Wie von seemoz befürchtet, haben die Stadtwerke zum Jahreswechsel die Fahrpreise weiter erhöht. Statt bislang 2,70 Euro kostet die Einzelfahrt nun 2,90 Euro. Gleichzeitig stehen weitere Fahrplankürzungen im Raum. Auf der letzten Gemeinderatssitzung am 19. Dezember kündigte Stadtwerkechef Norbert Reuter zudem an, das Busangebot in den Schulferien zu reduzieren.
Nur dank einer Anfrage der Freien Grüne Liste (FGL) sprach Reuter überhaupt in öffentlicher Gemeinderatssitzung über die Probleme des „Roten Arnold“. Oberbürgermeister Uli Burchardt hätte diese lieber nicht-öffentlich im geheimen Busausschuss des Stadtwerke-Aufsichtsrats verhandelt. Und tat als Sitzungsleiter dann auch sein Bestes, jede öffentliche Diskussion der Gemeiderät:innen zu unterbinden.
Dabei unternehmen die Stadtwerke doch einiges, um mehr Busfahrer:innen zu gewinnen. Warum also dieses Bemühen verstecken? Man habe inzwischen sieben Betriebswohnungen für neues Fahrpersonal angemietet und plane am Bismarcksteig ein „Mitarbeiterhaus“ mit Wohnungen fürs Personal. Dazu, so Norbert Reuter, gewähre man übertarifliche Zulagen und starte eine Ausbildungsoffensive zum Busführerschein mit anschließender Beschäftigungsgarantie.
Hoffnung auf den Tarifvertrag
Aufhorchen lässt Reuters Verweis auf die anstehenden Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di über Arbeitsbedingungen und Löhne des ÖPNV-Personals in Baden-Württemberg. Obwohl ja von der Arbeitgeberseite, schien der Stadtwerkechef den Forderungen der Gewerkschaft nicht abgeneigt. Denn ein Grund für die angespannte Personalsituation ist auch, dass sogar im privaten Omnibusgewerbe inzwischen besser bezahlt wird als im kommunalen Nahverkehr. Nicht zu reden von der Schweiz!
Ver.di verlangt unter anderem Zulagen für den Schichtdienst, kürzere Schichtzeiten und Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich]. Und spannt dabei zusammen mit Fridays für Future. Die Klimaaktivist:innen sind sich der Tatsache bewusst, dass es für die Klimawende einen besseren ÖPNV braucht und dafür wiederum bessere Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal. So rechnet die Busbranche für 2030 mit bundesweit 87.000 fehlenden Fahrer:innen. Da nimmt sich Konstanz noch bescheiden aus, wo von knapp 200 Planstellen zum Jahresende nur fünf unbesetzt waren.
Stress für Fahrer:innen und Fahrgäste
Nicht nur Wohnungsmangel, hohe Lebenshaltungskosten und das attraktive Nachbarland machen es den Stadtwerken schwer, neue Fahrer:innen zu gewinnen und auch zu halten. Manch eine:r, so Reuter, habe schon nach ein paar Tagen wieder das Handtuch geworfen, weil der Stress in der Konstanzer Innenstadt zu viel gewesen sei: Dauerstau, Kamikazeradfahrer:innen und maulende Fahrgäste.
Diese haben ihrerseits Stress mit den Bussen und lassen dies manchmal die Fahrer:innen spüren. Die wenigen digitalen Anzeigetafeln an den Haltestellen sind oft außer Betrieb. Die Stadtwerke verweisen stattdessen auf die App „Mein Konstanz“ und ihre Website, welche die Abfahrtszeiten an den Haltestellen in Echtzeit angäben.
Tun sie aber nicht. Die Linie 12, die nach Fahrplan und App gerade jetzt zum Zähringerplatz kommen soll, trifft erst 7 Minuten später ein. Was die App indes nicht bemerkt, sondern frech behauptet, der Bus sei schon seit sieben Minuten weg. Und uns für die Strecke vom Zähringer zum Bahnhof die Linie 908 empfiehlt, die indes dort gar nicht mehr vorbeifährt.
Überhaupt der Konstanzer Bahnhof: Wegen der Dauerbaustelle vor dem Lago wird er von vielen Buslinien nicht mehr angefahren, was Tourist:innen mit Ziel Mainau oder Zugreisende mit Gepäck hilflos dastehen lässt. Man solle doch wenigstens die Vorortlinie 4/13 und eine Linie nach Wollmatingen wieder hier vorbeiführen, bat FGL-Stadträtin Dorothee Jacobs-Krahnen. Und stieß auf taube Ohren beziehungsweise den Hinweis, man könne ja am Sternenplatz umsteigen. Doch wer erklärt das den Ortsfremden, die mit dem Zug angereist sind?
Mehr Fahrgäste in weniger Bussen?
Und es könnte noch schlimmer kommen. Busnutzer:innen sollten künftig nicht nur die Semesterferien (gekürzter Fahrplan der Linie 9), sondern auch die Schulferien im Kopf haben. Denn Stadtwerkechef Reuter kündigte an, das Fahrplanangebot in den Schulferien „maßvoll zu reduzieren, wo eine reduzierte Fahrgastzahl dies zulässt“.
Wer einmal an Schultagen vor 8 Uhr oder nach 13 Uhr im Bus stand, wird das Gegenteil für angemessen halten: Nämlich maßvolle Erhöhung, wo die erhöhte Fahrgastzahl dies erfordert. Selbst Oberbürgermeister Uli Burchardt, der dem Thema dann doch ein Schlusswort gönnte, hielt fest: „Es sind sehr viele Menschen im Bus. Viele Busse sind immer bis zum Anschlag voll tagsüber.“
Wie schon bei den Fahrplankürzungen im Herbst rechtfertigte Norbert Reuter die weiteren ins Auge gefassten Einschränkungen mit dem Argument, es seien 2023 gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 10 bis 15 Prozent weniger Fahrgäste unterwegs gewesen. Die dem Gemeinderat präsentierte Statistik umfasst jedoch nur die von den Stadtwerken und dem Verkehrsverbund VHB direkt verkauften Fahrkarten und Abos. Nicht enthalten waren Fahrgäste mit Deutschland-Ticket, dem 365-Euro-Ticket Jugend BW, dem vom Land für Gelegenheitsfahrgäste konzipierten Smartphone-Check-in-Check-out und mit anderen überregionalen Angeboten. Sind also die Fahrgastzahlen tatsächlich gesunken? Mein Eindruck: Es drängen sich nun mehr Menschen in den Bussen.
Wer soll das bezahlen?
Unzweifelhaft ist, dass der Busbetrieb selbst bei eingeschränktem Betrieb ein immer größeres Defizit einfährt. 2023 waren es knapp sechs Millionen Euro. Auch die Fahrpreiserhöhungen und die im Zusammenhang mit dem Deutschland-Ticket erhöhten Bundes- und Landeszuschüsse fangen das Minus nicht auf. Wobei die Finanzierung des Deutschland-Tickets für 2024 ja noch nicht einmal gesichert ist. Bund und Länder streiten hier um 400 Millionen Euro Fehlbetrag. Zum Vergleich: Die elf Neubaukilometer der B 33 zwischen Konstanz und Allensbach werden mindestens eine halbe Milliarde kosten.
Bisher haben die Stadtwerke den Verlust mit Überschüssen aus dem Fährbetrieb und dem Verkauf von Gas und Strom kompensiert. Dies wird jedoch auch angesichts des enormen Investitionsbedarfs in Energienetze nicht länger funktionieren. Deshalb wird die Kommune über kurz oder lang nicht darum herumkommen, den ÖPNV der Stadtwerke aus dem städtischen Haushalt mitzufinanzieren und dafür nach Kreuzlinger Vorbild etwa die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung zu verwenden. Auch die für Klimaschutzprojekte gedachten Mehreinnahmen der neuen „Bettensteuer“ auf Übernachtungen in Hotels oder auf Campingplätzen könnten dem Ausbau des ÖPNV zukommen, denn die Verkehrswende ist ja Klimaschutz.
Kommt die Nahverkehrsabgabe?
Darüber hinaus bedarf es neuer Instrumente, um die Kosten zu stemmen. Im baden-württembergischen Koalitionsvertrag hat die grün-schwarze Landesregierung eine beschönigend als „Mobilitätspass“ verbrämte Nahverkehrsabgabe versprochen. Der dazu im Dezember vom Verkehrsministerium vorgelegte Gesetzentwurf will es den Kommunen ermöglichen, von Einwohner:innen, Kfz-Halter:innen, Betrieben oder als City-Maut eine Abgabe für die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs zu erheben. Im Gegenzug sollen die Gebührenzahler:innen dann Gutscheine für den ÖPNV erhalten, die sie etwa für den Kauf von Zeitkarten einsetzen könnten.
Ist Konstanz mutig genug, sich dieses Instruments zu bedienen? Wenn er es mit dem Klimaschutz ernst meint, wird der im Mai neu zu wählende Gemeinderat jedenfalls nicht darum herumkommen, die Finanzierung des „Roten Arnold“ auf breitere Füße zu stellen.
Stadtwerke bleiben in städtischer Hand
Wie wir einer Pressemitteilung der Stadtwerke entnehmen, ist eine Beteiligung des Energiekonzerns Thüga oder anderen Investor:innen an der Konstanzer Energie- und Wasserversorgung nun vom Tisch. Selbst Oberbürgermeister und Stadtwerke-Aufsichtsratsvorsitzender Uli Burchardt hat die von ihm lange unter dem Etikett „strategische Partnerschaft“ beworbenen Idee (siehe dazu: Wie weiter mit den Konstanzer Stadtwerken?) begraben müssen, denn „es habe in den vergangenen Monaten starke Vorbehalte gegen diese Variante gegeben.“
Als weiteres Handicap wird die „intensive Branchendiskussion um die Allokation des begrenzten Kapitals“ angeführt, was man auch so lesen kann, dass Thüga und Konsort:innen lieber dort investieren, wo ihr Engagement keine schlechte Presse bringt.
Indes fühlen sich die Stadtwerke weiterhin außerstande, die Klimawende aus eigener Kraft zu stemmen. Man setze deshalb auf Kooperationen, um Wärmeverbünde, Photovoltaik-Freiflächenanlagen und weitere Energiedienstleistungen mit dem dafür erforderlichen Investitionsvolumen von mehreren hundert Millionen Euro zu realisieren.
Nur schleppend voran kommt derweil das Bürgerdarlehen „SeeEnergie Sonnenkraft II“. Von den erhofften 1.000.000 Euro haben die Stadtwerke bisher nur gut die Hälfte eingeworben. Grund dürfte weniger die mit bis zu 3,0 Prozent doch gar nicht so schlechte Rendite des Nachrangdarlehens sein als vielmehr der Umstand, dass bisher nur Stromkunden der Stadtwerke zeichnungsberechtigt waren. Man hat nun die Konsequenz gezogen und das Darlehen zum Jahreswechsel für alle geöffnet. Das Darlehen dient ausschließlich zum Bau von großen Dachanlagen. Wer zur lokalen Energiewende beitragen möchte und vermögend ist, mag hier investieren.
Text: Ralph-Raymond Braun | Fotos: Pit Wuhrer
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