Der Gassenfreitag erfreut sich seit Jahren großer Beliebtheit. Da wird getrunken und geschunkelt, oft in qualvoller Enge. Bislang fand man in den engen Gassen auch immer wieder Infostände von politischen Initiativen. Auch die Konstanzer Linken wollten sich da einreihen, wurden aber brüsk vom Veranstalter des Platzes verwiesen.
Hier die Beschwerde der Linken in leicht gekürzter Form.
(…) So kamen wir als Partei Die Linke Konstanz (wie auch FGL/Grüne und das Junge Forum Konstanz) auf die Idee, beim Verein Niederburg Vital e.V. hinsichtlich einer Standbeteiligung nachzufragen. In unserem Fall, ob man denn mit dem eigenen Wahlkampfrad partizipieren könne. Denn auf dem gut besuchten Gassenfreitag, so unsere Logik, kann man entspannte Gespräche mit der ein oder anderen Person in Feierlaune führen. Zu unserer Schande müssen wir einräumen, dass wir die Anfrage mit rund einer Woche Vorlaufzeit vor dem vergangenen Gassenfreitag vom 3. Mai 2024 recht knapp stellten und mit dem Absagegrund „zu spät angefragt“ rechneten.
Die Antwort durch den Niederburg-Vital-e.V.-Vorstand beinhaltete jedoch, dass der Gassenfreitag „eine unpolitische Veranstaltung“ sei und dies auch bleiben solle. Wie dieser Anspruch mit dem ausgewiesenen „SPD Hock“ unter dem Link https://www.niederburg-vital.de/gassenfreitag vereinbar ist, welcher den Niederburg Vital e.V. lauf Webauftritt sponsert, war leider nicht Gegenstand des elektronischen Briefwechsels.
Als Linke beschlossen wir, der Bitte des Herrn Vorstands nicht zu folgen und platzierten unser Lastenrad gegen 19 Uhr am Gassenfreitag zunächst in der Gerichtsgasse. Es dauerte keine 20 Minuten, da lief er uns auch sogleich in die Arme, um uns drei unartigen Kindern auf die Finger zu klopfen: Er wolle, dass der Gassenfreitag „sauber“ und „unpolitisch“ bleibe. Von uns auf den „SPD Hock“ angesprochen, lautete es nur, dass die SPD keinen Wahlkampf auf dem Gassenfreitag betreibe und dass der organisierende ehemalige SPD-Stadtrat sich mit personeller sowie finanzieller Unterstützung am Vereinsleben sowie der Ausrichtung des Fests beteilige.
Ob diese Aussage des unpolitischen Feierns inklusive eines „SPD Hocks“ mit den Social-Media-Auftritten der Sozialdemokrat:innen haltbar ist, die sich in Wahlkampfzeiten für die gemeinsame Feierei mit den Anwesenden bedankten (und auch wohl im Anschluss an den kommenden Freitag am 7.6. wieder bedanken werden), bleibt genauso das Geheimnis des Niederburg-Vital-Vorstands. Überhaupt: Würden Sie als parteipolitisch aktive Person die Titulierung ihres Schaffens mit „unpolitisch“ als Kompliment auffassen?
So beschlossen die anwesenden Linken sodann an dem Abend, den Niederburg-Vital e.V. nicht mit linksradikalen Themen wie „zu hohe Mieten“ und „mehr Bus und Bahn“ zu überfordern und verdingten sich anderweitig, (…) um vor dem St.-Johann Gründerschiff Wahlkampfstände von FGL/Grünen sowie des Jungen Forums Konstanz (JFK) zu erblicken. Scheinbar, so fanden wir in Gesprächen mit einigen Grünen heraus, griff hier der Verweis auf die SPD. ‚Mist, hätten wir das doch in unserem E-Mail-Verkehr direkt erwähnt‘, denkt man sich so im Nachhinein.
Jedenfalls möchten wir unsere Mitstreiter:innen/politischen Kontrahent:innen von FGL und JFK an dieser Stelle noch einmal eindringlich warnen: Dass ihr teilnehmen dürft, stellt euch womöglich einen Persilschein auf eure unpolitische Haltung aus. Indizien für etwaige und undurchsichtige Willkür des Vereins Niederburg Vital e.V., wer genehm ist und wer nicht, vermögen wir als Linke in diesem Zusammenhang allerdings nicht zu erkennen.
Wegducken bei kritischen Nachfragen
Mit der Gesamtsituation und den oben geschilderten Beobachtungen konfrontierten wir Niederburg Vital in einer E-Mail, die wir am 12. Mai (…) an den Verein verschickten. Nachdem die ursprüngliche Absage an uns sehr prompt kam, scheint der Vorstand des Vereins seit Erhalt unserer Rückfragen wie vom Erdboden verschluckt. Auch eine Erinnerungsmail mit großzügig gesetzter Antwortfrist blieb bis dato unbeantwortet.
Natürlich, das streiten wir nicht ab, besaßen die Fragen bereits eine gewisse Schärfe, da wir finden, dass es ein G‘schmäckle hat, wenn eine Veranstaltung im Umkehrschluss als „unsauber“ verstanden würde, wenn wir mit von der Partie wären. Ob der Herr Vorstand an das alte, verstaubte, rechtsoffene Bild der linken „Schmuddelkinder“ dachte, als er sich zu seinen Worten hinreißen ließ, entzieht sich unserer Kenntnis. Weit entfernt davon war der Zungenschlag jedenfalls nicht.
Bündnis für gerechten Welthandel unpolitisch ausgeladen
Selbst das parteipolitisch unverdächtige Konstanzer „Bündnis für gerechten Welthandel“ – seit Sommer 2015 nahezu bei jedem Gassenfreitag vertreten, wurde jüngst vom Gassenfreitag verbannt. Ganz nebenbei beweist dies, dass in der Vergangenheit die Gassenfreitage durchaus eine politische Note hatten. Schon historisch ist daher die Behauptung, der Gassenfreitag sei unpolitisch, durchaus falsch.
Da muss die Frage erlaubt sein, ob und seit wann der Niederburg Vital e.V. unbequemere Themen an besagten Freitagen als Störung des niederen Burgfriedens betrachtet. Wir als Linke empfinden – immer die nötige Contenance vorausgesetzt – Bier und Wein in Kombination mit kontroversen Standpunkten jedenfalls von Haus aus als eher erfrischend.
An dieser Stelle ist es uns wert, ein besserwisserisches, linkes Statement zu setzen: Für manche Menschen ist es schwer vorstellbar, dass der Versuch, unpolitisch daherzukommen, ausnahmslos ein politischer Akt ist – denn dass um den Status quo gestritten wird, schafft bereits ein Politikum. Politische Themen sichtbar und unsichtbar zu machen, ist politisch. Die Linke als politisch zu betrachten und die SPD als nicht politisch zu betrachten, ist politisch – und verschweigt ganz nebenbei, dass sozialdemokratische Politik im Guten wie im Schlechten (politisch!) Auswirkungen auf die Geschichte der Bundesrepublik hatte.
Linke Konstanz gesprächsbereit
Letztlich möchten wir von Seiten der Linken Konstanz festhalten: Es tut uns leid, dass wir uns gezwungen sehen, diesen Strauß öffentlich ausfechten zu müssen, da offenbar darauf gesetzt wurde, dass die Sache unter den Tisch fällt. Und bei aller Ironie, die der oben geschilderte Sachverhalt enthalten mag, um unseren Standpunk möglichst bildhaft zu verdeutlichen: Den Verantwortlichen des Vereins Niederburg Vital e.V., deren menschenzusammenbringende Arbeit wir ansonsten sehr hoch einschätzen, steht weiterhin der Weg offen, uns per E-Mail oder telefonisch zu kontaktieren. Auf Augenhöhe, sauber und politisch.
Autor: Ryk Fechner, Kreisschatzmeister der Partei Die Linke Konstanz; Bild: H. Reile. Die Aufnahme zeigt einen beräderten und politischen Wahlkampfstand der Linken
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