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Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (34)

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Die schamlose Christin

Wie gern hätten die britischen Politiker das Thema einfach unter den Teppich gekehrt. Schließlich hatten sie mit den Gesetzen zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten 1864 bereits eine Lösung für die besonders betroffenen Garnisons- und Hafenstädte gefunden: Während sie die Freier aus jeder Verantwortung entließen, ordneten sie für Prostituierte Zwangsuntersuchungen und Internierungen an. Aber da hatten sie die Rechnung ohne die Britinnen gemacht. Empört über die Doppelmoral brachen selbst die Damen der besseren Gesellschaft das sittliche Gebot des Schweigens. Allen voran eine einundvierzigjährige Priestergattin, die für ein Leben in christlicher Keuschheit plädierte, zugleich aber Prostituierten eine Würde und das Recht zusprach, mit Sex Geld zu verdienen, wenn sie es denn wollten. Das war unerhört.

1828 als siebtes von neun Kindern in Northumberland geboren, war die schamlose Gutsbesitzertochter in einer liberalen Familie aufgewachsen. Der Vater engagierte sich in der Liga gegen die Getreidezölle, mit denen Lebensmittelpreise künstlich hoch gehalten wurden; sie selbst gewann in der Antisklavereibewegung erste Kampagnenerfahrung. Als sie sich, inzwischen Mutter von vier Kindern, karitativ um „gefallene Mädchen“ in Arbeitshäusern kümmerte, schärfte sich auch ihr Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse: Diese Unglücklichen waren meist Opfer ihrer elenden Lebensumstände. Via Spenden organisierte sie bessere Unterkünfte, Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten für die Frauen, sodass sie sich, als sie in ihren „Kreuzzug“ gegen die untauglichen Gesetze zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten zog, bereits landesweit einen Namen gemacht hatte.

Sechzehn Jahre protestierte und lobbyierte die charismatische Christin gegen das repressive Vorgehen der Regierung, gab mit ihren Mitstreiterinnen Zeitschriften und Broschüren heraus, verteilte Flugblätter, hielt Vorträge, lancierte Petitionen und Gesetzesentwürfe und vernetzte unermüdlich. Als nach zähem Ringen die Gesetze endlich abgeschafft waren, fand sie im Kampf gegen Kinderprostitution und Mädchenhandel ein neues, nicht minder umstrittenes Agitationsfeld.

Wer war die oft an Leib und Leben bedrohte, 1906 verstorbene Sozialreformerin, die sich gern in Grindelwald erholte und deren umfassendes Engagement Frauenbewegungen in ganz Europa inspirierte?

Text: Brigitte Matern

Auflösung des Rätsels

Wir fragten nach der englischen Frauenrechtlerin und Publizistin Josephine Elizabeth Butler (1828–1906). Durch die Gesetze zur Bekämpfung von Geschlechts­krankheiten von 1864 (die Contagious Diseases Acts, die später noch verschärft wurden) waren der Polizeiwillkür Tür und Tor geöffnet. Der Prostitution verdächtigte Frauen konnten jederzeit auf Geschlechts­krankheiten untersucht werden (Frauenrechtlerinnen nannten das „Vergewaltigung mit Instrumenten”); weigerten sie sich, drohte Zwangsarbeit.

Butler setzte statt auf Repression auf die Eigenverantwortung der Sexarbeiterinnen: auf freiwillige Untersuchungen, für die der Staat Ärztinnen einstellen sollte, und kostenlosen Zugang zu Krankenhäusern. 1886 wurden die Gesetze abgeschafft. Butlers späteres Engagement gegen Kinderprostitution und Mädchenhandel bewirkte einen besseren Schutz vor sexuellem Missbrauch unter anderem dadurch, dass das Ehemündigkeitsalter von Mädchen von dreizehn auf sechzehn Jahre angehoben wurde. brm

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