Seerhein Anlegesteg 2024 10 17 © Pit Wuhrer

Ein klimafreundlicher Wasserbus?

2 Kommentare

Seerhein Anlegesteg 2024 10 17 © Pit Wuhrer
Der Steg wäre da. Es fehlt halt ein vernünftiger Zweck.


Er und die Verwaltung hätten seit Ausrufung des Klimanotstands „sehr sehr viel bewegen können“, sagte Uli Burchardt in einem SWR-Kurzinterview. Dabei sei noch mehr Klimaschutz möglich gewesen, wenn dieser ärgerliche Naturschutz nicht wäre. Auf diese merkwürdige Gegenüberstellung des Konstanzer Verwaltungschefs reagierten drei Umweltgruppen mit einem Offenen Brief.

In mehreren Interviews, darunter mit dem Südkurier, dem Deutschlandfunk und dem Südwestfunk, die anläßlich seines neuen Buchs „Menschenschutzgebiete“ geführt wurden, hatte Oberbürgermeister Burchardt Naturschutzvorgaben als Hemmnis für den Fortschritt im Klimaschutz bezeichnet und von einer „Naturschutzindustrie“ gesprochen. Dies kritisierten Anfang Oktober die Konstanzer Umweltgruppen Fridays for Future, NABU und BUND in einem Offenen Brief, den seemoz hier veröffentlicht:

„Sie behaupten, es gebe einen Widerspruch zwischen Naturschutz und Klimaschutz. Sie gehen sogar so weit, von einer Naturschutzindustrie und einer überbordenden Naturschutzbürokratie zu sprechen, die die Entwicklung der Menschen beeinträchtige. Wir, die Konstanzer Umweltverbände NABU, Fridays for Future und BUND, widersprechen diesen Anschuldigungen sehr deutlich und möchten in diesem offenen Brief klarstellen, worum es beim Natur- und Klimaschutz geht. 

Extreme Wetterlagen, Starkregen-Ereignisse und Hitze sind Erscheinungen des Klimawandels und wir stimmen Ihnen zu: Diese Entwicklungen bedrohen auch uns Menschen. Jedoch nicht nur uns Menschen – auch die Artenvielfalt auf unseren Äckern, Wiesen und Wäldern steht auf dem Spiel. Erst gestern erschien der „Faktencheck Artenvielfalt“. Über 150 Wissenschaftler*innen belegen darin den dramatischen Zustand der Artenvielfalt in Deutschland und den Wert artenreicher Lebensräume: Artenreiche Wälder sind widerstandsfähiger gegen Hitze und Dürre und helfen uns, Starkregenereignisse abzupuffern. 

Klimaschutz nur mit Hilfe der Natur

Denken Sie als Forstwirt nur an die anfälligen Fichtenmonokulturen. Artenreiche Böden machen Pflanzen resistenter gegen Schädlinge und Krankheitserreger. Die Beziehungen zwischen verschiedenen Arten sind sehr komplex und oft undurchschaubar. Wenn wir möglichst vielen Arten einen Lebensraum bieten – das zeigt der Faktencheck Artenvielfalt eindrücklich –, dann schützen wir eine leistungsfähige Natur und damit auch uns Menschen als deren Teil. Wir setzen uns daher aktiv für Naturschutz und Klimaschutz ein, denn Klimaschutz funktioniert nur mit Hilfe der Natur, nicht gegen sie. 

Sie kritisieren im Südkurier-Interview, dass zahlreiche aus Klimaschutzsicht sinnvolle Projekte aufgrund von Naturschutzvorgaben aufgegeben werden müssen. Als ein Beispiel nennen Sie die Einführung eines Wasserbusses. Das Projekt ist jedoch auch aus Klimaschutzsicht durchaus zweifelhaft. Vielleicht könnte der Wasserbus Besucher*innen nach Konstanz locken und so das geplante Parkhaus und die vielen neu errichteten Hotels mit Leben füllen. Klar ist jedoch: Jede Wasserbusfahrt ist deutlich energieintensiver als ein Bus-Shuttle (oder ein Spaziergang). Zum Klimaschutz gehört nicht nur, dass wir klimaschädliche Energiequellen ersetzen, sondern auch den Energieverbrauch reduzieren. Fraglich ist auch, ob die zu investierenden Millionen nicht anderswo effektiver dem Klimaschutz dienen. 

Und was die angebliche „Naturschutzindustrie“ angeht: Wir sehen uns nicht als Industrie, sondern als überwiegend ehrenamtliche Natur- und Klimaschützer*innen, die versuchen, angesichts steigender Klimagasemissionen und Flächenversiegelung diese Themen nicht unter den Tisch fallen zu lassen. 

Wo bleiben die großen Schritte?

Klar ist: Zielkonflikte sind ein integraler Bestandteil jeder Stadtplanung. Ihre Aufgabe als Oberbürgermeister ist es daher, mit der Expertise Ihrer Verwaltung gute Lösungen für genau diese schwierigen Situationen zu präsentieren anstatt nach Schuldigen unter den Beteiligten zu suchen.

Cover Buch Menschenschutzgebiet Uli Burchardt

Wir stimmen Ihnen zu, dass die Umsetzung vieler Klimaschutzprojekte deutlich zu lange dauert. Es liegt jedoch sicher nicht an überbordenden Naturschutzauflagen, wenn es mit dem Klimaschutz in Konstanz mal wieder länger dauert. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sprechen Sie sich dafür aus, mit kurzen experimentellen Veränderungen Lust auf Wandel zu machen. Das klingt gut. Doch wie viele solcher Projekte konnten wir in der letzten Zeit sehen? Und wann können wir endlich auch mit Klimaschutz im großen Maßstab rechnen? 

Wir reichen Ihnen als Umweltgruppen und -verbände in Konstanz jedenfalls gerne die Hand, sofern nicht versucht wird, Natur- und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen. Ein guter Start wäre ein regelmäßiger Austausch zwischen Ihnen und den Umweltschutzengagierten, wie es ihn zu Anfang Ihrer ersten Amtszeit noch gab. Lassen Sie uns gerne gemeinsam in den nächsten Jahren gute Lösungen für den Klima- und Naturschutz in Konstanz finden und mutig umsetzen – unser aller Zukunft hängt daran. 

Sie können sich jedenfalls sicher sein: Wir werden uns weiterhin darauf fokussieren, der Natur und einem nachhaltigen Klimaschutz in unserer Stadt eine Stimme zu geben – für die Natur und damit für uns Menschen.
Ihre Umweltschützer*innen“

Text: Bund für Umwelt und Naturschutz BUND Ortsverband Konstanz / Fridays for Future Konstanz / NABU Konstanz e.V. / (pw)
Bilder (Seerhein-Anlegestelle bei der Europabrücke / Eine der ersten FFF-Kundgebungen in Konstanz, Februar 2019): Pit Wuhrer 

2 Kommentare

  1. Antje Boll

    // am:

    Leider trägt der OB zu dem unsäglichen Framing bei, das die Naturschutzbelange gesellschaftlich verunglimpfen soll. Wenn sich nun auch CDU Politiker, die ja eigentlich der christlichen Bewahrung der Schöpfung verpflichtet sein sollten, sich dieses AFD nahen Polemisierens als politisches Mittel bedienen, so wird das gesellschaftliche Miteinander in Konstanz und im ganzen Land nachhaltig geschädigt. Ein Bürgermeister und Politiker sollte alle Belange seiner Bürgerinnen und Bürger im Blick behalten.

  2. Ralph Braun

    // am:

    Im erwähnten Südkurier-Interview über sein Buch sagt Uli Burchardt: „In Konstanz wollen wir einen Wasserbus einrichten, um Menschen ohne Auto in die Innenstadt zu bringen. Das macht Sinn, wir reduzieren so Autoverkehr, den Anlegesteg gibt es auch schon. Aber wir diskutieren seit Jahren über geschützte Algen, über Wasservögel und so weiter. Der Wasserbus fährt immer noch nicht.“

    Hier suggeriert der OB, der Schutz von Algen, Wasservögeln usw., also ganz allgemein der Naturschutz, würde den Wasserbus verhindern. Und erinnert sich dabei nicht mehr so recht an sein doch gerade erst verfasstes Buch. Ein kurzer Faktencheck zeigt: Auf S. 226f. kritisiert Burchardt, dass Einwände der Naturschutzverbände und -behörden , welche die im Uferbereich brütenden Wasservögel vor dem Wellenschlag des zwischen FN und KN fahrenden Katamarans schützen wollten, letztlich zu einem Mehrverbrauch an Diesel und damit höheren CO2-Emissionen geführt hätten. Vom Wasserbus zwischen Bofo und Hafen ist dort nicht die Rede.

    Dass der nicht mehr fährt, ist nicht den Wasservögeln oder anderem Naturschutz geschuldet. Die Stadt nennt als Grund auf ihrer Website, dass man sich die Betriebskosten von täglich 2200 Euro + Mehrwertsteuer aktuell nicht leisten könne. Wenn schon nicht sein Buch, so hätte der Oberbürgermeister wenigstens dies im Kopf haben können.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert