04 1 Ausflug gegen Einsamkeit © Zur Verfügung Gestellt Vom Stadtseniorenrat

Die Verwaltung will dem Stadtseniorenrat an den Kragen

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Ausflug gegen Einsamkeit © Zur Verfügung Gestellt Vom Stadtseniorenrat
Ausflug gegen Einsamkeit © Zur Verfügung gestellt vom Stadtseniorenrat

Im nächsten Jahr steht die Neuwahl des Stadtseniorenrates an. Eine zu teure Angelegenheit, findet die Verwaltung und überlegt, wie sich das in Zukunft kostenneutraler organisieren ließe. Heute soll der Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) erst einmal die Gelder für die anstehende Wahl 2025 bewilligen.

Demokratie ist oft anstrengend und kostet gelegentlich auch etwas – so auch die Wahl zum Stadtseniorenrat 2025. Sie soll die Stadt 50.000 Euro kosten. Das ist manchen eindeutig zu viel in einer Zeit, in der allerorten – nur nicht am Millionengrab Bodenseeforum – gespart werden soll. Deshalb hat die Verwaltung dem heute tagenden HFK einen Vorschlag unterbreitet, der dieses Geld auf Dauer einsparen soll.

Der Stadtseniorenrat

Der Stadtseniorenrat versteht sich als Organ der Meinungsbildung und als Sprachrohr gegenüber der Öffentlichkeit, der Stadtverwaltung und deren Ausschüssen. Er vertritt die Interessen der Seniorinnen und Senioren der Stadt Konstanz. Seine Mitglieder wirken in verschiedenen Gremien der Altenhilfe mit und beteiligen sich an Projekten zur Verbesserung der Lebensbedingungen älterer Menschen in Konstanz. Jüngst spendete er beispielsweise der ehrenamtlichen Initiative Radeln ohne Alter 3000 Euro.

Dem Stadtseniorenrat, der erstmals 1981 zusammentrat, gehören 10 Mitglieder an, die in öffentlicher Wahl auf die Amtszeit von fünf Jahren gewählt werden oder berufen sind.

Quelle: Stadtseniorenrat

Schlitzohren am Werk?

Das alles kam so: Der Stadtseniorenrat hat gerade die alte Wahlordnung aus dem Jahr 2004 überarbeitet und für die nächste Wahl 2025 eine neue beschlossen. Die Verwaltung ist mit dieser Neufassung merklich unzufrieden, da sie dabei aus ihrer Sicht vom Stadtseniorenrat über den Tisch gezogen wurde: „Während in der alten Wahlordnung vom 05.02.2004 noch vorgesehen war, dass die Wahl in Zusammenarbeit mit einer Geschäftsstelle der Stadtverwaltung durchgeführt wird, sieht die neue Regelung vor, dass die Geschäftsstelle der Stadtverwaltung, konkret das Team Wahlen, die gesamte Verantwortung für die Wahlvorbereitung und -durchführung übernimmt.“

In diesem Zusammenhang ist es der Verwaltung wichtig zu betonen, dass ihre Mitwirkung seit jeher gänzlich freiwillig ist – und daher jederzeit auch beendet werden kann. Früher einmal, in der Goldenen Ära der Verwaltung, musste der Stadtseniorenrat bei der Stadt jeweils die nötigen Gelder sowie sonstige Unterstützung eigens beantragen. Seit 2010 beantragte dann nicht mehr der Stadtseniorenrat das Geld, sondern das erledigte die Stadtverwaltung für ihn, und seit „2015 übernimmt die Geschäftsstelle der Stadtverwaltung nahezu alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Wahl – sowohl in personeller als auch finanzieller Hinsicht.“ So zumindest das Narrativ der Verwaltung, die in solchen Dingen ein wahres Elefantengedächtnis hat.

Erstmals dürfen alle Senior*innen wählen

Das alles meint wohl so viel wie: Der Stadtseniorenrat hat es trotz wechselnder Besetzungen mit altersgestützter Schlitzohrigkeit über lange Jahre hinweg schrittweise geschafft, die Arbeit und die Kosten für die Wahlen von seinen eigenen Schultern auf die der Verwaltung zu verlagern. Und die ächzt seitdem immer hörbarer unter der zusätzlichen Last.

Allerdings hat der Stadtseniorenrat jetzt – für die Stadt wohl überraschend – ein weiteres Fass aufgemacht: Nach der neuen Wahlordnung dürfen nicht nur Konstanzer Bürger*innen, sondern alle Konstanzer Einwohner*innen im entsprechenden Alter mitstimmen, also z.B. auch solche, die einen Migrationshintergrund haben.

Das ist zwar wahrhaft demokratisch, verteuert die Wahlen aber, weil deutlich mehr Wahlunterlagen gedruckt und verschickt werden müssen. Außerdem ist das Porto auch nicht billiger geworden, und die Folgen sind aus Sicht unserer Sparfüchse gravierend: Lagen die Wahlkosten 2020 noch bei rund 31.000 Euro, rechnet die Stadtverwaltung für die Wahl 2025 mit rund 50.000 Euro, und das ist ihr natürlich ein stacheliger Dorn im Stadtsäckel.

Noch einmal – und dann nie wieder

Zähneknirschend erklärt sich die Verwaltung bereit, die Kosten und die Abwicklung der Wahl 2025 noch einmal komplett zu übernehmen. Danach soll aber Schluss sein. Müssen die Stadtseniorenrät*innen also bei der übernächsten Wahl 2030 die Unterlagen selbst drucken, eintüten und frankieren?

Nein, denn der Stadt schwebt ein organisatorischer Kniff vor, der die Kosten schlagartig auf eine blassrote Null senken könnte, auch wenn dadurch, nicht gerade im Geiste gelebter Demokratie, die Zahl der Wahlberechtigten bei den Wahlen radikal verkleinert würde: „In anderen vergleichbaren Städten wie Ludwigsburg, Esslingen, Tübingen und Freiburg ist der Stadtseniorenrat als Verein organisiert. Es ist zudem denkbar, dass eine Wahl des Stadtseniorenrates durch den Gemeinderat erfolgt.“

In diesem Sinne will sich die Verwaltung – quasi mit der Keule in der Hand – mit dem Stadtseniorenrat zusammensetzen und die verschiedenen Modelle und deren Auswirkungen durch eine Arbeitsgruppe prüfen lassen.

Quelle: Sitzungsvorlage 2024-0184
Text: O. Pugliese

4 Kommentare

  1. Thomas Sturm M.A. Mitglied des Stadtseniorenrates

    // am:

    Der Stadtseniorenrat vertritt alle Senioren dieser Stadt. Es ist daher folgerichtig ,die Wahlordnung so zu verändern, dass ALLE Wahlberechtigten dieser Altersgruppe Ihre Stadtseniorenrat wählen können.
    Das ist echte Demokratie. Alles andere sind Haushaltsmassnahmen, die einen Teil der eigentlich Wahlberechtigten aussperren würden.
    Genauso unfair wäre eine Wahl des Seniorenrates durch das Stadtparlament. Die eigentlich WählerInnen hätten auf die Auswahl der Kandidaten und Kandidatinnen keinen Einfluss. Eine Scheinwahl ( indirekt ) ohne echte Beteiligung der Senioren.
    Es wäre daher sinnvoll, die Arbeit des Stadtseniorenrates wie bisher finanziell und organisatorisch (Wahlorganisation ) zu unterstützen.

  2. Werner Frank

    // am:

    @Ralph R. Braun
    ein wesentlicher Unterschied: die gewählten haben sich entschieden – da man sich dazu bewerben muss – die Wahl anzunehmen. Wieviele Ü60 müssen angeschrieben und befragt werden, eine zufällig auf Sie getroffene Auswahl auch anzunehmen.
    Und – sind die Gemeinderatskandidaten wirklich „bekannt“? Einige sind bereits im Gemeinderat, manche durch ausgeübten Beruf oder auch Vereinszugehörigkeit, aber die meisten wohl nur innerhalb Ihrer „Blase“ bekannt, aber nicht „den“ Wahlberechtigten. Auch haben diese nicht alle einheitliche Interessen, und auch schon gar nicht alle meine Interessen….
    Ein Bestimmen durch den Gemeinderat wäre letzlich ein anderes Gremium, mit der gleichen Proporz-Verteilung der Interessen wie im GR. Dann kann man sich das gleich sparen.
    Eine Wahl ist wohl die einzige wirklich demokratische Möglichkeit, eine solche Vertretung von Bürgern (Einwohnern) zu bilden.
    Und dass der Seniorenrat seine Berechtigung hat, zeigen die Tätigkeitsberichte der vergangenen Jahre. So manches wurde durch diese unabhängige Gremium angestossen und auf den Weg gebracht. Zum Nutzen nicht nur der Senioren…..

  3. Ralph R. Braun

    // am:

    An der letzten Seniorenratswahl 2020 hat etwa jede(r) dritte Wahlberechtigte von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Diese gar nicht so schlechte Wahlbeteiligung spricht dafür, den Stadtseniorenrat auch künftig wählen zu lassen.
    Andererseits: Wenn ich die Kandidat:innen nicht kenne, und das dürfte wohl den meisten Wahlberechtigten so gegangen sein, und diese auch nicht für ein bestimmtes Programm oder eine politische Richtung stehen, wie soll ich dann eine fundierte Wahlentscheidung treffen? Da bleibt dann nur, ich wähle alle Frauen, dazu vielleicht noch die Doktores oder die Männer mit dem schönsten Gesicht.
    Deswegen scheint mir eine solche Wahl nicht mehr als eine demokratische Pflichtübung – und die hohe Wahlbeteiligung vor allem darin begründet, dass gerade die Älteren pflichtbewusst sind und wählen gehen, wenn sie gerufen werden.
    Dass nun auch Einwohner:innen ohne EU-Staatsbürgerschaft das aktive und passive Wahlrecht bekommen, ändert daran nichts. Denn Staatsbürgerschaft, Herkunft oder auch nur der (fremdländische) Name sind doch keine Garantie dafür, dass sich jemand dann auch für die Interessen seiner Community einsetzt, die übrigens nicht notwendig einheitlich und auch nicht die meinen sind.
    Wäre es nicht sinnvoller, den Stadtseniorenrat analog zu den Entscheidern über das Bürgerbudget aus zufällig ausgewählten Bürger:innen zu bilden, die in etwa die soziographische Zusammensetzung der Konstanzer Senior:innen abbilden? Ein so bestimmter Seniorenrat wäre sicher repräsentativer als ein durch Wahl kreierter Seniorenrat.

  4. Alex Tasdelen

    // am:

    Alt zu werden verbindet alle Menschen, die in Konstanz leben. Eine wichtige Änderung im neuen Wahlrecht des Stadtseniorenrates, denn sie bietet Senior*innen ohne EU-Staatsbürgerschaft die Möglichkeit, sich und ihre Anliegen einzubringen. Darunter sind Arbeitsmigranten der ersten Generation, die noch nie an einer Wahl an ihrem Wohnort teilnehmen konnten.

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