Bei der Frage nach den größten Deutschen wird neben Franz Beckenbauer, Martin Luther und Dieter Bohlen immer wieder auch Immanuel Kant genannt. Dass er Weltgeltung besitzt und den Kategorischen Imperativ formuliert hat, ist einfach deutsches Allgemeinwissen. Seinen 300. Geburtstag feiern die Konstanzer Philosoph*innen am 22. April mit einer öffentlichen Veranstaltung im Konzil.
Was zeichnet Immanuel Kants (* 22. April 1724 in Königsberg, † 12. Februar 1804 ebenda) Denken aus, und weshalb erinnert man sich seiner weltweit noch nach 300 Jahren, während die meisten anderen Denker seiner Zeit längst vergessen sind?
Wir haben den Philosophen Gottfried Gabriel um Antwort gebeten.
Die Aktualität der Philosophie Kants
Am 22. April diese Jahres feiert die philosophische Welt (und nicht nur diese) den 300. Geburtstag Kants. Die Aktualität von Kants Philosophie besteht in dem Projekt der Aufklärung, dem wir wesentliche Errungenschaften der Moderne verdanken, das aber noch nicht vollständig verwirklicht worden ist. Ganz im Gegenteil besteht gegenwärtig die Gefahr eines Rückfalls in unaufgeklärte Zustände.
Kants Projekt der Aufklärung beginnt damit, dass die Vernunft uns über die Möglichkeiten, aber auch über die Grenzen menschlicher Erkenntnis aufklärt. So widerlegt Kant in der Kritik der reinen Vernunft die Versuche, die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen. Damit wird der Religion die Wissensgrundlage entzogen. Religion darf hoffen, kann aber nicht wissen. Als Konsequenz ergibt sich, dass die Begründung der Moral nicht unter Rückgriff auf die Religion erfolgen kann, sondern von dieser unabhängig bleiben muss. Die Moral muss auch für Atheisten gelten. Daraus ergibt sich als Konsequenz eine Trennung von Recht und Religion sowie institutionell von Staat und Kirche.
Kant entwickelt bereits den Gedanken eines „Weltbürgerrechts“, das als allgemeines Menschenrecht unterschiedslos für alle Menschen gelten soll. Dementsprechend kritisiert er ganz entschieden den Kolonialismus und die Sklaverei. Der Kolonialismus wird als eine Landnahme „mit Gewalt“ oder „durch betrügerischen Kauf“ beschrieben. Kant verweist auch bereits auf das Unrecht des weißen Mannes im Umgang mit den so genannten Indianern, während der amerikanische Westernfilm erst seit Mitte des 20. Jh. dieses Thema verarbeitet.
Obwohl Kant in der Philosophie ganz auf die Vernunft setzt, legt er als Mensch doch großen Wert auf Erfahrungsberichte, die ihm in anregenden und unterhaltsamen Tischgesellschaften zugetragen wurden. Als Tischgenossen bevorzugte er Kaufleute und andere Nicht-Philosophen. Diesem außerphilosophischen Umgang verdankte er reiche anthropologische und geographische Kenntnisse, die es ihm ermöglichten, die Bürger seiner Stadt Königsberg mit öffentlichen Vorlesungen über Anthropologie und Erdkunde zu bilden und zu unterhalten. Als Philosoph beließ es Kant nicht bei dem Genuss geselliger Tafelrunden, er lieferte sogar eine Begründung für deren Zweckmäßigkeit. Es sei nämlich insbesondere für einen Philosophen ungesund, alleine zu speisen. Dieser trage seine Gedanken ständig mit sich herum und komme während der einsamen Mahlzeit von diesen nicht los. So verliere er allmählich die „Munterkeit“, die er dagegen gewinne, „wenn ein Tischgenosse ihm durch seine abwechselnden Einfälle neuen Stoff zur Belebung darbietet, welchen er selbst nicht hat ausspüren dürfen“. Danach frönt man in einer Tafelrunde nicht seinen Neigungen, sondern genügt geradezu einer Pflicht gegen sich selbst …
Kant im Konzil
Was: Die Aktualität der Philosophie Kants. Philosophische Vorträge mit Diskussion anlässlich des 300. Geburtstags von Immanuel Kant. Eine Veranstaltung des Fachbereichs Philosophie der Universität Konstanz.
15.30 Uhr Begrüßung durch Prof. Dr. Thomas Müller
15.45 Uhr Zur Bedeutung von Kants Moralphilosophie, Prof. Dr. Jacob Rosenthal
16.30 Uhr Pause
16.45 Uhr Kant gegen den Krieg und zum ewigen Frieden, Prof. Dr. Susanne Burri
17.30 Uhr Pause
18.00 Uhr Kant und das Projekt der Aufklärung, Prof. Dr. Gottfried Gabriel
Wann: Montag, 22. April 2024, 15.30–19.30 Uhr Konstanz, Konzil, Speichersaal.
Wie: Der Eintritt ist frei, jedoch wird bis zum 16. April eine Anmeldung per E-Mail an kant300@uni-konstanz.de erbeten.
Text: Gottfried Gabriel, MM/red., Bild: Emil Doerstling (1859-1940), Kant und seine Tischgenossen (1892/1893) [Kant sitzend mit einem Brief in der Hand], kolorierter Holzstich nach dem zerstörten Gemälde © Wikipedia, This work is in the public domain in its country of origin and other countries and areas where the copyright term is the author’s life plus 70 years or fewer.
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