Auch wenn es die Massenmedien nicht mehr vermelden: In Gaza sterben weiterhin jeden Tag viele Menschen. Dagegen – und gegen Waffenlieferungen an Israel – haben sich nun europäische Umweltorganisationen ausgesprochen. Sie kritisieren auch die zivilgesellschaftlichen Einschränkungen hierzulande. In einem Land jedoch schweigen die Klimaschützer:innen.
In einer gemeinsamen Erklärung solidarisieren sich 17 europäische Klimaschutzgruppen – darunter Greenpeace UK und Frankreich, 350.org, die englischsprachigen Organisationen von Friends of the Earth sowie Attac – mit den Student:innenprotesten gegen die Kriegsverbrechen in Gaza. In ihrem Statement verurteilen sie auch die massive Repression gegen Demonstrant:innen und betonen die Zusammenhänge zwischen den Zerstörungen in Gaza und der Klimakrise.
Zudem weisen wie darauf hin, dass dieselben Finanzinstitutionen, die aus Profitgründen den Klimakollaps vorantreiben und in der Vergangenheit Ziel von Protesten waren, nun auch von der Zertrümmerung Gazas profitieren. Und dass die aktuellen Student:innenproteste an diese Geschichte anknüpfen, weil sie die Zusammenhänge zwischen der Zerstörung des Klimas und der Zerstörung Gazas benennen.
Mehr staatliche Repression
So heißt es in der Erklärung unter anderem: „Seit dem Massaker vom 7. Oktober sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 34.500 Menschen in Gaza getötet worden. Internationale Institutionen, darunter der Internationale Gerichtshof, haben begründete Anhaltspunkte für einen Völkermord und die Gefahr eines solchen anerkannt.“
Als Organisationen, Einzelpersonen und Aktivist:innen, die sich für Klimagerechtigkeit und eine gerechtere Welt einsetzen, solidarisieren sich die Unterzeichnenden „mit den gewaltfreien Studierendenprotesten, mit den Menschen in Gaza und Palästina und mit all jenen, die durch die anhaltende Gewalt Angehörige verloren haben oder zu verlieren drohen“.
Sie fordern daher „einen sofortigen Waffenstillstand, ein Ende der Besatzung im Einklang mit den UN-Resolutionen, ein Ende der Waffenexporte an die israelische Regierung und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, damit alle Menschen überall in Freiheit und Sicherheit leben können“.
Besonders scharf kritisieren die Klimaschützer:innen das Vorgehen auch westlicher Staaten: Polizei und private Sicherheitskräfte würden mit gewaltsamen Übergriffen versuchen, „die Stimmen für Frieden und Gerechtigkeit zum Schweigen zu bringen“. Regierungen in ganz Europa, so die Erklärung, „ergreifen Maßnahmen, um Proteste zu kriminalisieren und zivilgesellschaftliche Räume, in denen Druck auf die Entscheidungsträger*innen ausgeübt wird, zu verbieten.“
Wer für die Katastrophen verantwortlich ist
Und weiter heißt es: „Antirassistische und migrantische Bewegungen machen seit langem Erfahrungen mit staatlicher Repression, die in jüngster Zeit auch die Klimabewegung in Deutschland zu spüren bekommt. Präventive Verhaftungen, verstärkte Überwachung, härtere Strafen und eine gefährliche Rhetorik, die die Gesellschaft weiter spaltet, haben das Risiko von Protesten deutlich erhöht.“
Dabei stellten diese den Zusammenhang zwischen Klima und Krieg her. Indem sie beispielsweise die Universitäten auffordern, „sich von klimazerstörenden fossilen Brennstoffen zu trennen, ebenso wie von Waffenherstellern, die große Zerstörungen anrichten – und damit von Gewalt in all ihren Formen.“
Und nicht nur das. „Dieselben Finanzinstitute, bei denen die Universitäten ihre Bankgeschäfte haben oder über die sie investieren, sind auch verantwortlich für die Finanzierung von Drohnen und Waffen, die Tausende von Zivilist*innen in Gaza und im Westjordanland getötet haben. Sie sind auch verantwortlich für die Öl- und Gasförderung, die die Umweltkatastrophe verschlimmert, der die Palästinenser*innen durch den Krieg ausgesetzt sind.“
Keine deutschen Unterzeichner:innen
Mit ihrer Besorgnis über die teils erheblichen Einschränkungen der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind die Klimaschützer:innen nicht allein. So hat die NGO Civicus im Dezember den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft in Deutschland erstmals von „offen“ auf „beeinträchtigt“ herabgestuft. Die Organisation erwähnt dabei ausdrücklich das Vorgehen gegen die Klimaschützer:innen der Letzten Generation, gegen die Lützerath-Proteste und gegen die Palästina-Solidaritätsproteste.
Auch Amnesty International hat kürzlich in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es in Deutschland in den letzten Monaten zu unverhältnismäßigen Einschränkungen des Menschenrechts auf Demonstration gekommen ist.
Auffällig am Brief der Klimaschutzgruppen ist, dass die Solidarität vor allem von außerhalb Deutschlands kommt. So unterzeichneten die französischen und britischen Greenpeace-Verbände die Stellungnahme, Greenpeace Deutschland aber fehlt. Gleiches gilt für die Gruppe Friends of the Earth, zu der auch der BUND Deutschland gehört. Friends of the Earth England, Wales, Nordirland und Schottland haben die Stellungnahme unterschrieben, die deutsche Sektion – der BUND – hingegen nicht.
Der zweitgrößte Waffenlieferant
Ebenso fehlen die als Beispiele für erfolgreiche Proteste der letzten Jahre genannten Fridays for Future und End Fossil Occupy. Bis auf wenige Ausnahmen (wie die – nicht-weißen – BiPOC-for-Future-Gruppen) beteiligen sie sich auch nicht an Aktionen gegen den aktuellen Völkermord.
Dass aus Deutschland keine Unterstützung kommt, ist schade. Schließlich findet auch hierzulande Repression statt. Und nach einem Bericht des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI ist Deutschland der zweitgrößte Waffenexporteur nach Israel. Es wäre also bitter nötig, dass sich mehr zivilgesellschaftliche und klimaengagierte Gruppen zu Wort melden.
Immerhin haben bereits im April 37 zivilgesellschaftliche Gruppen, darunter Oxfam, Amnesty International Deutschland und Terre des Hommes, die Bundesregierung aufgefordert, keine Waffen an Israel zu liefern, die in Gaza eingesetzt werden könnten.
Text: Manuel Oestringer von der Konstanzer Gruppe „Rettet Gaza“
Fotos: Pit Wuhrer. Die Bilder zeigen Amnesty-international-Vertreter:innen bei einer Gaza-Demo in Barcelona Mitte Mai (oben) und eine Aktion während einer Gaza-Mahnwache Anfang Februar in Konstanz (unten).
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