Nicht viele politische Themen bewegen die Öffentlichkeit derzeit so sehr wie Deutschlands Haltung zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Auf Verhandlungen drängen und die Unterstützung für Kiew einstellen? Oder weiter aufrüsten – bis hin zur Stationierung neuer Atomraketen? Darüber informiert am Donnerstag einer, der von Konflikten mehr versteht als jene, die derzeit die Debatte bestimmen.
Nun kommt er also wieder nach Konstanz – und diesmal sogar als Preisträger: der Journalist, Friedensaktivist, Buchautor und glänzende Vortragsredner Andreas Zumach. Er war in den letzten Jahren öfters hier gewesen. 2015 und 2019 referierte er auf Einladung des Konstanzer Bündnisses für gerechten Welthandel über das damals geplante Freihandelsabkommen über Dienstleistungen (TiSA) und über Versuche, verbindliche Menschenrechtsnormen für Wirtschaftsunternehmen auf UN-Ebene durchzusetzen.
Dann hatte ihn der Bildungsverein seemoz e.v. vor Russlands Überfall auf die Ukraine zu einer Veranstaltung eingeladen, die nach Kriegsbeginn im Februar 2022 stattfand. Acht Monate später folgte er erneut einer Einladung des seemoz e.v. Und im März 2024 lud ihn die Konstanzer Friedensinitiative zu einem Vortrag ein, auf dem er auch ausführlich die Hintergründe des neuen Nahost-Kriegs erläuterte.
Und jetzt also wieder. Aber gibt es da überhaupt Neues zu erzählen? Und warum ausgerechnet er?
Ein Experte mit Vergangenheit
Nun, es gibt im deutschsprachigen Raum kaum einen Fachmann, der auf so viele Recherchen, Erkenntnisse und Erfahrung zurückgreifen kann wie Andreas Zumach. Von 1988 bis 2020 war er Korrespondent am UNO-Sitz in Genf, von wo aus er regelmäßig für die Berliner tageszeitung (taz), die Zürcher Wochenzeitung WOZ und weitere Blätter sowie Rundfunk- und Fernsehanstalten berichtete.
Zu seinen Spezialgebieten gehören internationale Konflikte (beispielsweise Irak, Syrien, Afghanistan, Ukraine) sowie Aspekte der Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle, des Völkerrechts und der Menschenrechte. Außerdem erschien von ihm im Zürcher Rotpunktverlag das Buch „Reform oder Blockade – welche Zukunft hat die UNO?“.
Sein Engagement beschränkte sich jedoch nicht auf die reine Berichterstattung: So gehörte er zu den Hauptorganisatoren der großen Friedensdemonstrationen gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen Anfang der 1980er Jahre, an denen 1983 in Berlin, Bonn und mit der Friedenskette bei Ulm bis zu einer Million Menschen teilnahmen. Und die, so der damalige sowjetische Präsident Michael Gorbatschow, mit dazu beitrugen, dass die USA und die UdSSR 1987 die INF-Verträge über nukleare Mittelstreckenraketen unterzeichneten. Sie traten 1988 in Kraft und sahen die Vernichtung aller langgestützten Atomraketen mittlerer und kürzerer Reichweite vor; wurden aber 2019 von beiden Seiten gekündigt.
Zwischen den Stühlen
Zumach engagiert sich nicht nur vor Ort. Er kann auch differenzieren, Widersprüche erkennen, Propaganda von Fakten unterscheiden. Das ist nicht zu unterschätzen in einer Zeit, in der – massenmedial beeinflusst – nur noch Schwarz-Weiß-Denken, nur noch simple Freund-Feind-Wahrnehmung, nur noch die Unterscheidung in Gut und Böse zu gelten scheint. Manchmal zwischen den Polen zu stehen, stets Kritik zu äußern, wenn diese angebracht ist: Das ist nicht immer angenehm, gehört aber zum aufklärerischen Journalismus.
Zu was Differenzierung führen kann, hat Zumach mehrfach erlebt. Als er 1988 nach einem Auftritt von Jassir Arafat vor der Menschenrechtskommission der UNO in Genf fragte, ob es dem Frieden diene, wenn der (damalige) Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO ständig Israels Politik mit dem Vorgehen der Nazis vergleiche, reagierte Arafat mit einer zehnminütigen Tirade; er bezeichnete Zumach als „Agenten des Zionismus“ und ließ ihn aus dem Saal werfen.
Einige Zeit später bekam er von einer Vertreterin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Stuttgart den gegenteiligen Vorwurf zu hören. Zumach sei „ein antiisraelisch agierender Referent“, urteilte diese und unterstellte ihm eine antisemitische Haltung. Sie musste kurz darauf ihre Aussagen widerrufen – und doch hält sich in der jüdischen Community ein übler Verdacht, der mit Fakten offenbar kaum auszuräumen ist.
Zuhören, mitdiskutieren
Dabei wäre es ziemlich einfach, solche (und ähnliche) Vorurteile auszuräumen – von welcher Seite sie auch kommen. Hingehen, zuhören, mitdiskutieren. Beispielsweise an diesem Donnerstag, 10. Oktober, wenn Andreas Zumach im Edith-Stein-Haus auftritt. Thema seiner Ausführungen: „‚Pazifistisches Wolkenkuckucksheim‘ ade? Deutschlands (Irr)weg in die ‚internationale Verantwortung‘. Von der Wiedervereinigung bis zur ‚Kriegstüchtigkeit’“.
Bei dieser Veranstaltung verleiht die Friedensini auch erstmals den Konstanzer Friedenspreis. Er geht an Personen, so Maik Schluroff, die sich in besonderer Weise um Abrüstung und/oder Aufklärung über zivile/diplomatische Lösungen internationaler Konflikte verdient gemacht haben. Und dies gelte ganz besonders für Andreas Zumach.
Donnerstag, 10. Oktober, 19:30 Uhr. Edith-Stein-Haus, Gustav-Schwab-Straße 10b (nahe beim Petershauser Bahnhof)
Text und Fotos (von Zumachs letzter Veranstaltung, März 2024 im Astoria-Saal): Pit Wuhrer
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