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Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (64)

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Der vaterlandslose Pragmatiker

Mit neunzehn saß er das erste Mal in Haft, weil er sich für die aufständischen PolInnen im preußisch besetzten Posen begeisterte. Danach war ihm die Polizei auf den Fersen, weil er eine Solidaritätskundgebung für einen politischen Gefangenen organisiert hatte. Einen Job als Privatdozent konnte der 1826 in Hessen geborene Theologie-, Philologie- und Philosophie-Student nun vergessen. Damals, 1847, wäre er fast in die USA ausgewandert, um mit Gleichgesinnten eine Ackerbaugenossenschaft zu gründen. Doch dann überredete man ihn zu bleiben.

Und so war er zur Stelle, als im Februar 1848 die FranzösInnen ihren König absetzten und die Aufstandswelle auf die reaktionären deutschen Kleinstaaten übergriff. Er kämpfte zunächst auf den Barrikaden von Paris, kurze Zeit später als Leutnant in der badischen Revolutionsarmee. Nach der Niederlage floh er in die Schweiz, wurde 1850 wegen „sozialistischer Umtriebe“ ausgewiesen und ging nach England ins Exil, aus dem er erst 1862 zurückkehrte.

Von Reformen hielt der Radikaldemokrat wenig. Er glaubte, dass nur eine Revolution die Herrschaftsverhältnisse wirklich verändern könne. Als Pragmatiker war der spätere Reichstagsabgeordnete aber zu Kompromissen bereit: Zum einen wollte er unter allen Umständen eine Vormachtstellung des militaristischen Preußen in einem künftig geeinten Deutschland verhindern. Zum anderen hoffte er, dass sich im Schulterschluss mit den jungen Gewerkschaften eine schlagkräftige ArbeiterInnenorganisation aufbauen ließ. Das erste misslang; die Strategie der Parteienbündnisse und Zusammenschlüsse aber ging auf. Auch dank der Sozialistengesetze Bismarcks, die die Bewegung zwölf Jahre in den Untergrund verbannt und damit enorm gestärkt hatten: 1890 errang die frisch aus der Taufe gehobene SPD bei den Reichstagswahlen aus dem Stand 20 Prozent der Stimmen.

Sein Einsatz gegen Kolonialismus und Krieg, für Völkerverständigung und die sozialistische Internationale brachte dem Chefredaktor des „Vorwärts“ insgesamt sechs Jahre Gefängnis ein; zuletzt saß er 1896 wegen Majestätsbeleidigung hinter Gittern. Wer war der im August 1900 verstorbene „Soldat der Revolution“, für den Demokratie ohne Sozialismus keine Demokratie und Sozialismus ohne Demokratie kein Sozialismus war?

Text: Brigitte Matern

Auflösung des Rätsels

Diesmal fragten wir nach dem deutschen Politiker und Publizisten Wilhelm Liebknecht (1826–1900). Er ist eines der profiliertesten Gründungsmitglieder der deutschen Sozialdemokratie. 1866 hob er zusammen mit August Bebel die Sächsische Volkspartei aus der Taufe. Deren linker Flügel ging später in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei auf, der Vorläufer-Organisation der SPD. An seinem Begräbnis im August 1900 – er wollte auf dem Armenfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde bestattet werden – nahmen über hunderttausend Menschen teil.

Im Südbadischen hatte sich Liebknecht während der Revolutionszeit aufgehalten. Im September 1848 beteiligte er sich am (zweiten) Aufstand der RadikaldemokratInnen um Gustav Struwe, wurde bei seiner Flucht auf der Rheinbrücke von Säckingen geschnappt, saß anschließend in Freiburg im Gefängnis, kam erst nach sieben Monaten im Zuge der dritten Erhebung (von Rastatt) frei und floh nach der neuerlichen Niederlage der Revolution in die Schweiz. Über seine Jahre im Londoner Exil und seine „Bierreisen“ mit Karl Marx verfasste er ein höchst anschaulich geschriebenes Buch: „Karl Marx zum Gedächtnis. Ein Lebensabriss und Erinnerungen.“ brm

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