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Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (63)

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Die couragierte Oberschwester

Der Massenmord hatte bereits begonnen, als sie im Oktober 1942 ihre Stelle in der Sanitätsstation antrat. „Die Front, das ist ein Kinderspiel im Verhältnis zu Auschwitz“, wurde sie von SS-Hauptsturmführer Robert Mulka begrüßt, die seelische Belastung sei kaum auszuhalten, die Sterblichkeit unter den Häftlingen betrage monatlich sieben- bis achttausend – „eine wirklich schreckliche Arbeit“, bedauerte er sich selbst, „die aber für uns nötig“ sei.

Gegenüber der neuen Krankenschwester konnte er offen sprechen, schließlich hatte sie sich freiwillig für den Dienst in Auschwitz gemeldet. Diese trieb jedoch nicht NS-Fanatismus hierher, sondern reine „Menschenpflicht“: Sie wollte wissen, was hinter den grauenhaften Gerüchten über das Lager steckte, „und vielleicht“, so schrieb sie ihrer entsetzten Schwester in Bregenz, „kann ich auch etwas Gutes tun.“

Als Oberschwester des SS-Reviers war die 1898 in Kärnten geborene Gastwirtstochter für das kranke Lagerpersonal zuständig; das Lager selbst durfte sie nicht betreten. Couragiert setzte sie sich jedoch darüber hinweg wie auch über das Verbot, mit den in der Station tätigen Häftlingen zu sprechen. Und so war sie bald ein wichtiges Scharnier zwischen der lagerinternen „Kampfgruppe Auschwitz“ und den polnischen PartisanInnen draußen. Sie versorgte KZ-Häftlinge mit Lebensmitteln und Medikamenten, gab ihnen Informationen über den Kriegsverlauf und geplante Aktionen der Lagerverwaltung weiter und sorgte dafür, dass Beweismaterial über die NS-Verbrechen im Lager nach außen gelangte. Später – die Räumung des Lagers wurde bereits vorbereitet – half sie beim Einschleusen von Waffen und Sprengstoff, womit Häftlinge verhindern wollten, dass die SS noch kurzerhand Zehntausende ZeugInnen beseitigte. Der geplante Aufstand konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Annähernd 60.000 Menschen wurden auf Todesmärsche geschickt.

Der Beteiligung an Massentötungen verdächtigt, wurde sie nach Kriegsende von der französischen Besatzungsbehörde im Lager Brederis bei Rankweil interniert. Unerträgliche Monate verbrachte sie dort unter NS-VerbrecherInnen, bis sie schließlich auf Fürsprache polnischer Widerstandskämpfer freikam. Von ihrem Berufsstand enttäuscht, mochte sie nicht mehr als Krankenschwester arbeiten. Sie fand einen Job als Näherin in einer Bregenzer Textilfabrik, litt an dem hartnäckigen Schweigen ihrer Umwelt und starb 1957 mit gerade nur 59 Jahren an Herzversagen.

Wer war die Ehrenpräsidentin des österreichischen KZ-Verbands der NS-Opfer, die ihren „Reichtum an Liebe in Auschwitz verströmt“ hatte und es danach schwer fand, „ohne Illusionen weiterleben zu müssen“?

Text: Brigitte Matern

Auflösung des Rätsels

Wir fragten nach der österreichischen Widerstandskämpferin Maria Stromberger (1898–1957). Aus dem Internierungslager schrieb sie 1946 an den polnischen Widerstandskämpfer und Ex-Häftling Edward Pys: „Wissen Sie, ich bin mitten unter Nazis, SS, Gestapo!! Ich als ihr größter Feind! Und muss ihre Redensarten tägl. anhören über die ‚Ungerechtigkeit‘ u. ihre Klagen, was die Menschen jetzt mit ihnen tun. Dann stehen vor meinem geistigen Auge die Erlebnisse von Auschwitz!! Ich sehe die Feuerscheine der Scheiterhaufen! Ich verspüre den Geruch verbrannten Fleisches in der Nase, (…) die würgende Angst, welche ich jeden Morgen um Euch gehabt habe (…), ich könnte diesen hier ins Gesicht schreien und blind auf sie losgehen. Das Tollste daran ist, dass ich noch still sein muss, sonst boykot­tieren sie mich noch.“

Stromberger hatte nicht nur im Umgang mit den KZ-Häftlingen Zivilcourage gezeigt, sondern auch in der direkten Auseinandersetzung mit der Lagerleitung: Als Mitte 1944 in der sogenannten Aktion Höss in Auschwitz die Ermordung von über 400.000 ungarischen JüdInnen vorbereitet wurde, verweigerte sie die Unterschrift unter ein Papier, welches das Sanitätspersonal dazu verpflichtete, „mit allen Kräften und Mitteln“ daran mitzuarbeiten. 1947 trat sie in Warschau als Zeugin der Anklage gegen den kurz darauf hingerichteten Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höss auf. Sein Adjutant Robert Mulka, der für die Beschaffung des Giftgases Zyklon B und den Transport der Gefangenen in die Gaskammern verantwortlich war, wurde 1965 zu vierzehn Jahren Zuchthaus verurteilt, 1966 jedoch wegen Haftunfähigkeit entlassen.

Es dauerte lange, bis Strombergers Widerstandsarbeit öffentlich gewürdigt wurde. In Bregenz erinnert heute ein Straßenname an sie sowie eine Station auf dem Gedenkweg Widerstand und Verfolgung 1938–1945 (seit 2002) und das 2015 eingeweihte Widerstands- und Deserteursmahnmal am Sparkassenplatzbrm

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