Die extrem rechte Alternative für Deutschland (AfD) inszeniert sich seit etwa einem Jahr immer vehementer als Friedenspartei – ja zum Teil sogar als die vermeintlich einzige Friedenspartei. Warum die AfD aber alles andere ist als eine Friedenspartei, verdeutlicht dieser Debattenbeitrag.
So schreibt etwa der AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen auf seiner Homepage: „Die AfD ist die einzige Partei im Bundestag, die sich für Frieden einsetzt und ein Konzept vorgelegt hat, wie er zu erreichen ist und was Deutschland dazu beitragen kann.“ [1]
AfD für Aufrüstung
Selbstvergewisserung für die Rolle als vermeintliche Friedenspartei zieht die AfD dabei v.a. daraus, dass sie Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland kritisiert. Was sie hingegen nicht kritisiert: die für die BRD beispiellose Aufrüstung, die aktuell im Gange ist. In dieser Frage ist die AfD gespalten. Bei der Abstimmung über das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für die Bundeswehr Anfang Juni 2022 stimmten 33 AfD-Abgeordnete mit Ja, 35 mit Nein, bei sechs Enthaltungen. Eine klare Kritik an Aufrüstung ist von der AfD nicht zu erwarten. In ihrem Parteiprogramm fordert sie unter dem Punkt „Bundeswehr stärken“ eine Aufrüstung der Bundeswehr, da diese angeblich „nur noch bedingt einsatzbereit“ sei. [2] Damit beteiligt sie sich an dem Märchen der vermeintlich „kaputt gesparten Bundeswehr“, das ansonsten vor allem von der Rüstungsindustrie und allen etablierten Parteien außer der Linken erzählt wird.
AfD braucht das Militär
Eine grundlegende Kritik des Militarismus oder der Bundeswehr sucht man in den Verlautbarungen der AfD vergeblich. Dies ist nicht verwunderlich. Eine beinahe symbiotische Beziehung mit dem Militär ist ein wesentliches Kennzeichen des Faschismus. So beinhalten faschistische Fantasien das Militär als Garant für den Machterhalt, als Instrument zur imperialen Ausdehnung, als Vorbild zur Strukturierung von Partei und Gesellschaft sowie als Ästhetik, die sich in militaristischen Massenaufmärschen ausdrückt.
Der AfD geht es nicht um Antimilitarismus und auch nicht darum, die Durchsetzung nationaler Interessen durch Waffengewalt grundsätzlich zu verurteilen. Auch bei der Mandatierung von Bundeswehreinsätzen kritisierte die AfD diese nie grundsätzlich; vielmehr lautete die Kritik in aller Regel, dass die Einsätze nicht dem nationalen Interesse dienen würden. In ihrem Parteiprogramm schreibt die AfD, sie befürworte Auslandseinsätze „nur, wenn deutsche Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden“. [3] Eine grundlegende Kritik an Auslandseinsätzen der Bundeswehr leistet die AfD nicht.
Soldatenpartei
Das hat seine Gründe. Schon seit ihrer Gründung stellte sich die AfD als selbsternannte „Soldatenpartei“ [4] dar. In den ersten 18 Monaten im Bundestag stellte die AfD 40 Anfragen mit Bezug zur Bundeswehr und forderte regelmäßig eine Aufrüstung des Militärs. Schätzungen zufolge waren 2019 von den 35.000 AfD-Mitgliedern 2.100 Berufssoldat*innen. Auch unter den Funktionsträger*innen der AfD finden sich auffällig viele ehemalige und aktive Soldat*innen. [5] Der ehemalige Landesvorsitzende der AfD in Brandenburg, Andreas Kalbitz, war vor seiner (mittlerweile vorerst beendeten) politischen Karriere Ausbilder der Fallschirmjäger in Altenstadt. [6] Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte war ebenfalls Berufssoldat. Für die AfD sitzt er seit 2017 im Verteidigungsausschuss. Auch der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Peter Felser war früher Offizier und unter anderem im Auslandseinsatz in Bosnien eingesetzt – gemeinsam mit dem rechtsintellektuellen Strippenzieher Götz Kubitschek, der der AfD ebenfalls sehr nahe steht und als ihr Vordenker gilt. [7]
AfD und Bundeswehr entstammen also dem selben Milieu. Außerdem ist es Teil einer rechten Strategie, Soldat*innen als Teil des Gewaltmonopols auf die eigene Seite zu ziehen – zum Teil verbunden mit Aufrufen zum Umsturz. Bereits 2015, auf dem Höhepunkt des langen Sommers der Migration, rief der Herausgeber des extrem rechten Compact-Magazins Jürgen Elsässer deutsche Soldat*innen auf, zu den Waffen zu greifen und „selbst aktiv“ zu werden: „Wartet nicht auf Befehle von oben! Diskutiert die Lage mit Euren Kameraden und werdet selbst aktiv! Nur Ihr habt jetzt noch die Machtmittel, die von der Kanzlerin befohlene Selbstzerstörung zu stoppen.“ [8] Auch der AfD-Hardliner Björn Höcke betrachtet Teile von Militär, Polizei und Verwaltung als wichtigen Bestandteil seiner neofaschistischen Revolutionsfantasien. Im von ihm verfassten Buch „Nie zweimal in denselben Fluß“ beschreibt der Neonazi, wie dies gelingen solle: Neben den zwei „Fronten“ auf der Straße und im Parlament (gemeint ist die AfD) sei auch noch eine dritte „Front“ wichtig, um das System zu stürzen. Diese bestehe aus „frustrierten Teilen des Staats- und Sicherheitsapparates“. [9] Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass Teile der AfD immer wieder die Nähe zu rechten Soldat*innen unter Terrorverdacht suchten. [10]
Bekenntnis zur NATO
In ihrem Parteiprogramm bekennt sich die AfD klar zur NATO. Diese entspreche „den außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands“. [11] Sie befürwortet auch die deutsche Aufrüstung im Rahmen der NATO, „um auf diesem Weg mehr Gestaltungsmacht und Einfluss zu entfalten.“
Hier lassen sich jedoch Spaltungslinien innerhalb der AfD ausmachen. Bei der Europawahlversammlung im Juli 2023 forderten sieben AfD-Landesvorsitzende, unter ihnen Björn Höcke, eine Abkehr von der NATO, die von ihnen als vermeintlicher „Schutzschirm eines fernen Hegemons“ bezeichnet wurde. [12] Der Antrag wurde deutlich abgeschwächt. In der Präambel des Europawahlprogramms steht nun: „Jegliche Dominanz außereuropäischer Großmächte in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik lehnen wir ab.“ [13] Die europäischen Staaten sollten stattdessen aufrüsten, um ohne die USA wehrhaft zu sein. [14]
Nähe zu Putins Russland?
Konsequenter Antimilitarismus (oder gar Pazifismus) scheint also nicht die Motivation der AfD zu sein, gegen Waffenlieferungen in die Ukraine zu stimmen. Vielmehr scheint die Motivation aus einer gewissen Sympathie für Putins Russland erklärbar, die zumindest in Teilen der AfD vorherrscht. Das Thema ist jedoch innerhalb der radikalen Rechten in Deutschland sehr umstritten. Während die Neonazi-Kleinpartei „Der III. Weg“ mit der Ukraine sympathisiert, [15] scheint sich innerhalb der AfD der pro-russische Flügel durchgesetzt zu haben. Die Sympathie dürfte nicht nur aus der autokratischen Staatsform Russlands, sondern auch aus der homophoben Politik Putins begründet sein. So lobte Hans-Thomas Tillschneider, der für die AfD im Landtag Sachsen-Anhalt sitzt, in Russland „eine in der Tradition verwurzelte Lebensweise, die sich mehr und mehr als Gegenentwurf zur traditions-, identitäts- und geschlechtslosen Regenbogengesellschaft des Westens begreift.“ [16] Den Westen hingegen sieht er als „Regenbogenimperium“, gegen das Russland und die AfD gemeinsam kämpfen würden. Auch für Björn Höcke ist Russland der „natürliche Partner unserer Arbeits- und Lebensweise“. Auch er sieht eine Dichotomie zwischen einem angeblichen „Regenbogenimperium“ einerseits und dem „traditionellen Osten“ andererseits. Seine Sympathie liege in dieser Frage klar bei Russland. [17]
Kein Frieden mit der AfD!
Insgesamt lässt sich die Selbstdarstellung der AfD als Friedenspartei als durchschaubarer Versuch entlarven, aus der allgemeinen Kriegsstimmung in der Bundesrepublik Kapital zu schlagen. Mit der tatsächlichen Programmatik hat diese Selbstdarstellung wenig zu tun: Die AfD steht für Aufrüstung, Militarismus, Nähe zum Militär, Kontakte zu rechten Netzwerken in der Bundeswehr, ein Bekenntnis zur NATO, das nur durch latenten Antiamerikanismus relativiert wird, und Sympathie mit dem russischen Angriffskrieg. Genau hier muss auch die antimilitaristische Kritik an der Darstellung der AfD als vermeintliche Friedenspartei ansetzen. Die AfD muss genauso als Kriegstreiber-Partei benannt werden wie CDU, FDP, SPD und Grüne auch.
Generell fällt auf, dass die AfD in wesentlichen Fragen, wie z.B. dem 100-Milliarden-Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr oder dem Bekenntnis zur NATO gespalten ist. Durch Kritik und ein Aufzeigen dieser Widersprüche von antimilitaristischer Seite könnten sich diese Spaltungslinien innerhalb der AfD bestenfalls verstetigen.
Auch wenn es selbstverständlich sein sollte: Die AfD hat auf Demonstrationen für Frieden nichts zu suchen. Dasselbe gilt für andere rechte Kräfte. Es ist die Aufgabe linker Kräfte in der Friedensbewegung, die AfD und ihre Vorfeldorganisationen konsequent aus Friedensbündnissen zu verdrängen.
Anmerkungen:
[1] AfD NRW: Die AfD ist die Friedenspartei! 2023.
[2] Programm für Deutschland. Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland. S.31.
[3] Ebd., S.30.
[4] Maria Fiedler: Truppen sammeln. Die AfD als selbsternannte Soldaten-Partei. In: Heike Kleffner, Mathias Meisner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz. 2019.
[5] Ebd.
[6] RND: Die rechtsradikale “Kreuz”-Connection und die Bundeswehr. 23.1.2020.
[7] Maria Fiedler: Truppen sammeln. Die AfD als selbsternannte Soldaten-Partei. In: Heike Kleffner, Mathias Meisner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz. 2019.
[8] IMI-Standpunkt 2018/011. Lucius Teidelbaum: Die AfD im Verteidigungsausschuss: Einige kritische Portraits. 4.4.2018.
[9] Der rechte Rand. Cihan Balikçi: Der rechte Marsch durch die Institutionen. 2020.
[10] Vgl. Luca Heyer: AfD in rechten Netzwerken. Politischer Arm des Rechtsterrorismus? In: Informationsstelle Militarisierung (Hrsg.): Keine Einzelfälle. Wie der Staat mit rechten Soldat*innen und ihren Netzwerken umgeht. 2022.
[11] Programm für Deutschland. Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland. S.30.
[12] Welt: AfD diskutiert über Loslösung Deutschlands von der Nato. 14.7.2023.
[13] Merkur: Europawahlprogramm: AfD will radikale Abkehr von der EU und Neugründung. 7.8.2023.
[14] Ebd.
[15] Deutsche Welle: Ukraine-Krieg spaltet Rechtsextreme. 3.4.2022.
[16] Neues Deutschland: Ist die AfD wirklich eine Friedenspartei? 21.2.2023.
[17] Ebd.
Text: Alexander Kleiß. Sein Beitrag erschien zuerst auf: https://www.imi-online.de
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