
Der im Dezember 2023 eingeführte „Stützlibus“ ist ein großer Erfolg. 1 Franken wird im Volksmund 1 Stutz genannt, daher der Name. Mit einer Verdoppelung der Billettverkäufe und bis zu 30 Prozent mehr Fahrgästen auf den Stadtbus- und Postautolinien greift der von den Initiator:innen erhoffte Umsteigeeffekt.
Noch in diesem Jahr soll über die Zukunft des Pilotprojekts „Eine Fahrt – ein Franken“ entschieden werden, schreibt die Stadt Kreuzlingen in einer Pressemitteilung. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2023 startete der dreijährige Pilotversuch „Eine Fahrt – ein Franken“ innerhalb der Ostwind-Zone 256, die im wesentlichen Kreuzlingen und Tägerwilen umfasst, siehe hier. Ein kontinuierliches Monitoring lieferte Verkaufszahlen, die alle Erwartungen übertrafen: Im Vergleich zur ersten Nutzeranalyse zwischen Januar bis März 2024 wurden mehr als doppelt so viel Billette verkauft (ohne Abos), wie im Jahr zuvor (2023: 160.000, 2024: 325.000). Ähnliches gilt für die Abos: Die Zunahme bei den Jahresabos liegt bei 50 Prozent, rund 15 Prozent bei den Monatsabonnements.
„Diese Zahlen zeigen, dass die Bevölkerung das Angebot intensiv nutzt. Der Umsteigeeffekt auf den öffentlichen Verkehr greift, womit die Strassen vom motorisierten Verkehr entlastet werden“, betont Stadtrat Ernst Zülle, zuständig für das Departement Bau. Mit Zahlen lässt sich der Umsteigeeffekt zwar nicht belegen, weil dafür keine gesonderten Daten vorliegen. Allerdings sprechen die absoluten Verkaufszahlen der Billette und auch die Zunahme der Fahrgastzahlen eine deutliche Sprache: Im Stadtbus wurden innerhalb der Zone 256 im Jahr 2024 rund 1,3 Mio. Fahrgäste transportiert, im Jahr zuvor waren es 1,15 Mio. Im Postauto wurden rund 875.000 Passagiere gezählt, im Jahr 2023 waren es 715.000.
Vor Einführung des Pilotprojekts ging die Stadt von einer Erhöhung der Verkaufszahlen von maximal 20 Prozent aus. Durch die Verdoppelung der subventionierten Billett-Verkäufe stiegen gleichzeitig auch die Ausgaben. Die für das Jahr 2024 budgetierten Subventionen von rund CHF 700.000 reichen nicht aus, was sich in der Rechnung der Stadt von 2024 mit einer Differenz von rund CHF 500.000 niederschlägt. Diese Differenz wird durch die vom Gemeinderat beschlossene „Spezialfinanzierung Parkplatzbewirtschaftung“ ausgeglichen.
Entscheidung über Fortführung
Noch in diesem Jahr soll entschieden werden, ob das Pilotprojekt „Eine Fahrt – ein Franken“ definitiv eingeführt werden kann. Die aktuelle Auswertung zeigt, dass der erhoffte Umsteigeeffekt greift. „Aufgrund des grossen Erfolgs hoffen wir, dass der Pilot definitiv eingeführt wird. Damit käme der Stadtrat seiner Absicht, den öffentlichen Verkehr noch attraktiver zu machen und damit den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, noch näher“, so Zülle weiter.
Die Datenlage sei erfreulich und zeige, dass die Förderung des öffentlichen Verkehrs mit einem attraktiven Angebot Früchte trägt. Um den Umsteigeeffekt voranzutreiben und die Strassen vom motorisierten Individualverkehr zu entlasten, sei es wichtig, in den öffentlichen Verkehr sowie und den Fuss- und Veloverkehr zu investieren, sagt Sandro Nöthiger, Leiter des Bereichs Tiefbau. „In Zukunft wird die kombinierte Mobilität eine immer wichtigere Rolle spielen, also die Kombination mit Bus, Bahn, Velo, zu Fuss und mit dem Auto“.
Und was tut sich in Konstanz für einen bezahlbaren, nutzerfreundlicheren ÖPNV angesichts der Erfolgsmodelle in Kreuzlingen und auch Radolfzell? Das Kurzstreckenticket für 1,90 Euro (Radius 1,2 km) und 2,10 Euro (Radius 2,0 km) ist weiterhin nur digital mit einer App zu erwerben. Ein von vielen gewünschtes 1-Euro-Ticket oder gar kostenfreier öffentlicher Personnennahverkehr ist nicht in Sicht. Die Stadtwerke argumentieren gegen den 1-Euro-Tarif auf ihrer Website im wesentlichen damit, dass die Einführung eines 1-Euro-Tickets die Nachfrage insbesondere auf bereits gut genutzten Linien erhöhen würde. Und dass bei einer Nachfragesteigerung von etwa 10 Prozent zusätzliche Buskapazitäten eingesetzt werden müssten, was die Kosten entsprechend in die Höhe treiben würde. Mindereinnahmen von 5,3 Mio. Euro sowie zusätzliche Buseinsatzkosten stünden nach dieser Rechnung Mehreinnahmen von circa 1,4 Mio. Euro gegenüber, bei einer angenommenen zehnprozentigen höheren Nachfrage. Aber warum nur 10 Prozent, ist diese Zahl nicht zu tief gegriffen? Dann doch lieber den Preis für eine Einzelfahrt auf 3,10 Euro (!) erhöhen, so wie kürzlich geschehen.
Für eine Stadt, die 2019 medienwirksam den Klimanotstand ausgerufen hat, eigentlich ein Armutszeugnis. Denn wer den motorisierten Individualverkehr aus der Innenstadt mit z. B. immer höheren Parkgebühren vergrämen will, sollte im Gegenzug für attraktive Umsteigemöglichkeiten sorgen.
seemoz berichtete hier und hier bereits über den „Stützlibus“.
MM/ans, Bild: Pit Wuhrer
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