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Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (7)

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Der sture Lordkanzler

„Dieser Tag ist das Ende der Knechtschaft, er ist die Geburt der Freiheit!“, jubelte er, als Heinrich VII. 1509 endlich unter der Erde lag. Der englische Parlamentsabgeordnete konnte ja nicht ahnen, dass dessen Nachfolger, Heinrich VIII., noch weitaus fordernder sein würde – nicht aus pathologischer Habgier wie der alte, sondern aus dynastischem Ehrgeiz. Er selbst war damals 31 Jahre alt, Vater von vier Kindern und Inhaber einer Anwaltskanzlei. Gebildet, humorvoll und wortgewandt, stand er am Anfang einer großen Karriere. Wäre er doch nur Anwalt geblieben!

Ein Traumberuf war das für ihn allerdings nie gewesen. Der 1478 in London geborene Richtersohn verachtete die Advokatenzunft, die mit Winkelzügen Recht und Wahrheit beugte. Viel lieber wäre er Geistlicher geworden, hätte in Einsamkeit und Kontemplation ein gottgefälliges Leben geführt und – vielleicht vor allem – in Ruhe die antiken Schriften studiert. Sein Vater war aber dagegen, und er selbst ahnte bereits, dass die obligate sexuelle Enthaltsamkeit ihm Mühe bereiten würde. So wurde er eben Jurist und beschied sich damit, „lieber ein guter Ehemann als ein schlechter Priester“ zu sein.

Seine antiken Vorbilder las er dennoch, auch Platons „Staat“, was ihn 1516 zu einem „nicht weniger heilsamen denn kurzweiligen Büchlein von der besten Verfassung“ inspirierte, welches noch Jahrhunderte später die Menschen beschäftigen sollte. Obwohl er darin den schmarotzenden Adel, den prassenden Klerus, ungerechte Gesetze und unbelehrbare Regenten kritisierte, war seine Stellung bei Hof derart gefestigt, dass es seiner Laufbahn nicht schadete. Er erklomm immer höhere Staatsämter, saß bald mit Ritterschlag im Obersten Gerichtshof und wurde in den engsten Beraterstab des Königs berufen. Wie wenig eine opponierende Stimme darin zählte, wusste er genau, auch, dass der Grat zwischen Achtung und Ächtung einen Balanceakt erforderte. Und er balancierte gut. Bis er 1529 Lordkanzler wurde.

Bis dahin hatte er an der Seite Heinrichs VIII. romtreu mit Wort und Tat die lutherischen Häretiker bekämpft. Doch dann weigerte sich der Papst, Heinrichs Ehe mit Katharina von Aragon zu annullieren. Als der König daraufhin die anglikanische Kirche gründete und sich zu deren Oberhaupt erklärte, war die Langmut des Lordkanzlers erschöpft: Er beharrte auf der Trennung von Kirche und Staat, verweigerte – als einer von wenigen – dem König die Gefolgschaft und wurde 1535 als Hochverräter hingerichtet.

Wer war der gottesfürchtige Rebell, der als Schriftsteller eine bis heute unvergessene Insel mit der Hauptstadt Amaurotum erfand, auf der es kein Privateigentum gab und sechs Stunden Arbeit am Tag genügten, um Überfluss für alle zu schaffen?

Text: Brigitte Matern

Auflösung des Rätsels

In unserem Rätsel fragten wir nach dem englischen Schriftsteller, Politiker und Philosophen Thomas Morus (1478–1535). Er ist Autor des 1516 auf Lateinisch erschienenen Romans „Ein wahrhaft gül­de­nes, nicht weniger heilsames denn kurz­wei­li­ges Büchlein vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“, in dem er eine ideale Gesell­schaft entwirft. International viel beachtet, wurde es bald in mehrere Sprachen übersetzt, 1524 auch ins Deutsche. Auf Englisch erschien es aller­dings erst rund ein halbes Jahrhundert später. Das Buch wurde Namensgeber der sogenannten utopi­schen Literatur. 1935 wurde Thomas Morus von Papst Pius XI. als Märtyrer heiliggesprochen. brm

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