Vor zwei Jahren gewann die Stadt Konstanz im Rahmen des European Energy Awards einen Preis in Gold für überdurchschnittlich guten Klimaschutz. Nun, zwei Jahre später, ist das Gold weg. Ein Zeichen für stagnierenden Klimaschutz? Nicht unbedingt.
Der European Energy Award (EEA) ist ein weit verbreitetes Instrument zur Bewertung kommunaler Klimaschutzmaßnahmen, dessen Stärke vor allem darin liegt, Kommunen untereinander vergleichen zu können. Basierend auf einem Punktesystem erhalten die fast 2000 teilnehmenden Gemeinden eine Beurteilung, wie gut sie im Klimaschutz dastehen. Ab 50 Prozent der erreichten Punkte werden Kommunen mit dem EEA-Award ausgezeichnet, ab 75 Prozent wird der Goldstandard verliehen.
Allerdings arbeitet der EEA mit einem intransparenten Punktesystem, das nicht öffentlich wissenschaftlich begleitet wird und in der Vergangenheit einen größeren Fokus auf Planungen und Strategien legte als auf deren tatsächliche Umsetzung. Anlässlich der Konstanzer Goldverleihung vor zwei Jahren führte Peter Magulski im Karla-Magazin die Schwächen des EEA in einem lesenswerten Artikel aus. Er zitierte darin Hans Hertle vom Ifeu-Institut, der als Projektmanager maßgeblich an der Erstellung der Klimaschutzstrategie beteiligt war und den EEA als „Bauchpinselei“ einordnete, der mit Paris-konformen Klimaschutz nichts zu tun habe.
Nun scheint der EEA zumindest teilweise auf die Kritik reagiert zu haben. Jedenfalls fordert er neuerdings von seinen Mitgliedern einen Fokus auf die tatsächliche Treibhausgasreduktion; Ziel dabei ist die Klimaneutralität 2035. Er orientiert sich damit stärker an der Praxis – auch wenn die Bemessungen nach wie vor einer geheimen Methodik folgen, die selbst den Städten nicht bekannt ist.
Sanierung bis zum 800-jährigen Konzilsjubiläum?
Konstanz fällt damit ab, ebenso wie die meisten anderen Städte, die zwar über eine solide Berichte- und Datengrundlage verfügen, in denen die Umsetzung jedoch nur schleppend vorankommt. Landkreise verlieren mit dem neuen Bewertungsschema durchschnittlich zehn Prozent ihrer bisherigen Beurteilung, weiß Tina Götsch, Leiterin der Energieagentur Konstanz, die die diesjährige interne Auditierung vornahm.
Konstanz hingegen büßt lediglich drei Prozent ein, und sinkt mit 74 Prozent knapp unter die Goldmarke. Ihre Auszeichnung darf die Stadt aber trotzdem behalten – bis zur nächsten externen Auditierung in zwei Jahren.
Die Ergebnisse der aktuellen Erhebung zeichnen ein bekanntes Bild: Konstanz verfügt über eine vergleichsweise gut aufgestellte Verwaltung, über gute Fördermittel für private Sanierungen, und kommuniziert offen über die Bemühungen. Bei der Umsetzung kommt die Stadt jedoch ins Straucheln.
Besonders gravierend ist die Situation bei der energetischen Sanierung von Privatgebäuden. Klimaschutzamtsleiter Philipp Baumgartner schätzt, dass noch etwa 10.000 der 11.000 Gebäude in der Stadt saniert werden müssten. Bleibt es bei bisherigen bundesweiten Sanierungsquote von 0,7 Prozent pro Jahr, würde der Sanierungsprozess über 140 Jahre dauern. Konstanz wäre damit knapp vor dem 800-Jahr-Jubiläum des Konstanzer Konzils eine energetisch sanierte Stadt – mit Klimaschutzstrategie hat das dann aber nichts mehr zu tun.
Wärmenetze statt Sanierung
Bei den städtischen Gebäuden sieht die Lage nicht viel besser aus. Für den nächsten Doppelhaushalt wird um den Sanierungsfahrplan des Hochbauamtes gerungen. Schätzungen zufolge müssten dafür rund 60 Millionen Euro investiert werden – eine Summe, die angesichts der klammen Finanzen wohl nicht zur Verfügung steht.
Daher liegt der Fokus der städtischen Bemühungen auf dem Ausbau der Wärmenetze. Für das erste Projekt, ein Wärmenetz rund um die Bodenseetherme, planen die Stadtwerke ein Joint Venture mit einem externen Unternehmen, über das bislang noch nichts an die Öffentlichkeit gedrungen ist.
Nach allem, was man weiß, ist dieses Joint Venture ganz anders geplant als der verhinderte Thüga-Einstieg vor einem Jahr. Damals sollte dem Unternehmen ein Viertel des gesamten Stadtwerke-Geschäfts zugeschoben werden. Jetzt hingegen würde sich die Kooperation von den Stadtwerken mit dem Partnerunternehmen auf das einzelne Wärmenetz beschränken. Konkrete Pläne werden demnächst erwartet. Allerdings hängen sie davon ab, dass das entsprechende Bundesförderprogramm bestehen bleibt – was angesichts der aktuellen Politik nicht sicher ist.
In zehn Jahren von 8 auf 90?
So kommt das EEA-Audit zu einem ernüchternden Ergebnis. So werden derzeit in Konstanz lediglich 8 Prozent der für Wärme und (im Hochsommer) Kälte in Privatwohnungen benötigten Energie erneuerbar erzeugt. Das ist ein Prozent mehr als bei den städtischen Gebäuden. Bis 2035 soll dieser Wert laut städtischer Klimastrategie auf 90 Prozent steigen – eine gewaltige Herausforderung.
Dies zeigt ein Vergleich zu dem, was EEA-Standards von Kommunen erwarten: Um in dieser Kategorie 60 Prozent der maximal erreichbaren Punkte zu erzielen, müsste die Stadt bereits heute 13,5 Prozent der genutzten Wärme erneuerbar erzeugen.
Selbst der Sektor, der in Konstanz eigentlich am Besten läuft, schneidet im EEA-Urteil schlecht ab. Lediglich 14 Prozent des durch die Stadtwerke in Konstanz vertriebenen Stroms werden als erneuerbar eingestuft. Dies entspricht der Kritik vieler Umweltschützer:innen, die – wie auch seemoz – immer wieder darauf hinweisen, dass ein „Ökostrom“, der diesen Status lediglich erreicht, in dem er Ökostromzertifikate aus längst abgeschriebenen Wasserkraftanlagen zukauft, nichts zur Energiewende beiträgt und damit bloß Augenwischerei ist.
Hinderliches Greenwashing
Lediglich der von den Stadtwerken vertriebene Ökostrom Plus, von dem ein Cent pro Kilowattstunde in den Ausbau erneuerbarer Energien geht, wird vom EEA als Ökostrom anerkannt. 50 Prozent der erreichbaren Punkte hätte die Stadt in dieser Kategorie erreichen können, wenn 28 Prozent des verkauften Stroms erneuerbarer Strom wäre. Ein Ergebnis, dass vermutlich deutlich leichter erreichbar wäre, wenn die Stadtwerke endlich ein ehrliches Marketing betreiben würden, anstatt jeden Strom pauschal als Ökostrom zu vermarkten.
Einen anderen Vergleich bietet der PV-Ausbau: Wie viel erneuerbarer Strom wird tatsächlich vor Ort, also innerhalb der Gemarkung Konstanz, produziert? In ihrer Klimaschutzstrategie hat sich die Stadt das Ziel gesetzt, bis 2035 die Hälfte des lokal verbrauchten Stroms auch lokal zu erzeugen. Aktuell sind es elf Prozent.
Stark schneidet die Stadt hingegen beim Sorgenkind der deutschen Umweltpolitik ab – in der Verkehrswende. Wer die Debatten der letzten Jahre über die Reduktion des Busverkehrs, den immer noch nicht autofreien Stephansplatz oder die extrem zögerliche Ausweitung des Parkraummanagements verfolgt hat, wird diese Bilanz überraschen.
Der Grund für das gute Abschneiden liegt im geringen Pkw-Anteil bei Fahrten innerhalb von Konstanz. Rund ein Fünftel der Wege von Konstanz nach Konstanz werden mit dem Auto zurückgelegt. Wobei hier die große Frage ist: Sollte es in einer Schwarmstadt wie Konstanz wirklich entscheidend sein, wie viele Wege innerhalb der Stadtgrenzen mit dem Auto zurückgelegt werden?
Immer noch freiwillig
Was ist das Fazit? Zum einen: Der European Energy Award ist und bleibt ein intransparentes Controllinginstrument, das nur mit sehr viel Vorsicht genutzt werden sollte. Auch das Aushängeschild dieses Instruments – die Vergleichbarkeit mit anderen Kommunen – ist aktuell nicht gewährleistet, da einige Städte noch nach der alten Methodik bewertet sind.
Außerdem wurde wieder einmal bestätigt: Die Klimaschutzfinanzierung in Städten ist schlecht, da Klimaschutz, wie Tina Götsch betonte, „keine kommunale Pflichtaufgabe“ ist. Kommunaler Klimaschutz basiert also – im Unterschied zu Pflichtaufgaben wie der Abfallentsorgung – auf Freiwilligkeit. Aus diesem Grund forderte Fridays for Future Baden-Württemberg bereits vor zwei Jahren anlässlich der Novellierung des Landesklimaschutzgesetzes, dass Klimaschutz zur Pflichtaufgabe wird.
Für Konstanz bestätigte die EEA-Auditierung das bekannte Bild. Überall dort, wo Klimaschutz mit wenig Geld und Freiwilligkeit zu machen ist, wie bei Förderprogrammen oder dem Erstellen von Berichten, steht Konstanz ganz gut da. Überall dort, wo es tatsächlich darum geht, mutige, richtungsweisende Entscheidungen zu treffen und wirklich Emissionen zu reduzieren, passiert viel zu wenig.
Text: Manuel Oestringer
Fotos: Pit Wuhrer
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