
Die Universität veranstaltet in Kooperation mit der Verwaltung der Städtischen Friedhöfe eine zehnteilige Vortragsreihe, die sich mit verschiedenen Aspekten moderner Friedhöfe auseinandersetzt. Von A wie Archäologie bis Z wie Zombologie reicht die Themenvielfalt. Auftakt ist am 16. April um 18 Uhr in der Aussegnungshalle.
In den späten 1980er Jahren war ich oft in Wien. Selbstverständlich gehörte auch der Zentralfriedhof zu den von mir angesteuerten Sehenswürdigkeiten. Was ich dort beobachtete, irritierte mich, damals noch Schüler aus gut katholischem Elternhaus im ostwestfälischen Höxter. Schnaubend und mit sichtbarer Unbeweglichkeit im Steiß war eine Frau im geblümten Kleid und hochtoupierten Haaren damit beschäftigt, einen Grabstein mit einem Staubsauger abzusaugen, ein Bild, das sich mir eingeprägt hat.
Dass der Tod ein „Weaner“ ist, wusste ich zu dem Zeitpunkt schon. Nun lernte ich: Der Weaner leabt Dür an Dür midm Dood. Ja, der Tod ist wirklich überall, aber das ist nicht das Entscheidende dieses Satzes. Vielmehr, so schien, so scheint es mir, geht es um das Leben, das man als Nachbar:in des Todes führt, nicht um diesen selbst. Es ist ein oider Vertrauter, kein Fremder. Man kennt ihn lang, wenn er denn irgendwann auch an die eigene Tür klopft.
Der Tod ist wirklich überall

Leben mit dem Tod, das heißt in der Praxis in der Regel: Leben mit den Toten. „Die Friedhöf sin die schönsten Parks, die mer ham.“ Auch das eine Lehre aus Wien. Und das gilt für viele große alte Friedhöfe. Als der Verwaltungschef der Städtischen Friedhöfe Konstanz, Daniel Hepfer, beim Team Transfer Lehre anfragte, ob nicht eine Kooperation Universität–Friedhof möglich sei, da fiel mir dieser Satz gleich ein und in der Tat waren es dann zunächst die Biolog:inn:en, die positiv auf die Anfrage reagierten. Besonders Vogelkundler:innen waren an dem ruhigen und von städtischer Bauwut unbetroffenen Gelände des Friedhofs interessiert. Für den Archäologen Stefan Hauser, Professor für für Mediterrane und Vorderasiatische Archäologie, stellt der Friedhof einen wichtigen Lernort dar – über alte Kulturen lernt man nun einmal viel aus Gräbern.
Aber das Gespräch, das Sibylle Mühleisen und ich mit Daniel Hepfer führten, schritt noch weit größere Kreise aus. Es ging um den Friedhof als Naherholungsgebiet. Morgens sieht man Menschen, die die parkartige Anlage zu Jogging und Frühsport nutzen. Nachmittags scheint die Sonne sanft durch die Blätter der alten Bäume. Da sitzt es sich gemütlich mit einem Buch auf einer Bank. Ein alter Friedhof wie der Konstanzer Hauptfriedhof, dessen älteste Grabsteine bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, ist auch aus stadt-, kultur- und kunstgeschichtlicher Sicht interessant.
Große Familiengräber erzählen lokale Sozialgeschichte ebenso wie Sonderbereiche wie der jüdische Friedhof. Manchmal sind Grabmale ungewöhnlich und künstlerisch hochwertig gestaltet und manchmal einfache Massenware. Doch die Stille des Ortes, der geschützt ist vor städtebaulicher Gier, ist auch Zufluchtsort von Tieren und Pflanzen: eine besondere Art Biotop. Vor allem Vogelkundler interessieren sich für den Friedhof und kommen schon nachts um halb vier her, um das erste Gezwitscher des anbrechenden Tages zu hören.
Gräber erzählen Geschichte
Im Gespräch mit Herrn Hepfer erfahren wir, dass auch die Begräbnisse selbst sich gewandelt haben. Während Corona waren Videokonferenzteilnehmende übers Smartphone üblich. Auch Videoprojektionen stellen inzwischen eine Möglichkeit der Abschiednahme dar. In unserer Vortragsreihe streifen wir unterschiedliche Themen. Vollständig lässt sich das Thema ohnehin nicht in 10 Vorträgen erschöpfen.

Wir beginnen mit einem Friedhofsspaziergang des Historikers Uwe-Arnold Brügmann, der regelmäßig Friedhofsführungen veranstaltet und auch in der Initiative „Stolpersteine“ aktiv ist. Er wird sich mit der Frage des Denkmalschutzes auf Friedhöfen auseinandersetzen: wann und warum ändert sich der Status eines Grabmals, wird es von einer privaten Trauerstätte zu einem kommunal schützenswerten Erinnerungsort?
Im Folgevortrag, den der Berliner Filmemacher Manuel Stettner und ich gemeinsam bestreiten, wird es um das Grab einer alten Konstanzer Familie gehen: das Grab der Familie Leiner. Dort gibt es eine Grabplatte, die die Inschrift „Egal“ trägt. Mit dem dort Beerdigten, Konradin Leiner, beschäftigt sich ein Dokumentarfilm Manuel Stettners. Zum Abschluss des Vortrags gibt es die Möglichkeit, gemeinsam das Grab von Konradin, der sich selbst den Namen QRT gab, zu besuchen.
Fasnacht und Tod
Einen Überblick über die Veränderungen, denen die Bestattungskultur unterliegt, geben zwei, die es wissen müssen: Daniel Hepfer, der Leiter der Friedhöfe der Stadt Konstanz, und Sabine Neufang, die Geschäftsführerin Mainau Ruhewald GmbH. Dabei streift ihr Vortrag sowohl Fragen individueller Gestaltungsfreiheit bei der Beisetzung als auch Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
Seit 1966 besuchen die Räte der Blätzlebuebe-Zunft an jedem 11.11. des Jahres die Gräber der verstorbenen Zunftmitglieder. In welchem Zusammenhang Fasnacht und Tod stehen, erläutert der Historiker und Fasnachtsforscher Ulrich Topka.
Archäologen kommen gerade in Gräbern, so sagt der Professor für Mediterrane und Vorderasiatische Archäologie Stefan Hauser, Individuen der Vergangenheit so nahe wie sonst kaum. Kulturelle Überzeugungen, Familienbande und individuelle Merkmale werden lesbar. Hauser lädt bei seinem Vortrag auch ein, einen Blick in die Zukunft der Archäologie auf dem Friedhof zu werfen.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Gelächter und Tod: passt das zusammen? Ja, meint die Psychologin Alina Timofte und führt in ihrem Vortrag auf die Spuren, die der Humor auf Friedhöfen und in Begräbnisritualen unterschiedlicher Kulturen hinterlässt.

Wie es ist, tot zu sein, kann man nicht fühlen, kann man nicht denken. Der Tod, so wusste schon Epikur, ist das schlechterdings Denkunmögliche, denn wo er ist, bin ich nicht und wo ich bin, kann er noch nicht sein. Umso gespannter sind wir auf den Film der Performerin Micha Stuhlmann und des Filmemachers Raphael Zürcher. Im Anschluss an ihre „Nahfilmerfahrung“ werden wir in Kleingruppen über das Gesehene sprechen.
Zu den letzten Personen, die am Grab das Wort erheben, gehören Trauerrednerinnen. Eine solche begegnet uns im letzten Vortrag der Reihe: aus Langenargen kommt die Trauerrednerin Ute Lacher-Laukeningkat zu uns, berichtet über ihren Beruf und lässt uns – bei jedem Wetter, wie sie betont – bei einem Spaziergang teilhaben an ihrer Arbeit.
Das Programm zur Veranstaltungsreihe können Sie hier downloaden.
Text: Albert Kümmel-Schnur, Bilder: Daniel Hepfer; Titelbild: Manuel Alvarez auf Pixabay
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