie sich nochmal die Bilder vor Augen. Sollte es nötig sein, lässt es sich sicher organisieren Ihnen nochmal einen Einblick zu geben, um zu verdeutlichen, was da passiert ist.

    Wäre es nicht angemessener gewesen, Israel Kriegsführung an sich in den Blick zu nehmen und die Frage zu stellen: „wie würden andere Staaten verfahren?“ „Gab es denn die Abschaltung von Strom und Internet überhaupt, über die geklagt wurde?“ „Wie konnten das Leute aus Gaza Videos auf Ins-tagram hochladen, in denen Sie über diesen Zustand klagen, wenn Sie weder Strom noch Internet hatten?“

    Sie sprechen davon, dass Israel mit morden auf Morde reagiert, und das lehnen Sie halt ab. Ist schön einfach. Israel sich halt was überlegen, während Sie mit Raketen beschossen werden, von einer Terrorsekte, die sie ausrotten will. Sie sollen sich was überlegen, während Geiseln in Gaza sitzen und während Binnenflüchtlinge irgendwo im Land untergebracht werden müssen. Was genau, ist ja egal. Denn wie Sie so schön gesagt haben: „Wir in Deutschland sind davon nur indirekt be-troffen. Die Diskussion über diesen Konflikt dreht sich häufig nur um das Rechthaben“.

    Und zuletzt: Die Gleichsetzung von Israels Kriegsführung, mit der Russlands, kann man problemlos aus Ihrer Aussage herauslesen. Sie sind seit Jahrzehnten politisch aktiv und kein 16-Jähriger, der seine erste Rede auf einer Antifademo hält. Sie wissen, wie Sprache funktioniert, wenn Sie so lange im Geschäft sind. Dann müssen Sie sich auch daran messen lassen.

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