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Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (48)

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Die zähe Falken-Mutter

Mit siebzehn wäre sie aus Verzweiflung fast zur Mörderin geworden. Sie schwang die Axt bereits über dem Kopf, als die Mutter dazwischenging. Für einen Moment hatte sie geglaubt, wenn sie den Vater erschlüge, hätten Hunger und Not ein Ende. Doch das Leben bot mehr Ungerechtigkeiten als einen Vater, der prügelte und soff. Das wusste die 1894 in Basel geborene Arbeitertochter schon mit vierzehn. In einer Seidenspinnerei in Höngg bei Zürich, wo sie gegen miesen Lohn edle Jacquard-Tapeten für das englische Königshaus wob, verdienten Frauen weniger als Männer und verrichteten die schwierigere Arbeit. Umgehend war sie der Gewerkschaft beigetreten.

Vielleicht lag es auch an der Großmutter, dass sich die „Aufwieglerin“ so zäh für eine gerechte Welt einsetzte; immerhin hatte diese 1848 an der Revolution teilgenommen. Beim Generalstreik 1912 sorgte die Enkelin jedenfalls dafür, dass die Zürcher Trams im Depot blieben, und kämpfte so lange für bessere Bedingungen in den Textilfabriken, bis keiner sie mehr einstellen wollte. Sie schlug sich als Putzfrau, Bauarbeiterin, Schneidergehilfin durch, amtete daneben im Vorstand der Sozialistischen Jugend, warb Frauen für die Gewerkschaft, hielt Vorträge, Reden.

Dann bat Ernst Toller, 1918 Mitorganisator der Münchner Räterepublik, die zuverlässige Arbeiterin, in Bayern das Büro der Roten Armee zu verstärken. Revolution!, jubelte sie. Doch das deutsche Demokratie-Experiment wurde nach wenigen Wochen in Blut ertränkt, die GenossInnen eingekerkert oder erschossen. Sie selbst schob man nach monatelanger Haft in die Schweiz ab. Deprimiert ging sie als Zimmermädchen nach Italien und landete dort, weil sie vor den Faschisten den Mund nicht halten mochte, erneut im Gefängnis.

1922 fand sie dann in Bern ihre große Liebe, heiratete und hatte endlich Zeit für Abitur, Universität und – eine weitere Herzenssache – die Gründung der Berner Roten Falken, eine der ersten sozialistischen Kinderorganisationen der Schweiz. Dass sie neben deren Leitung die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit mitorganisierte, Unterschriften für eine Altersversicherung und das Frauenstimmrecht sammelte, später die Berner Spanienhilfe auf die Beine stellte, im Krieg Flüchtlinge versteckte und sich beim Roten Kreuz engagierte – das alles war für sie selbstverständlich. Nach dem Tod ihres Mannes stand sie jedoch mit 56 Franken Rente da und musste, 62-jährig, wieder putzen gehen.

Wer war die SP-Frauenagitationskommissionsvorsitzende, die in vielen Kindern den Sinn für Gerechtigkeit und Solidarität weckte, bevor sie mit 99 Jahren starb?

Text: Brigitte Matern

Auflösung des Rätsels

Wir fragten nach der Schweizer Sozialistin und Frauenrechtlerin Anny Klawa-Morf (1894–1993). Sie war mit dem lettischen Typografen und Sozialisten Janis Klawa verheiratet. Als er 1956 starb, arbeitete sie zunächst als Putz- und Waschfrau. Dann besorgte ihr ein Gewerkschaftskollege einen Bürojob bei der Krankenkasse des Metall- und Uhrenarbeiterverbands SMUV, für die sie bis ins 85. Lebensjahr tätig blieb. 2010 widmete man ihr in Zürich einen Platz. Empfohlene Lektüre: Annette Frei, „Die Welt ist mein Haus. Das Leben der Anny Klawa-Morf“, Limmat Verlag 1991. brm

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