
Vera Hemm lebt nicht mehr, die engagierte Gewerkschafterin und ehemalige Konstanzer Stadträtin ist im Alter von 89 Jahren am 1. März verstorben. Sie war in Konstanz allseits bekannt und beliebt. 2005 kam Vera für die Linke Liste Konstanz (LLK) in den Gemeinderat und wurde 2009 mit einem hohen Stimmenanteil wiedergewählt. 2014 trat sie auf eigenen Wunsch nicht mehr zur Wahl an.
Vera wurde am 23. Oktober 1935 geboren und verbrachte ihre Kindheit, wie sie selbst schreibt, „trotz Kriegs- und Nachkriegszeit wohlbehütet im Ortsteil Paradies“ bei ihren Eltern, beide überzeugte Kommunist:innen (daher ihr Name, der auf die russische Revolutionärin Vera Figener zurückgeht). Sie besuchte die Wallgutschule, später das Ellenrieder-Gymnasium und engagierte sich schon früh in der Kinder- und Jugendgruppe der Naturfreunde Konstanz. Nach dem Abitur 1955 absolvierte sie eine Lehre als Chemielaborantin und arbeitete seit den 1960er Jahren bei Byk Gulden.

„Die rote Vera“, wie sie wegen ihres Einsatzes für soziale Gerechtigkeit und ihrer Mitgliedschaft bei der DKP genannt wurde, brachte sich seit den 70er Jahren bei der Gewerkschaft IG Chemie und beim Konstanzer DGB tatkräftig ein. Hier engagierte sich Vera insbesondere für die gewerkschaftliche Frauenarbeit und war fast 20 Jahre Vorsitzende der DGB-Frauen im Kreis Konstanz. Besonders hervorzuheben ist ihre Kulturarbeit dort – für die Gruppe „Menschen – zufällig weiblich“ war sie 30 Jahre lang eine zentrale Figur, erarbeitete Kabarettprogramme, sang und spielte Klavier. Vor allem zum Internationalen Frauentag am 8. März, den wir dieses Jahr sechs Tage nach ihrem Tod ohne sie verbringen mussten, aber bei der zentralen Veranstaltung im Wolkensteinsaal ihrer mit einer Schweigeminute gedachten.
Für Vera war es immer ein Ziel, sich wie ihre Mutter Johanna Hemm im Konstanzer Gemeinderat zu engagieren. Bereits 1962 kandidierte sie für die Deutsche Friedens-Union (DFU) bei den Gemeinderatswahlen, später auch für andere linke Gruppierungen wie die Alternative Liste und die DKP, doch für ein Mandat reichte es nie. 1999 schaffte Michael Venedey für die PDS/Linke Liste den Einzug in den Konstanzer Gemeinderat, musste aber 2005 aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten und Vera zog, zunächst als Einzelkämpferin, für fast zehn Jahre in den Gemeinderat ein. Vera verpasste keine Sitzung und nahm ihre Verantwortung für die Stadt sehr ernst.
Ihre Schwerpunkte lagen im Bereich der Sozialpolitik, sie setzte sich konsequent für die Interessen der Menschen ein, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen: Obdachlose, Arbeitslose, Geflüchtete und Frauen in Not konnten stets auf ihre Unterstützung zählen. Immer wieder wies sie auch auf die Wohnungsnot in Konstanz hin und forderte Konzepte für den sozialen Wohnungsbau. Und auch nach ihrer Zeit im Gemeinderat blieb sie politisch: man traf sie regelmäßig bei Kundgebungen zum 1. Mai oder verschiedenen Veranstaltungen, wie beispielsweise der Linken oder der Stolpersteine Konstanz.
Bis zu ihrem Tod setzte sich Vera für soziale Gerechtigkeit und die Stärkung der Rechte der „kleinen Leute“ ein – als Gewerkschafterin, als Stadträtin und als Gründungsmitglied von Pro Familia. Wie sie in ihrer beizeiten selbst verfassten Todesanzeige schreibt, bittet sie daher statt Blumen um eine Spende für Pro Familia e.V. (IBAN DE09 6005 0101 7486 5004 40, Stichwort Vera Hemm). Die Trauerfeier für Vera Hemm findet am Donnerstag, den 13. März, um 15:00 Uhr auf dem Hauptfriedhof Konstanz statt.
Mit diesen Zeilen aus einem Gedicht von Louis Fürnberg (Jeder Traum „Was ich singe, sing ich den Genossen“), mit denen ihre Traueranzeige überschrieben war, will ich diesen Text schließen:
„Jeder Traum, an den ich mich verschwendet,
Jeder Kampf, wo ich mich nicht geschont,
Jeder Sonnenstrahl, der mich geblendet –
Alles hat am Ende sich gelohnt.“
Text: Anke Schwede, Bilder: privat
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Vera Hemm stand öfters im Zentrum von seemoz-Artikeln. Zum Beispiel: „Kritisch, widerborstig, links-diplomatisch“. Oder: „Närrische Ehrung für Vera Hemm“. Oder: „Wie Vera Hemm für Flüchtlinge kämpft“.
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