Palästina (c) Dee Pixabay

Israel/Palästina: Axel Springer profitiert von illegalen Siedlungen

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Palästina (c) Dee Pixabay

Ein Bild-Bericht über ein geheimes Hamas-Dokument erweist sich als Desinformation. Doch während der Artikel in Israel Wellen schlägt, bleiben die fragwürdigen Verbindungen des Springer-Konzerns zu Benjamin Netanjahu in Deutschland weitgehend unbeachtet.

„Yad2 hilft Ihnen, eine Zukunft in Ihrem nächsten Zuhause in Israel zu bauen“: So wirbt die Onlineplattform des deutschen Axel-Springer-Konzerns. Yad2 vermarktet Immobilieninserate – auch in den besetzten Gebieten.

In Israel sorgte in den letzten Tagen ein Medienskandal für Aufsehen, der in Deutschland kaum Beachtung fand. Dabei war die größte deutsche Zeitung, die Bild, direkt beteiligt. Am 6. September hatte sie einen Exklusivbericht veröffentlicht, der angeblich die Inhalte eines geheimen Hamas-Dokuments enthüllte, das auf dem Computer des Hamas-Anführers Jahja Sinwar in Gaza gefunden worden sein soll. Demnach enthielt das Dokument die Strategie der Hamas zu den Waffenstillstandsverhandlungen. Es beweise, so Bild, dass ein Waffenstillstand für die Hamas keine Priorität habe: „Ein schnelles Ende des Krieges strebt die Hamas nicht an.“

Der Bild-Bericht, der wenig später auch von Israels Premier Benjamin Netanjahu in einer Kabinettssitzung zitiert wurde, basiert aber offenbar auf freien Erfindungen. Israelische Militärquellen erklärten gegenüber der israelischen Zeitung Ynet, dass die Armee ein ähnliches Dokument schon Anfang des Jahres in Gaza entdeckt habe. Der israelische Militärreporter Ronen Bergman schreibt, es handle sich weder um ein offizielles Strategiedokument, noch sei es „annähernd in der Nähe“ von Sinwars Computer gefunden oder von ranghohem Hamas-Personal verfasst worden. Ein von Bild zitierter Satz aus dem Dokument, wonach die Verhandlungen von der Hamas künstlich in die Länge gezogen werden sollen, finde sich im echten Dokument nicht.

Bergman spricht von einer „Kampagne“ der Bild, um Netanjahus Narrativ zu stützen, wonach die Verhandlungen an der Hamas scheitern. In Israel spielt das Netanjahu in die Hände. Heftige Proteste für ein Waffenstillstandsabkommen gefährden derzeit seine politische Strategie. Auch der israelische Journalist Shlomi Eldar sieht in dem Bild-Bericht einen fabrizierten Leak aus dem Büro des Premiers, „eine gut getimte Kampagne gegen Angehörige der Geiseln“, wie er auf X schrieb.

Karte ohne palästinensische Dörfer

Der Bild-Bericht stand Anfang Woche nach wie vor unkorrigiert online. Dass Deutschlands größte Zeitung offenbar eine israelische Desinformationskampagne als Exklusivbericht verkauft, ist an sich ein publizistischer Skandal. Gleichzeitig wirkt es gewissermaßen folgerichtig: Bereits im Juni kündigte die Netanjahu-freundliche Zeitung „Israel Hayom“ eine umfassende Kooperation mit der Bild an. Von der Zeitung „Neues Deutschland“ mit den Vorwürfen konfrontiert, ließ die Bild verlauten, Israels Militär habe die Echtheit des Dokuments, über das die Zeitung berichtet hatte, „nach der Publikation offiziell bestätigt“.

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Foto: Werbung in der Israelischen Wirtschaftszeitung „The Marker“

Doch es bleibt nicht nur bei Kooperationen: Dem Springer-Konzern gehört auch das israelische Tochterunternehmen Yad2 – die in Israel führende Onlineplattform für Kleinanzeigen. Neben Anzeigen für Autos und Waffen veröffentlicht das Unternehmen auch solche zur Vermietung und zum Verkauf von Immobilien. Die Plattform zeigt online eine nach Regionen durchsuchbare Karte des Gesamtgebiets von Israel und Palästina (mit Ausnahme Gazas), auf der palästinensische Dörfer und Städte nicht existieren, und verwendet als Werbespruch die Parole „From the River to the Sea“. Tausende Angebote auf Yad2 befinden sich in israelischen Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem. Und Axel Springer verdient, wie The Intercept berichtete, mit diesen Angeboten Geld: Private können kostenlos inserieren, geschäftliche Anbieter bezahlen dafür.

Über tausend der bezahlten Anzeigen auf Yad2 schreiben aktuell Immobilien in Siedlungen aus. Einige davon befinden sich in Außenposten – also in Siedlungen, die nicht nur nach internationalem, sondern sogar nach israelischem Recht illegal sind. Andere stehen auf privatem palästinensischem Land, das „zu Sicherheitszwecken“ von Israel beschlagnahmt wurde und jetzt israelische Siedler:innen beherbergt.

Enteignetes Eigentum

Angesichts eines Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs von Ende Juli erscheint diese Praxis besonders brisant. Es stellt fest, dass Israels Besetzung illegal und Israels Siedlungspolitik ebenfalls rechtswidrig seien. Praktiken wie Landbeschlagnahmungen und die Ausweitung israelischer Rechtsordnung und Infrastruktur auf Siedler:innen verletzen in den Augen des Gerichts eine Uno-Konvention, die Apartheid verbietet. In Punkt 278 des Gutachtens wird zudem ausdrücklich darauf verwiesen, dass Uno-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, zwischen Israels Staatsgebiet und den besetzten Gebieten zu unterscheiden.

Auf Yad2 finden sich derweil Immobilien in einigen der ideologisch extremsten Siedlungen. Auf Yad1, einer Unterseite der Plattform, wird überdies auch für Neubauprojekte in Siedlungen geworben. Mit den Praktiken von Yad2 konfrontiert, erklärte eine Sprecherin von Axel Springer Anfang Jahr: „Diskriminierung hat bei Axel Springer keinen Platz.“ Das Unternehmen spreche sich gegen jede Form von Rassismus aus. Dennoch: Die Yad2-Nutzungsbedingungen verbieten zwar rassistische Inhalte, nicht aber die Praxis, Immobilien nach ethnischen Kriterien zu verkaufen.

„Wir fordern das Unternehmen auf, Aktivitäten einzustellen, die zu solch schweren Menschenrechtsverletzungen beitragen“, so Omar Shakir, Israel-Palästina-Direktor von Human Rights Watch. „Das Land, auf dem diese Siedlungen gebaut wurden, ist enteignetes palästinensisches Eigentum.“ Shakir sieht in den Anzeigen auf Yad2 eine Stütze des Siedlungsprojekts. „Unternehmen, die sich daran beteiligen, profitieren von einem System, das Palästinenser systematisch diskriminiert.“

Text: Hanno Hauenstein. Dieser Beitrag erschien zuerst am 19. September in der Wochenzeitung WOZ.
Bild: KI gerneriert von Dee auf Pixabay. Foto: Werbung in der Israelischen Wirtschaftszeitung „The Marker“.

8 Kommentare

  1. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    zu Herrn Köhler, danke für den Tipp, das ist teils wirklich interessant. Ich muss nicht alles gut finden „Zeitenwende “ ist spannend. Ich werde das jetzt regelmäßig lesen, genauso wie ich das auch mit den „Nachdenkseiten“ mache. Wir unterliegen oft dem Irrtum, dass guter Journalismus das ist, was unsere Meinung widerspiegelt und bestätigt. Ich sehe das nicht so., ich lese gern auch das, was genau das nicht tut und damit erweitert.
    Auf das Geschmäckle zum Termin und diesem Artikel war ich nicht gekommen, vielleicht weil es mir fern liegt gleich was zu unterstellen, ich gar nicht auf den Gedanken kam. Aber liebes Seemoz-Team, schreibt gern über „Rettet Gaza“, aber doch bitte auch mal was, was das Ganze von anderer Seite beleuchtet. Es kann doch nicht sein, dass es Aufgabe der Kommentare bleibt. Klar, ich kritisiere die israelische Regierung, aber Antisemitismus, auch wenn er teils verkleidet ist, ist ein Problem unserer Gesellschaft und nicht nur der Linken, auch von den Rechten und von Islamisten. Die Betroffenheit von Menschen mit Wurzeln in Palästina, verstehe ich nur zu gut. Das was mit dem Überfall der Hamas auf friedliche, feiernde Menschen, Familien, alte Menschen und Kindern losgetreten wurde, kann ich nicht vergessen, unabhängig von dem Unrecht das darauf folgt. Ich denke auf beiden Seiten leben Menschen, die leiden und es nicht zu verantworten haben, was dort geschieht.

  2. Helmut Reinhardt

    // am:

    Bedacht macht Hanno Hauenstein am 7. Oktober mit einem Bild auf seinen Artikel vom Januar ’24 aufmerksam: „The Nova Festival site which I visited twice this past year. How do you preserve memory in a place where violence and mass killing still lingers in immediate vicinity? Tried to put this into words in January“*)
    https://www.akweb.de/politik/israel-gaza-westjordanland-im-schatten-des-krieges/
    https://x.com/hahauenstein/status/1843347992046428392
    *) «Das Gelände des Nova Festivals, das ich letztes Jahr zweimal besucht habe. Wie bewahrt man die Erinnerung an einem Ort, an dem Gewalt und Massentötungen immer noch in unmittelbarer Nähe bestehen? Habe im Januar versucht, dies in Worte zu fassen»

  3. Peter Köhler

    // am:

    Btw: ein paar Leute aus Konstanz haben kürzlich einen Gemeinschaftsblog gegründet – intellektuell, auch lange Texte – und dort Gedanken zum Nahostkonflikt publiziert, https://zeitenwende.online .

  4. Matthias Oehlschläger

    // am:

    @Holger Reile
    ich stimme Herrn Tillmann durchaus zu. Den alten Artikel genau einen Tag nach dem Jahrestag des größten Massakers an Jüdinnen und Juden seit der Shoa zu veröffentlichen halte ich für pietätlos.

    Ich hätte mir durchaus auch einen Artikel zum 07. Oktober von Seemoz gewünscht.
    Man hätte auch von der Kundgebung vor dem Münster zum Jahrestag des Massakers berichten können.
    So ein lokales Ereignis wäre doch eine Meldung wert in Ihrem Magazin?

    Stadtessen sehe ich hier immer nur irgendwelche Artikel und Aufrufe der Gruppe „Rettet Gaza“, die immer mehr in ihrem Antisemitismus versinkt.
    Die inzwischen bei vielen angesehenen Konstanzer Institutionen nicht oder nicht mehr willkommen sind (nach eigenen Angaben auf Instagramm), wie dem Café Mondial, Amnesty Konstanz, Kultur Kiosk Schranke und dem Zebra Kino.

  5. Janosch Tillmann

    // am:

    @Holger Reile
    Bezüglich des Artikels haben Sie recht und ich widerspreche Ihnen an dieser Stelle auch nicht. Wobei es sich wohl eher so darstellt, dass Netanjahu die BILD benutzt, um die Meinung zu beeinflussen und er sich nicht von der BILD etwas abguckt, aber das nur am Rande.

    Sie haben natürlich recht. Ich hätte meinen Bedenken oder sagen wir besser meine Vorwürfe, sicher anders Ausdruck verleihen können. Für mich hatte dieser Artikel, ohne regionalen Bezug, zu diesem Datum, ein Gschmäckle. Wenn ich an dieser Stelle auf dem Holzweg war/bin, bitte ich Sie und Ihre Redaktion um Entschuldigung.

  6. Holger Reile

    // am:

    @Janosch Tillmann
    Ihr Kommentar hat nichts mit dem gut recherchierten Inhalt des Textes zu tun. Auch Ihre Einlassung, die Redaktion hätte den Beitrag nur deswegen veröffentlicht, um ihrem „eigenem Weltbild Stabilität zu verschaffen“, ist nahezu grotesk und, mit Verlaub, eigentlich unter Ihrem Niveau.

  7. Janosch Tillmann

    // am:

    (…) warum veröffentlicht man so einen Text einen Tag nach dem 07.10.? Er ist so alt, dass man ihn vorher oder auch zwei Wochen später, hätte veröffentlichen können.

    Man sagt kein Wort zum größten Massaker an Juden, seit 1945, stattdessen haut man diesen Text raus – quasi zum Jahrestag der Tat. Ich verstehe das Bedürfnis, dem eigenen Weltbild Stabilität zu geben aber warum muss das so passieren?

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