Die künstliche Intelligenz ist derzeit als Lösung aller Probleme in vieler Munde: Sie schreibt Referate, kann Ampeln steuern, nach Menschen fahnden und die Umwelt retten. Manche Menschen fragen sich allerdings, ob auf dem Weg zur KI unsere hausgemachte Intelligenz nicht auf der Strecke geblieben ist. Hier ein Leserbrief zum Thema.
Das immer häufigere und lautere Hochjubeln der Künstlichen Intelligenz geht mir zunehmend auf den Wecker. Bevor die Herren Software-Entwickler (es sind ja deutlich mehr Männer als Frauen, was vielleicht einiges erklärt) eine sensationelle Super-Anwendung nach der anderen auf den Markt schmeißen, zum Beispiel neue sensationelle Rock-Balladen oder Werke der bildenden Kunst, hinter denen kein Mensch mehr steht, sollen sie doch bitte – von mir aus mit Hilfe der künstlichen Intelligenz – die Alltagsprobleme an Computer und Handy lösen, die unsereinem jeden Tag die Nerven rauben. Ein paar Beispiele:
Noch nie seit den 1950er Jahren sind so viele Telefonverbindungen so von Störungen geprägt oder sie werden so oft und abrupt abgebrochen wie heute.
Die Zahl plötzlicher, unerklärlicher Programmabstürze oder die Zahl unglaublicher Lahmarschigkeiten von PC-Anwendungen ist nach wie vor extrem hoch. Ich sitze am Computer, klicke und warte, dass was passiert – und es dauert und dauert. So verfliegt meine Jugend …
Die Störungen und der Zeitraub durch unangekündigte, plötzliche Updates, Aktualisierungen und sonstige angeblich so notwendige Software-Verbesserungsmätzchen zur Unzeit kosten einfach Nerven.
Es gibt zahlreiche Zahlen- und Schreibprogramme, bei denen das Treffen der winzigen Spalten und Zeilen ein Gefriemel ist, das mich an die qualvollsten Bastelstunden mit Schere und Uhu in der dritten Grundschulklasse erinnert.
Das Password- und Zugangssicherungs-Chaos, für das die Software-Entwickler einfach keine Lösung finden, sei ebenfalls erwähnt. Bei mir von den Software-Freunden der Ämter vorgegebenen Codes wie N8dY-Dh35-FjDx erfordert das fehlerfreie Eingeben eine Konzentration wie beim Schachspiel. Damit will ich meine wertvollen Alltagsstunden einfach nicht zubringen.
Es gibt nach wie vor viele Geräte (neulich stand ich vor einer neuen Mikrowelle wie vor einem antiken Hieroglyphenstein) und Computerprogramme, die schlicht und einfach nicht selbsterklärend sind, was ich heute von einer modernen, täglich zu nutzenden Anwendung erwarte. Die schon immer übliche Meinung und Unart der Softwareentwickler, dass sich Nutzer in die Software, ihre Sprache und Zeichen („Icons“) reindenken müssen, um sie bedienen zu können, dass wir dummen Nutzer alle selbst kleine Software-Experten werden müssen, finde ich einfach unmöglich. Der Erbauer einer Bohrmaschine erwartet ja auch nicht von mir, dass ich das Getriebe und eine fremde Sprache (Maschinenbau-Deutsch) verstehe, um bohren zu können.
Es gibt Tage, an denen ich mir neben meinem PC einen Vorschlaghammer wünsche.
Die genannten Probleme kann die künstliche Intelligenz gerne lösen. Rock-Balladen oder Kunstwerke, die nicht mehr von einem Menschen mit Persönlichkeit, sozialer Entwicklung und Lebenserfahrung stammen, brauche ich nicht.
Text: Thomas Giesinger, Symbolbild: dokumol auf Pixabay
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