Fff Mahnwache Rathaus Konstanz 20 05 02 ©fff Konstanz

Klimanotstand (3): Wo der Wille fehlt

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Fff Mahnwache Rathaus Konstanz 20 05 02 ©fff Konstanz
FFF-Aktion am 2. Mai 2020: Nach einem Jahr Klimanotstand gab es erste Warnungen

Löbliche Vorhaben, aber miserable Praxis – das ist das Zwischenergebnis unserer Serie zum Klimanotstand, den die Stadt Konstanz heute vor fünf Jahren ausgerufen hat. Immerhin: Bei den Wärmenetzen scheint es voranzugehen. Aber wie sieht es mit dem PV-Ausbau aus? Und mit dem Lieblingsaufregerthema aller Fossilist:innen?

Es gibt durchaus Ideen, Windräder auf dem Bodanrück oder dem Schienerberg zu errichten. Insgesamt sind die Windkraft-Potenziale im Landkreis jedoch gering, weshalb die Konstanzer Energiewende primär PV-getrieben sein wird. Die Klimaschutzstrategie sieht vor, insgesamt 150 Megawatt Peak (MWp) – die Hälfte unseres heutigen Strombedarfs – lokal durch Photovoltaik (PV) zu decken. Eine große Aufgabe. Und doch reicht es nicht. Denn durch Sektorenkopplung wird sich der zukünftige Strombedarf noch um 50 bis 100 Prozent erhöhen.

Von den 150 MWp können etwa zwei Drittel, also 100 MWp, durch PV-Anlagen auf den Dächern erbracht werden. Das verbleibende Drittel decken – so sieht es die Planung vor – Freiflächen-PV-Anlagen und Solarpaneele auf überdachten Parkplätzen.

Ein Paradies voller Solaranlagen

Freiflächen-Solaranlagen benötigen für 50 MWp etwa 50 Hektar Fläche. Der Stadtteil Paradies umfasst eine Fläche von 63 Hektar. Das bedeutet grob gesagt: Um die Ziele der Klimaschutzstrategie zu erreichen, müssen auf den meisten Dächern PV-Anlagen gesetzt und dazu ein Paradies voller Solaranlagen errichtet werden.

Auch wenn der Blick vom Münster auf die Dächer der Stadt nicht vermuten lässt, dass wir unser Ziel erreichen: Es tut sich was. So ist der PV-Sektor der Bereich mit den größten Fortschritten.

Der bundesweite Boom hat inzwischen auch Konstanz erreicht. 2023 stieg die Kapazität von etwa 2 auf knapp 6 MWp. Dies ist jedoch immer noch deutlich weniger als die ursprünglich anvisierten 10 MWp – und selbst die genügen aufgrund bisheriger Versäumnisse inzwischen nicht mehr.

Das Wachstum geht zurück

Bundesweit wird erwartet, dass der jährliche PV-Ausbau einerseits weiter wächst, andererseits aber das Wachstum in den kommenden Jahren deutlich nachlässt. Schafft Konstanz bis 2035 das selbst gesteckte Ziel von 150 MWp? Das erscheint zum aktuellen Zeitpunkt fragwürdig.

In jedem Fall werden Freiflächen benötigt. Eine kürzlich erschienene PV-Freiflächenpotenzialanalyse hat im erweiterten Stadtgebiet 137 Hektar untersucht, die potenziell geeignet wären; davon sind 79 Hektar in städtischem Besitz.

Es gibt also grundsätzlich genügend Platz, auch wenn keine dieser untersuchten Flächen konfliktfrei ist. Immerhin hat der Gemeinderat beschlossen, das Projekt einer 12 Hektar großen PV-Überbauung beim Wertstoffhof Dorfweiher hinter Wollmatingen weiterzuverfolgen.

Wo bleibt die Verkehrswende?

Notgedrungen ambitioniert ist die Konstanzer Klimaschutzstrategie auch beim Verkehr. Bis 2035 soll der Pkw-Verkehr im Stadtgebiet halbiert werden, parallel dazu wird eine Verdoppelung der Verkehrsleistung im öffentlichen Personennahverkehr angestrebt. Wichtigstes Controllingziel für die Halbierung des PKW-Verkehrs ist das ebenfalls ausformulierte Ziel, die Gesamtmenge an Autos in etwa zu halbieren, wobei dann zwei Drittel der Autos elektrisch sein sollen. 

Diesem Ziel kommt die Stadt aktuell nicht näher. Im Gegenteil, die Gesamtzahl an Autos in der Stadt hat von 2019 bis 2022 um knapp 800 Autos auf etwa 37.000 Fahrzeuge zugenommen. Im Jahr 2022 lag die Pkw-Anzahl zwar erstmals leicht unter der des Vorjahrs – aber stellt dies tatsächlich eine Trendwende dar? Oder sieht die Statistik nur wegen verzögerter Ummeldungen so gut aus? Daten für das Jahr 2023 existieren noch nicht öffentlich.

Häufig wird statt der Pkw-Anzahl die Pkw-Dichte angegeben, also die Anzahl an Personenkraftwagen pro 1000 Einwohner:innen. Hier können wir sehen, wie sich Konstanz im Vergleich zu europäischen Vorreiterstädten schlägt – und vor allem lernen, was die anders machen.

Wiener Strategien und holländische Dichte

In Konstanz stieg die Pkw-Dichte von 421 Autos auf 1000 Einwohner:innen im Jahr 2019 auf 433 im Jahr 2021 an. 2022 sank sie auf 425 ab. Das erklärte Ziel ist es, diese Dichte bis 2035 auf 212 Autos zu reduzieren. 

Ein Vergleich mit der Stadt Wien zeigt, wie es besser laufen könnte. Dort gelang es der Stadtverwaltung, den Auto-Anteil am Stadtverkehr zwischen 2010 und 2019 von 31 Prozent auf 25 Prozent zu senken. Gleichzeitig sank die Pkw-Dichte um fünf Prozent.

Erreicht hat Österreichs Hauptstadt dies durch einen deutlichen Ausbau des ÖPNV, die Einführung des 365-Euro-Tickets (365 Euro im Jahr!), die Umsetzung eines flächendeckenden Parkraummanagements und die schrittweise Anhebung der Parkpreise für das Bewohnerparken auf 120 Euro im Jahr.

Konstanz hat die Anwohner:innen-Parkpreise mittlerweile auf 150 Euro im Jahr erhöht. Dies ist jedoch noch immer weit von den anvisierten 600 Euro der Klimaschutzstrategie entfernt. Außerdem, und das ist entscheidend: Das Anwohnerparken ist auf relativ kleine städtische Bereiche beschränkt. Ziel müsste hier ein möglichst flächendeckendes Parkraummanagement sein. 

Die Stadt Amsterdam hingegen hat das Konstanzer Ziel schon fast erreicht. 2019 zählte die Stadt eine Dichte von 230 Autos auf 1000 Einwohner:innen.

Was hat Amsterdam anders gemacht? Die Maßnahmen klingen bekannt: Parkplätze entfernt, Fahrradstraßen ausgebaut, den ÖPNV erweitert. Dabei ist Amsterdam nicht das Maß aller Dinge – auch hier werden häufig falsche Entscheidungen getroffen. So hat die Kommune zwar im großen Stil Straßenstellplätze entfernt, doch wurden diese häufig nur in Tiefgaragen verlegt. Es gibt also auch in Amsterdam noch Luft nach oben.

Bedenkenloser Gemeinderat

Ganz überraschend ist es letztendlich nicht, dass sich Konstanz mit einer konstant wachsenden Pkw-Menge in den bundesweiten Trend einreiht: Es wurden ja bisher kaum Maßnahmen beschlossen, die eine städtische Verkehrswende hätten voranbringen können.

So musste der Busverkehr zuletzt wegen Fahrer:innenmangel reduziert werden. Und der Stephansplatz ist auch fünf Jahre nach dem Klimanotstand noch nicht autofrei. Selbst wenn sich das womöglich bald ändert, zeigt das Beispiel, was alles schiefläuft bei der städtischen Parkplatzpolitik:

Erst wird viele Jahre diskutiert, ohne auch nur die geringsten Maßnahmen umzusetzen, und wenn dann doch etwas passiert, ist es fürs Klima vollkommen bedeutungslos. Denn der Grund, warum der Stephansplatz jetzt vielleicht teilweise autofrei werden könnte, liegt darin, dass der Busbahnhof vom Döbeleplatz wegverlegt wurde und die Parkplätze vom Stephansplatz dorthin wandern können. 

Das heißt wieder einmal: keine Reduktion der Gesamtmenge der Parkplätze. Der fehlende politische Wille zeigt sich am besten in der Gemeinderatsresolution 2020-0642/1. Diese besagt, dass alle linksrheinisch wegfallenden Parkplätze zu 100 Prozent ersetzt werden müssen. Ganz im Widerspruch zur Klimaschutzstrategie. 

Enge Köpfe, enge Wege

Selbst im Bereich Fahrradverkehr sind kaum Erfolge vorzuzeigen. Vor einem Jahr hatte ich mir einmal die Mühe gemacht, alle Fortschritte im Bereich Fahrradfahren in der Stadt zusammenzutragen. Ergebnis: Der größte Fortschritt besteht in einer Verlängerung der Fahrradstraße um wenige hundert Meter zum Döbeleplatz sowie in der Fahrradstraße von der Bodensee-Therme zum Hörnle. 

Das sind gute Maßnahmen, aber als Bilanz eines seit fünf Jahren höchst prioritären Notstands sehr enttäuschend. Gefährliche und nervige Fahrradecken wurden kaum angegangen. Und wo man durch Baumaßnahmen die Chance hatte, das Stadtbild zu verändern, wurde diese nicht ergriffen. Stichwort alte Rheinbrücke und Sternenplatz: Beide wurden direkt nach dem Klimanotstand saniert und haben genauso enge Fahrradwege wie vor der Sanierung.

Alles in allem zeigt sich ein sehr ernüchterndes Bild der Konstanzer Verkehrswende. Positiv bleiben da neben den überschaubaren Fortschritten im Radverkehrsnetz eigentlich nur das bundesweit eingeführte Deutschlandticket sowie das Vorhaben, irgendwann demnächst einen Mobilitätspass einzuführen.

Zu viele Sorgenkinder

Wo stehen wir also fünf Jahren nach dem Klimanotstand? Mit dessen Ausrufung haben die Stadt beziehungsweise die im Gemeinderat sitzenden Rät:innen ihren Anspruch formuliert, europaweit ein Beispiel für Klimaschutz zu sein. Diesem Anspruch sind sie nicht gerecht geworden.

Es gibt zwar eine Klimaschutzstrategie und regelmäßige Berichte, auch kleinere CO2-Reduktionen – doch die Stadt ist weit davon entfernt, auch nur in die Nähe ihrer selbstgesteckten Ziele zu kommen. So wurden im Bereich Sanierung vor allem Sanierungsfahrpläne erstellt, diese jedoch nicht eingehalten.

Nach längerem Schlingern steht jetzt eine Wärmeplanung, und die Stadtwerke haben bekannt gemacht, in welchen Gebieten und mit welchem Zeithorizont sie Wärmenetze bauen wollen. Auch Uni und HTWG bewegen sich in die richtige Richtung.

Beim Strom ist trotz einer Steigerung des PV-Ausbaus erst etwa die Hälfte dessen erreicht, was angestrebt war. Es gibt erhebliche Zweifel daran, dass das Ziel von 150 MWp bis 2035 erreicht wird.

Der Verkehr bleibt in Konstanz – wie auch bundesweit – das Sorgenkind. Hier trifft eine wachsende Pkw-Flotte auf ein eingeschränktes Busangebot, gekoppelt mit dem fehlenden politischen Willen, Maßnahmen zu beschließen, die die Stadt für Autofahrer:innen ungemütlicher machen würden.

Momentan deutet nichts darauf hin, dass die Stadt ihre Ziele erreichen wird. Es wird also weiterhin Druck von unten brauchen.

Fuenfjahreklimanotstand

Text: Manuel Oestringer (FFF Konstanz) von der seemoz-Klima-Redaktion
Fotos/Illustrationen: FFF Konstanz, Pit Wuhrer, Stadt Konstanz

Bisher erschienen:

29.04.2024 | Fünf Jahre Klimanotstand in Konstanz: Eine Bilanz (1)
30.04.2024 | Klimanotstand (2): Planung gut, Umsetzung mangelhaft

3 Kommentare

  1. Wolfgang Daub

    // am:

    Ja, wie Herr Braun richtig bemerkt, darf es nicht sein, landwirtschaftlichen Grund für PV zu opfern! Es gibt genug andere Flächen! Und wir brauchen nicht nur Strom sondern auch Wärme, beides moglichst günstig für die Verbraucher! Einfache Sonnenkollektoren wurden bereits vor 50 Jahren gebaut! Alles keine Raketenwissenschaft! Aber offenbar ist der Einfluss aus Rot-China hierzulande immer noch (zu) groß !? Wird darum soviel PV ungehindert nach Europa geliefert?

  2. Gunder Haschker

    // am:

    Danke für die neue Wortschöpfung! Also wer z. B. Rentner ist, mit Gas heizt (mangels Alternative bzw. weil er sich eine Wärmepumpe nicht leisten kann), einen Verbrenner fährt, vielleicht sogar noch dem Fleischgenuss huldigt, der ist also ein „Fossilist“! Wow, interessant wäre zu erfahren, was die „Anderen“ sind und wie groß der „Fossilistenanteil“ in der Bevölkerung ist…

  3. Ralph R. Braun

    // am:

    „Es gibt also grundsätzlich genügend Platz“ für Freiflächen-PV-Anlagen? Wirklich? So wie die Stadtwerke es sich in ihrer Potentialanalyse denken, nämlich möglichst billig auf bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen, sollte es nicht geschehen. Erst die Dächer (auch der WOBAK!), dann die Verkehrsflächen (Straßen, Parkplätze, Haltestellen) und zuletzt die Landschaft. Und diese so, dass eine landwirtschaftliche Nutzung weiter möglich ist, wozu es genug etablierte Modelle gibt (z.B. PV-Anlagen als Hagelschutz über Apfelplantagen).

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