Ein digitales Verkehrsmanagement (DVM) soll in Konstanz die Staus am Wochenende entzerren. Es geht also nicht darum, die kaufwilligen Massen vom Auto in die öffentlichen Verkehrsmittel umzulenken oder zu zwingen, sondern darum, den Stau schneller fließen zu lassen. Mit Klimawende hat auch diese Maßnahme nichts zu tun, eher mit einer Kapitulation vor der Macht des angeblich Faktischen.
Informationen über das Manuelle Verkehrsmanagement per Verkehrskadetten finden Sie hier.
In Zeiten wie diesen, in denen es derart an Geld mangelt, dass der Schulschwimmunterricht in Frage gestellt und die seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten geheiligten Kulturinstitutionen der Stadt von Amputation bedroht sind, fehlt es dennoch nicht an Finanzmitteln, den Einkaufsverkehr nach Konstanz komfortabler zu machen. Deshalb wurde jetzt vom Technischen und Umweltausschuss beschlossen, ein digitales Verkehrsmanagement zunächst einmal zu planen – was in den nächsten beiden Jahren allein schon mal mit 450.000 Euro zu Buche schlägt.
Die Umsetzung könnte etwa 2026 und 2027 stattfinden und wird, wenn sie denn kommt, derzeit auf weitere 4.240.000 Euro geschätzt. Insgesamt sollen damit also nahezu fünf Millionen Euro ausgegeben werden, um die Staus am Wochenende zu reduzieren. Außerdem soll das Verkehrsmanagement irgendwie mit der Smart Green City verknüpft sein, aber wie bei praktisch allem, was mit dieser Wolkenschieberei zu tun hat, verstellen Nebel den Blick auf dessen konkreten Beitrag und Nutzen.
Was gibt es für das Geld?
Seitens der Verwaltung heißt es: „Das DVM soll es ermöglichen, den Verkehr an Hochlasttagen (Tagen mit vielen BesucherInnen) über digital gesteuerte Verkehrsbeeinflussungsanlagen intelligent an Ausweichparkplätze und/oder -routen zu lenken. Das derzeit durch Verkehrskadetten gewährleistete ‚manuelle‘ Verkehrsmanagement soll so mittelfristig durch digitale Infrastruktur ersetzt werden. […] Mit den technischen Möglichkeiten soll insbesondere an Hochlasttagen in der linksrheinischen Innenstadt die Rettungssicherheit gewährleistet, ein reibungsloser Verkehrsfluss für den öffentlichen Verkehr, sowie auch für den motorisierten Individualverkehr (MIV) sichergestellt werden. Durch gezielte Verkehrsinformationen kann Parksuchverkehr des MIV verringert, die Wahl alternativer Verkehrsmittel unterstützt und ein dauerhaft verlässliches Abbild des Verkehrsgeschehens erfasst werden.“
Rettungsdienste und Busse, die hier an erster Stelle stehen, gehören allerdings eher zur folkloristischen Deko der städtischen Verkehrspolitik, natürlich geht es – weit vor allem anderen – darum, dem MIV, also den Autos und damit den Käufermassen aus dem Umland, den Weg zu bahnen: „Das Verkehrsmanagement ist auch nicht deswegen erforderlich, weil das Verkehrssystem nicht leistungsfähig wäre, sondern weil an Hochlasttagen zufließender Verkehr keinen Stellplatz mehr findet. Das DVM dient daher vor allem zur Entlastung des Parkdruckes sowie zur Vermeidung des Parksuchverkehrs […].“ Denn es gilt die alte Kaufmannsweisheit: Wer erst eine halbe Stunde in der Gegend rumkurven muss, ehe er einen Parkplatz findet, ist anschließend oft zu mürrisch, um das Geld noch mit vollen Händen rauszuhauen. Natürlich soll das alles auch irgendwie noch dem Klimaschutz dienen, gemäß der alten Autofahrerlogik, dass es viel mehr Autobahnen braucht, damit der Verkehr zügiger fließt und die Motoren weniger lang laufen müssen – wenn das Auto nicht fährt, ist es bekanntlich nix wert.
Freie Fahrt
Dieses System soll künftig entstehende Autostaus frühzeitig erkennen und die Automobilist*innen dann mit Infotafeln, Wechselverkehrszeichen und -wegweisern „beispielsweise noch in der Schweiz“ auf dem angesichts der aktuellen Verkehrssituation besten Weg ins Herz von Konstanz geleiten. Es soll gar versenkbare Poller geben, mit denen einzelne Straßenabschnitte blockiert werden können, und Einwohner sollen die Sperren dank der „Einführung von ‚Bewohnerausweisen‘ mit Speicherung verschlüsselter KFZ-Kennzeichen durchbrechen können. Man will sogar so weit gehen, im Fall der Fälle das linksrheinische Stadtgebiet für fremde Autos ganz zu sperren.
Dieses Szenario hört sich nach massiver Datensammelei und vor allem nach leidenschaftlichem Straßenkampf an.
Computer statt Menschen
Letztlich erhofft die Stadt sich vom DVM eine erhebliche Einsparung, denn derzeit sorgen noch Verkehrskadetten für Straßensperrungen, und die sind nach Meinung der Stadtoberen „sehr personal- und kostenintensiv“. Nach dem aktuellen Kostenstand schlagen die manuellen Verkehrskadetten mit jährlich 270.000 Euro zu Buche, das digitale Verkehrsmanagement hingegen soll auf 4.690.000 Euro kommen. Demnach könnte es sich (von Betriebs- und Erhaltungskosten einmal abgesehen) in rund 17 Jahren amortisiert haben.
Vor allem aber ist die Einrichtung dieses Systems ein starkes Signal für ein konsequentes Weiterwurschteln in der Verkehrspolitik, denn es macht (wenn es denn funktioniert) unsere Stadt in erster Linie noch viel autogerechter. Angesichts des Klimanotstandes wäre es aber dringend an der Zeit, durch Abschreckung, Verbote und einen kostenlosen öffentlichen Verkehr dafür zu sorgen, dass die Automassen in den heimischen Garagen stehen bleiben, statt ihnen den Weg nach und in Konstanz zu erleichtern. Aber aus Sicht der heutigen Verkehrsplanungen zählt das Autofahren ja zu den angeborenen Naturbedürfnissen des Menschen an sich, so wie er direkt nach seiner Geburt in der Unterhose dasteht – dabei wurde es ihm vor gerade einmal 70 Jahren mühsam anerzogen.
Fotos von Harald Borges, Quellen: Sitzungsvorlagen 2023-3324 und 2023-3080.
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