François Adolphe Grison, Die Serenade, Ausschnitt © Wikipedia, Gemeinfrei

East meets West

François Adolphe Grison, Die Serenade, Ausschnitt © Wikipedia, Gemeinfrei

Musik aus Japan hat es bei uns nicht leicht, zumindest traditionelle Musik entzieht sich unserem Verständnis und kann von europäischen Musiker*innen kaum gespielt werden. Doch dann gibt es noch jene japanischen Komponisten, die in Europa studiert haben, aber trotzdem auch ihrer heimischen Tradition verbunden bleiben wollen. Ein Konzert bringt sie jetzt mit europäischer Musik zusammen.

Die kulturellen Mauern des sich kulturell überlegen dünkenden Westens sind hoch: Die „klassische“ Musik etwa fand in Wien und nicht in Jakarta ihren Höhepunkt, die Barockmusik an den Höfen, auf den Orgelbänken und in den Kirchen Europas und nicht in Beijing. So sehen es zumindest Europäer.

Natürlich machen aber auch Chinesen seit Jahrtausenden Musik und haben viele ihrer Gattungen (etwa die Peking-Oper) zur Meisterschaft entwickelt. Koreanische Hofmusik ist ein höchst artifizielles Unterfangen, dem man nach einigem Einhören nur tiefste Ehrfurcht entgegenbringen kann. Aber während sich niemand wundert, wenn asiatische Klaviersolist*innen die europäische Musiktradition beherrschen, würden europastämmige Sheng-Spieler*innen mit einem traditionellen asiatischen Programm als Paradiesvögel mehr begafft als gefeiert.

Nationalstil passé

Allerdings gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder Brückenschläge über diese scheinbaren kulturellen Wassergräben hinweg, die in Rock und Pop oder Volksmusik, wo es eine solche noch gibt, viel breiter und tiefer als in der Kunstmusik sein können. Eine nach dem ersten, mehr noch eine weitere nach dem zweiten Weltkrieg geborene Generation asiatischer Kunstmusik-Komponist*innen hat in Europa studiert oder sich zumindest intensiv mit westlichen Kompositionstechniken auseinandergesetzt. Viele ihrer Werke haben selbst für europäische Ohren keinerlei asiatische Anmutung.

Toshio Hosokawa etwa, 1955 geboren, ging 1976 nach Berlin, um Komposition bei Isang Yun zu studieren – jenem südkoreanischen Komponisten, der seinerseits die europäische Avantgarde studiert, aber immer wieder auch heimatliche Traditionen aufgegriffen hatte. Von 1983 bis 1986 studierte Hosokawa in Freiburg im Breisgau an der Hochschule für Musik bei Klaus Huber, der ja auch Brian Ferneyhough, Wolfgang Rihm und Younghi Pagh-Paan unterrichtete.

Was in seiner Musik „East“ ist und was „West“, lässt sich schwerlich sagen. Von einem japanischen zeitgenössischen Komponisten zu erwarten, dass er irgendwie „japanisch“ klingen solle, wäre schließlich auch genauso sinnvoll, wie von einem bundesdeutschen Komponisten „deutsche“ Klänge zu erwarten. Rolf Riehms „Der Main“ ist ja wohl kaum „irgendwie deutsche“ Musik …

Wo sind die Grenzen?

Die zeitgenössische Kunstmusik ist ihrem Anspruch und ihrer Wirkung nach international, wer auch immer sie komponiert, kann aber immer wieder einmal Einflüsse aus (fast) allen Richtungen aufgreifen … Und so bedeutet „östliche“ Musik in diesem Bereich der Musik heute zumeist nur noch, dass deren Urheber*innen in Japan, Korea oder China geboren wurden. Eine Begegnung verschiedener Kulturen ist in der Kunstmusik kaum mehr möglich, denn diese Kulturen sind in Wirklichkeit nicht klar voneinander trennbar.

Im zweiten Inselkonzert am Sonntag, 19.1., um 11.15 Uhr jedenfalls werden Werke von Japanern und Europäern gespielt, wobei Serenadenmusik einen Schwerpunkt bildet. Das mag angesichts der vormittäglichen Stunde ein wenig überraschen, denn die klassische Serenade war ja eine Abendmusik. Aber das macht das Programm nur umso überraschender.

– Tōru Takemitsu 1930‒1996: Aus „Toward the sea“ für Flöte und Gitarre (I. The Night, II. Moby Dick, III. Cape Cod)
– Toshio Hosokawa *1955: Folksong für Viola und Gitarre aus „Serenade“
– Toshio Hosokawa *1955: Sen I für Flöte
– Junichi Hosokawa 1913-1991(?): Kojo für Viola und Gitarre
– José María Sánchez-Verdú *1968: Kitab 3 für Flöte, Viola und Gitarre
– Wenzel Thomas Matiegka 1773‒1830: Aus der Serenade für Flöte, Viola und Gitarre, op. 26
– Anton Diabelli 1781‒1858: Serenata concertante, op. 105 für Flöte, Viola und Gitarre

Es spielen: Tillmann Reinbeck, Gitarre; Irene Oesterlee, Violine; Gabriel Ahumada, Flöte.

Praktische Informationen

Sonntag, 19. Januar 2025, 11.15 Uhr im Festsaal des Inselhotels Konstanz:
Karte 20,– Euro, freie Platzwahl. Den Vorverkauf im Internet finden Sie hier.

Text: Harald Borges, Bild: François-Adolphe Grison (1845-1914), Die Serenade [Ausschnitt], via Wikipedia. The author died in 1914, so this work is in the public domain in its country of origin and other countries and areas where the copyright term is the author’s life plus 100 years or fewer.

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