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Er schimpft nicht nur auf Flüchtlinge und Migration, lästert über Minderheiten und kooperiert mit der großteils rechtsextremen AfD: CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat auch ein ausgeprägtes Frauenbild. Am Mittwoch, 5. Februar, poltert er ab 19 Uhr in der Stadthalle Singen. Die Partei Volt hat eine Gegenkundgebung angekündigt.
Zu Joachim-Friedrich Martin Josef Merz wurde eigentlich schon alles gesagt, spätestens seit letzter Woche. Die Fakten liegen offen auf dem Tisch; auch wenn Meinungen, Einschätzungen und Interpretationen je nach politischem Lager variieren. Die Deutungshoheit über den Kurs von Merz und der CDU liegt nicht mehr in deren Händen, das mag neu sein. So wie die vielen demonstrierenden Menschen, die seit Tagen nicht lockerlassen und das Paktieren von Merz und seiner CDU als das benennen, was es ist – ein Schub für die Faschisten und ein Brandbeschleuniger für faschistisches Gift in der Mitte der Gesellschaft.
Und doch ist die diskursive Stimmung in Deutschland derart mit so vielen populistischen, hetzerischen Lügen aufgeladen, insbesondere gegen Minderheiten, dass manche Fakten über und gegen Merz nicht oft genug gesagt werden können.
Merz hat es geschafft, in nur wenigen Wochen zur Disposition zu stellen, wer zu Deutschland gehört und wer nicht, wessen Leben mehr wert ist und wessen weniger, welchen Platz wer in unserer Gesellschaft einzunehmen hat und wieviel mehr politische Macht man einer faschistischen Partei zubilligt. Er hat angekündigt, dass er die ganz große Wende herbeiführen wolle und die hat er längst politisch und gesellschaftlich eingeläutet. In Manier eines Mini-Trumps gelang es ihm, den Populismus der AFD auf ein höheres Niveau zu heben, Lügen, Panikmache, Zersetzung und Hetze politisch zu normalisieren und gesellschaftlich zu etablieren.
Das Prinzip Lügen
Oft zitiert wird dieser Tage Hannah Arendt. Arendt hat sich als politische Philosophin mit dem Entstehen und Wirken totalitärer Herrschaft befasst, mit der „Banalität des Bösen“ und in den 1960er Jahren – während der ersten Versuche der Holocaust-Aufarbeitung – mit dem Einfluss von Wahrheit versus Lügen in der Politik. In ihrem Buch „Wahrheit und Politik“ schrieb sie: „Wenn die modernen Lügen sich nicht mit Einzelheiten zufriedengeben, sondern den Gesamtzusammenhang, in dem die Tatsachen erscheinen, umlügen und so einen neuen Wirklichkeitszusammenhang bieten, was hindert eigentlich diese erlogene Wirklichkeit daran, zu einem vollgültigen Ersatz der Tatsachenwahrheit zu werden?“
Die Tatsachenwahrheit, kurz eine Übereinstimmung von Aussagen, Überzeugungen und objektiver Realität ist nach Arendt ein wichtiger Pfeiler demokratischer Aushandlungsprozesse in der Politik. Ohne Wahrheiten, ohne Fakten sind Verständigungen, Kommunikation und Interventions- und Entscheidungsfindungen innerhalb der Politik kaum machbar.
Gleichwohl gehören pluralistische Standpunkte und auch Meinungen zur Politik. Dominieren aber Meinungen jenseits von Fakten, oder werden gar bewusste Verbreitungen von Falschinformationen, Lügen, und manipulierte Medienberichte zur Agenda und zum Werkzeug der politischen Durchsetzung, bewegen wir uns im Bereich der Propaganda – mit dem Ergebnis, dass die Öffentlichkeit den Bezug zur Wahrheit und den Glauben in öffentlichen Institutionen verliert.
Diese Propaganda kennen wir von der NSDAP, von der AfD und neuerdings auch von Merz` CDU. Natürlich vereinfachen rechtspopulistische Strategien komplexe Tatsachen und nutzen schamlos jede Krise für eigene Propagandazwecke. Nehmen wir nur ein Beispiel von Merz` menschenverachtenden, volksverhetzenden Lügen, die er vergangene Woche im Bundestag von sich gab: Es würde „tagtäglich stattfindende Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber“ in Deutschland geben. Nein, die gibt es nicht. Und ja, es ist eine Schande für die Demokratie, dass im Deutschen Bundestag derartige Lügen frei geäußert werden dürfen.
Das Frauenbild von Merz
Die ersten größeren Protestbewegungen gegen Merz starteten schon vor einigen Monaten im Netz unter dem Hashtag „Frauen gegen Merz! Nicht unser Kanzler!“ Hier haben sich Frauen aus der Mitte der Gesellschaft zusammengetan, um über Merz‘ Frauenfeindlichkeit aufzuklären.
Das wundert nicht, denn fast jede Frau stößt in ihrem Leben mal an einen Merz, das heißt auf einen machtgeilen Mann, der Karriereniederlagen nur schlecht wegstecken kann, sich selbst und seine Talente gerne überschätzt (große Hybris), jedes Pöstchen nutzt, um seinen Mitmenschen das Leben schwer zu machen und sich selbstredend einbildet, am besten zu wissen, was gut ist für die Frau.
In der Politik kann man den Menschen von seinem Werk nicht trennen, und bei Merz ist das seit dreißig Jahren eindeutig frauenfeindlich. Er stand in seiner politischen Karriere gerne rechts der CDU-Mehrheit mit seinem rechts-reaktionären Frauenbild: 1995 stimmte er gegen das „Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz“; 1997 war er dagegen, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar wird , ihm ginge der Schutz der Ehe vor; 2001 äußerte er sich offen homophob gegen den Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit; 2006 votierte er gegen das Gleichbehandlungsgesetz; 2020 verschwurbelte er Homosexualität mit Pädophilie; und 2024 setzte er sich gegen die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein – den Anspruch der Frauen auf ihren eigenen Körper spricht er ihnen konsequent ab.
Ein Multimillionär für die Anhebung des Rentenalters
Das Wort „Faschismus“ stammt bekanntlich vom italienischen „fascio“, was „Bund“ bedeutet, das wiederum aus dem lateinischen „fasces“, dem Ruten- oder Ährenbündel, stammt. Etwas bildhaft und sehr abgekürzt setzt sich die Ideologie des Faschismus aus einem Bündel von Abscheulichkeiten zusammen: Frauenfeindlichkeit, Nationalismus, Rassismus, Homophobie, entschlossene Grausamkeit gegenüber Minderheiten und vieles mehr.
Merz liebäugelt mit vielen Ruten des faschistischen Bündels. Ob man ihn einen Faschisten nennen mag, muss jeder für sich wissen. Sprachlich, rhetorisch und inhaltlich bedient er sich rechtspopulistischer Muster, die bekanntlich aus dem Gruselkabinett des Faschismus schöpfen.
Sein besonders hervorgehobenes Engagement für Großunternehmer und Millionäre ist weithin bekannt: 2006 erkämpfte er vorm Verfassungsgericht, dass er seine Nebeneinkünfte nicht offenlegen muss; er hatte als Abgeordneter bis zu 18 Nebeneinkünfte als Vorstandmitglied oder Beirat. Er ist ein Multimillionär, der sich selbst zur Mittelschicht erklärt. Hingegen forderte er schon 2000 die Anhebung des Rentenalters für Arbeiter:innen auf 70 Jahre – ganz logisch eigentlich, wenn man alle nicht-deutschen Beschäftigten abschiebt und vergrault. Den Klimawandel verharmlost er neuerdings auch und will wie Alice Weidel Windräder wieder abbauen. Und die italienische Faschistin Georgia Meloni findet er auch ganz passabel.
Die Brandbeschleuniger von der CDU
Interessierte konnten beobachten, wie seine rassistischen Äußerungen zunahmen: 2000 forderte er von migrantischen Menschen eine Anpassung an die deutsche „Leitkultur“; 2022 warf er ukrainischen Geflüchteten Sozialtourismus vor; 2023 bezeichnete er alle migrantischen Kinder als „kleine Paschas“; 2023 behauptete er, dass er wegen all den Ausländer:innen keine Zahnarzttermine bekäme. Und 2025 will er das Recht auf Asyl de facto abschaffen und deutschen Staatsbürger:innen mit Migrationshintergrund die Staatsbürgerschaft aberkennen, sollten sie straffällig werden.
Gebetsmühlenartig beschwört er in den Talkshows Szenarien einer „Asyl- und Ausländerkriminalität“ – trotz besseren Wissens blieb der Widerspruch meist aus. Sämtliche Kriminalstatistiken belegen keine Zunahme, sondern einen Rückgang der so genannten „Ausländerkriminalität“, Gewalttaten gegen Frauen werden überwiegend von deutschen Männern an deutschen Frauen vergangen, bevorzugt in der von ihm so hoch geschätzten Kleinfamilie, und genau genommen sind Flucht und Asyl auch nicht illegal.
Gleichzeitig sind 2024 die Angriffe auf Flüchtlingswohnheime um mindestens 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, das ergab vor wenigen Tagen eine Anfrage der Linken im Bundestag. Die Merz-CDU ist ein Brandbeschleuniger genau dieser Gewalt gegen Geflüchtete.
Männer sind die Messerstecher
Die schreckliche Tat von Aschaffenburg hat Merz selbstredend zum Anlass genommen, alle migrantischen Menschen in „Sippenhaft“ zu nehmen. Anstatt das Offensichtlichste mal anzusprechen: Alle Messerstecher sind Männer. Wie die meisten Mörder, insbesondere von Frauen und Kindern. Beim Thema Gewalt haben wir nämlich vor allem ein Männerproblem. Er aber instrumentalisiert das Leid der Opfer für seine kruden, rassistischen Vorstellungen. Die Resultate haben wir am vergangene Woche im Bundestag gesehen – die CDU ging einen (in ihren Augen legitimen) politischen Pakt mit Faschisten ein.
Die einzig richtige Konsequenz dieser politischen Katastrophe für Deutschland wäre, Merz und seine Mitstreiter aus dem politischen Geschäft zu nehmen. Verantwortungsbewusste CDUler wissen um Kollektivverantwortung und sie stehen in der Verantwortung, ihr internes Faschismusproblem zu lösen, sofern sie noch zur demokratischen Mitte gehören wollen.
Um so wichtiger sind Bewegungen wie „#Frauen gegen Merz“, „#Jugend gegen Merz“ und nun auch „#alle gegen Merz“. Ein großer Hoffnungsschimmer für migrantische Menschen und Demokrat:innen sind die Zigtausenden, die gegen den Merz‘schen Kurs demonstrieren und für Demokratie, für die Rettung von Fakten und für Menschlichkeit auf die Straße gehen.
Text: Abla Chaya
Illustration: Titel: Screenshot eines Instagram-Posts
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Kundgebung zu Merz in Singen
Ursprünglich hatten drei Organisationen eine Protestaktion anläßlich des (ausverkauften) Auftritts von Friedrich Merz in der Singener Stadthalle angekündigt: die AfD, der Verein Integration in Singen (InSi) und die sozialliberale, ökologisch orientierte Partei Volt. Doch dann sagte die AfD ihren Aufmarsch ab, und nachfolgend auch InSi. Damit steht nur noch Volt – so eine Ankündigung auf ihrer Instagram-Seite – vor der Stadthalle.
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