Pfote Hund, Hand Mensch © Bild von giselastillhard auf Pixabay

Hund im Paradies, Frauchen in der Hölle

Ein Kommentar

Hund © Bild von Angel auf Pixabay

Eine Leserin wandte sich in Tränen an uns, weil sie nach dem erschütternden Tod ihres 21-jährigen Hundes auch noch herzlos zur Kasse gebeten wird.

Eines ist gewiss: Wenn es ein Hundeparadies gibt, thront dieser Hund mittendrin, dort, wo es am allerparadiesischsten ist, noch paradiesischer als das Paradies auf Erden. Dort gibt es massenhaft schreckhafte Radlerinnen zu jagen, genug krallenlose Katzen zu zerfleischen – und natürlich stehen allüberall selbstöffnende Futterbüchsen gegen den stets nagenden Hunger bereit.

Dort im Himmel also residiert dieser Veteran, der schon hienieden eine erhebliche Würde und Führungsstärke ausstrahlte, in vollem Ornat, so wie er dem Bestatter übergeben wurde: Das heißt in seinem Fall: Mit seinem Halsband und einem blitzenden Orden, den nur die uneingeweihten Menschen für eine banale Hundesteuermarke halten können.

Um genau dieses Stück Blech geht es.

Mehr als nur ein Stück Blech

Der Vierbeiner – oder vielmehr sein Frauchen als seine erste Bedienstete – zahlte zu seinen Lebzeiten gehorsam die fällige Hundesteuer an die Stadt Konstanz. Bei einem derart langen Hundeleben floss so eine schöne Stange Geld ins Stadtsäckel. Zugegeben, dafür ließ der Tetrapode sich an zahllosen Hausecken auch zu manchen Unreinlichkeiten hinreißen, die beim Stehendpinkeln auf drei Beinen nun mal nicht zu vermeiden sind, aber das ist ja mit der Steuer geradezu wie weggewaschen.

Diese Steuermarke trägt er also auch heute noch im wonnigen Jenseits. Und das lässt die rührige Stadtverwaltung nicht ruhen, der sein Ableben inzwischen ordnungsgemäß angezeigt wurde.

Diese Hundemarke gehört nämlich der Stadt Konstanz, und sonst niemandem.

Die Kämmerei jedenfalls richtete unverzüglich folgenden sachlichen Brief an das am Boden zerstörte Frauchen, ganz ohne Beileidsbekundungen und ohne auch nur ein einziges Wort des Trostes zu spenden:

„Wir haben Ihren Hund abgemeldet. Der entsprechende Bescheid ist beigefügt. Leider müssen wir nach unserer Satzung für die nicht abgegebene/verlorene Steuermarke eine Markengebühr erheben. Für die nicht zurückgegebene Steuermarke wird gem. § 11 der Hundesteuersatzung eine Gebühr in Höhe von € 7,50 festgesetzt. […] Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zugang bei der Stadt Konstanz […] Widerspruch erhoben werden.“

Seufzer und Tränen ohne Unterlass

Das ist gewiss alles rechtens, aber in der Situation der tränenreichen Trauer um ein über alles geliebtes Wesen ist das doch ein herber Schlag ins morsche Gebälk des erschütterten Innenlebens. Eine alte Frau, deren allerletzter vertrauter Lebensgefährte in Gestalt dieses Hundes dahingegangen ist, und die nur noch Einsamkeit und Siechtum zu erwarten hat, soll 7,50 Euro für eine abgängige Steuermarke berappen, die der werte Verstorbene so stolz trug und die mit ihm ins Paradies einging?

Das trifft sie wie ein Blitzschlag, zumal das Schreiben und Versenden eines solchen Briefes vermutlich insgesamt deutlich teurer war als die 7,50 Euro, die da von ihr verlangt werden. „Dass die Stadt nach einer solchen Katastrophe auch noch so kleinlich ist, das ist kaum zu ertragen. Warum tun die mir das an?“, fragt das erschütterte Ex-Frauchen, ringt sichtlich um Fassung und kann vor Schmerz nicht weitersprechen.

Der Rest ist also Schweigen.

Aber ihre unstillbaren Tränen, der Stapel fadenscheiniger, durchweinter Taschentücher in ihrem Schoß und ihre Finger, die an der abgegriffenen Schließe ihrer bescheidenen, längst aus der Mode gekommenen Handtasche tastend jenen Halt suchen, den ihr dieses amtliche Schreiben wohl für immer genommen hat, sagen mehr als tausend Worte.

Pfote Hund, Hand Mensch © Bild von giselastillhard auf Pixabay

Text von O. Pugliese, Bild oben von Angel auf Pixabay, unten von giselastillhard auf Pixabay

Ein Kommentar

  1. Wolfgang Daub

    // am:

    Tja, da wird immer und fast überall von „Empathie“, „Augenhöhe“, usw., gesprochen und dann das: die händeringend überall in Deutschland gesuchten „Fachkräfte“ gehen „fachgerecht“ ihrem Tagwerk nach!

    Danke für den schönen Einblick in das real existierende Deutschland!

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