Vor gut zwei Jahren auch überregional mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet, gab das Konstanzer Online-Magazin „Karla“ Ende 2023 schon wieder auf. Kurz darauf formierte sich eine neue Redaktion, um einen weiteren Anlauf zu starten. Das Ziel lautete immer noch: Neuer Lokaljournalismus für Konstanz. Doch auch der zweite Versuch ist wohl eher zum Scheitern verurteilt. Eine kritische Bestandsaufnahme.
Anfang 2024 war man noch optimistisch, denn die Deutsche Postcode Lotterie förderte „Karla“ mit satten 100.000 Euro. Bereits ein Jahr zuvor profitierte man von Förderungen mehrerer Stiftungen, freute sich zu Recht über rund 900 Abos, private SpenderInnen spülten ca. 200.000 Euro zusätzlich in die Kasse. Ganz genau lässt sich nicht sagen, wieviel Gelder insgesamt geflossen sind und wohin sie gingen, denn Quartalsberichte oder Jahresabschlüsse sind auf der Website von „Karla“ bis heute immer noch nicht zu finden. Warum eigentlich nicht?
Neues Modell, alte Ausreden
Die aktuelle Redaktion, bestehend aus Pauline Tillmann (Geschäftsführerin), Sophie Tichonenko (BürgerInnen-Redaktion) und Noah Gora (Community Management), zeigte sich hoffnungsvoll und erklärte: „Gemeinsam machen wir bei Karla Lokaljournalismus, der Lösungen aufzeigt, Hoffnung schafft und verschiedene Blickwinkel einbezieht“. Zudem öffnete man für die interessierten LeserInnen den Zugang zu „Karla“ und verzichtete auf die Bezahlschranke. Wer nun gedacht hatte, jetzt käme etwas frischerer Wind auf, wurde enttäuscht. Die wenigen Texte, drei oder vier pro Woche, waren selten aktuell und kaum etwas war zu finden, was man nicht schon vorher im „Südkurier“ oder auch auf „seemoz“ lesen konnte.
Die wichtigen Kommunalwahlen im Frühjahr gerieten zum Randthema, wie vieles andere auch und von einem neuen Journalismus, um „den Mächtigen kritisch auf die Finger [zu] schauen“, war kaum etwas zu entdecken. Auch die durchaus löbliche Idee einer wöchentlichen offenen Sprechstunde, über die man versuchte, BürgerInnen in die Redaktionsarbeit einzubinden, war nicht von Erfolg begleitet. Innerhalb von sechs Monaten (!) sollen so vier veröffentlichte Artikel erschienen sein. Eine mehr als magere Ausbeute, für die sich der Aufwand kaum lohnt.
Auch das anfängliche Interesse an „Karla“ bröckelte und vermehrt war die Frage zu hören, warum die dreiköpfige Redaktion es trotz ihrer passablen finanziellen Ausstattung nicht schafft, interessante Themen anzubieten. Die redaktionelle Erklärung, mit nur drei Teilzeitkräften könne man nicht „investigativ recherchieren“ und „Beschlussvorlagen im Gemeinderat adäquat abbilden“, ist nahezu hanebüchen, denn die jeweiligen Unterlagen sind frühzeitig über die Stadtseite einzusehen. Wer also ernsthaft „neuen Lokaljournalismus“ betreiben möchte, muss dahin gehen, wo die dementsprechenden kommunalpolitischen Entscheidungen auch getroffen werden – ins Rathaus. Aber dort war im vergangenen Jahr kaum jemand von der „Karla“-Redaktion zu sehen.
Weiter am Tropf der Stiftungen
Ende November brach dann Euphorie aus. „Wir gehören zu den zehn FinalistInnen des brandneuen Media Foward Fund“. Darüber sollten Stiftungsgelder in Höhe von 1,5 Millionen Euro auf maximal fünf Projekte bundesweit verteilt werden und „Karla“ hoffte auf 400.000 Euro. Wenige Tage später dann die Meldung: „Es hat nicht gereicht“. Da hub großes Wehklagen an. „Das tut weh“, war zu lesen, denn man habe „große Pläne“ gehabt, mit der erhofften Kohle jemanden zu finden, „der sich schwerpunktmäßig um die Kommunalpolitik in Konstanz kümmert“. Der Umkehrschluss kann also nur lauten: Da die Förderung ausbleibt, wird es wohl auch nichts mit der kommunalpolitischen Berichterstattung.
Nach einer längeren Schockpause dann die Idee, Mitglieder zu werben. Bis Jahresende 2024 sollten
300 Mitglieder davon überzeugt werden, monatlich mindestens sechs Euro abzudrücken und bis Ende
2026 träumt man derzeit sogar von 1200 Mitgliedern. Wer sich darauf einlässt, dürfe als Gegenleistung mit einem „speziell designeten Karla-Kalender“ rechnen „und einem coolen lila Jutebeutel obendrauf“. Und: „Wenn du daran glaubst, dass Demokratie in Konstanz gestärkt werden muss, dass wir mit Karla eine Alternative zum etablierten Lokaljournalismus bieten können, dann zeig es uns – um für Konstanz etwas Großes aufzubauen“. Zusätzlich ließ man wissen, dass erneut bei der Deutschen Postcode Lotterie ein Antrag auf Förderung über 100.000 Euro gestellt worden sei. Gut möglich, dass sich die bereits abgeschöpften Stiftungen langsam fragen, was speziell in Konstanz mit ihren Geldern passiert.
Wenn die Not am größten ist
Kurz vor Weihnachten war dann plötzlich nicht mehr von 300 gewünschten Mitgliedern die Rede, denn die wollten sich einfach nicht finden lassen, sondern nur noch von 200. „Damit“, so eine auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht fast schon abenteuerliche Mitteilung, „können wir unsere monatlichen laufenden Kosten decken“.
Tannenbäumlich beseelt bot die Redaktion einen meterlangen Text an, in dem „weise Weihnachtstipps von Konstanzer Omas“ angeboten wurden. Man habe investigativ im Seniorenbereich recherchiert und herausgefunden, „dass ein gutes Verhältnis zwischen Großeltern und Kindeskindern beiden Seiten gut tut“, damit es „unterm Tannenbaum nicht nur Zoff gibt“. Bis Silvester dann wurde die verbliebene Leserschaft nahezu täglich mit Mitgliederwerbung bombardiert. Darunter dieser fragwürdige Aufruf: „Du hast früher an das Rote Kreuz gespendet oder an Greenpeace? […] Du kannst das immer noch tun. Aber wäre es nicht viel besser, ein Konstanzer Projekt zu unterstützen?“
Nein, das wäre es nicht.
Text: H. Reile (Transparenzhinweis: Der Autor ist Mitbegründer von seemoz und Mitglied der Redaktion). Bild: screenshot von der Karla-Website.
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