Geschwister scholl schule3 2025 © pit wuhrer

Die Stadt Konstanz macht Schulden. Na und?

Geschwister scholl schule3 2025 © pit wuhrer
Waren Christo und Jeanne-Claude da? Dauerbaustelle Geschwister-Scholl-Schule

Das Ringen um den Doppelhaushalt 2025/2026 geht in die Endrunde. Am Donnerstag wird der Gemeinderat wohl beschließen, was zuletzt der Haushalts-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) vorberaten hat. Der brauchte dafür nicht, wie befürchtet, dreizehn, sondern nur knapp zehn Stunden. Und plant, den Schuldenstand der Stadt auf über 100 Millionen Euro hochzuschrauben.

Um den einen oder andere Posten wird es im Rat nochmals Geplänkel geben, um dem Publikum die eigene politische Haltung zu demonstrieren. Doch im Großen und Ganzen ist das Budget nun festgezurrt. Wie üblich werden wohl alle Parteien dem Haushalt zustimmen – ausgenommen die Linke Liste, bei der man nie weiß, ob sie sich enthalten oder dagegen votieren wird.

Der Ergebnishaushalt, also die Gewinn- und Verlustrechnung der Stadt, schließt für 2025 mit einem Minus von 13 Millionen Euro. Kredite muss Konstanz deshalb nicht aufnehmen, denn das Defizit resultiert aus den Abschreibungen von in der Vergangenheit getätigten Investitionen, die nicht mehr erwirtschaftet werden können. Die Stadt, so sieht es aus, lebt auf Kosten ihrer Substanz.

Für 2026 weist der Ergebnishaushalt ein Plus von 1,5 Millionen Euro aus. Das Wunder resultiert aus der Aktivierung stiller Reserven über Grundstücksverkäufe, seien es das alte Feuerwehrhaus in Dettingen oder Baugrundstücke am Hafner. Grundstücke bilanziert die städtische Buchhaltung zum Ankaufspreis, wie lange der auch zurückliegen mag. Wird dann Jahre später zu einem höheren Preis wieder verkauft, erscheint die Differenz als außerordentlicher Gewinn in der Bilanz.

Beim Hafner gibt es zudem ein Vorher-Nachher. Wurden Grundstücke nach Beschluss der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gekauft, liegen sie in einem Sondervermögen außerhalb des städtischen Haushalts, das sich irgendwann Null auf Null rechnen soll. Wurden Grundstücke indes schon vor Beschluss der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gekauft, fließt der Erlös unmittelbar in Stadtkasse.

Mehreinnahmen ja – aber nicht zu viele

Abgesehen von diesen buchhalterischen Tricksereien hat die Kämmerei auch noch echte Mehreinnahmen gefunden – durch die Erhöhung der Vergnügungssteuer auf Spielautomaten (0,5 Millionen Euro), die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in Petershausen (1,1 Millionen Euro), höhere Bettensteuer (0,95 Millionen Euro) und mehr Geschwindigkeitskontrollen (0,5 Millionen Euro). Als Morgengabe zum Danaergeschenk B33 (seemoz berichtete) wird die Stadt künftig auch mit jährlich 0,5 Millionen Euro an den Einnahmen der LKW-Maut beteiligt.

Die Stadträt:innen trauten sich nicht, Autofahrende noch weiter zur Kasse zu bitten. Der Antrag des Jungen Forums, man möge statt wie geplant zwei doch gleich vier Messgeräte zur Geschwindigkeitskontrolle im Straßenverkehr kaufen, wurde ohne Debatte versenkt. Dabei hätte sich die Investition mit dem erwarteten Bußgeldzuwachs schon im ersten Jahr finanziert. Von der Verwaltung selbst zurückgezogen wurde der Antrag auf eine weitere Stelle im Gemeindevollzugsdienst zur Überwachung der Parkplätze. Auch diese:r Angestellte hätte durch die verteilten Knöllchen ein Mehr erwirtschaftet.

Kürzungen mit dem Rasenmäher

Bei den Ausgaben haben sich die Fraktionen auf eine globale Minderausgabe von ein Prozent geeinigt. Will sagen, die Verwaltung muss 2025 und 2026 jeweils 3,7 Millionen Euro weniger ausgeben – wo und wie sie das macht, bleibt ihr überlassen. Einen Teilbetrag wird sie mit dem decken können, was am Ende des Jahres sowieso immer übrig bleibt, weil nicht alle Mittel abgerufen werden: Personalstellen bleiben vorübergehend unbesetzt, weil sich keine geeignete Bewerber:innen finden, Projekte kommen nicht so schnell voran wie geplant.

Doch die üblichen Jahresend-Restmittel werden nicht reichen, um die geforderte Minderausgabe zu erwirtschaften. Da die Stadt über viele Ausgaben gar nicht frei entscheiden kann – denken wir nur an die Kreisumlage oder den Beitrag zum Finanzausgleich –, bei vielen Aufgaben zudem nur einen geringen Ermessensspielraum hat, wird es die freiwilligen Leistungen wie die Vereinsförderung, die Freizeit- und Kulturangebote und manche soziale Leistung um so härter treffen.

Mit dem Mittel der globalen Minderausgabe hat sich der Gemeinderat für das Prinzip Rasenmäher entschieden: Überall ein bisschen kürzen, doch das Leistungsangebot in den Grundzügen erhalten. Vorerst. Darüber, wie es ab 2027 weitergehen kann, soll die ominöse, stets nicht-öffentlich tagende Haushaltstrukturkommission (HSK) beraten.

Das Hallenbad am Seerhein, das stadteigene Jugendamt, das Bodenseeforum und besonders die Kultureinrichtungen sind also weiter auf der Roten Liste der gefährdeten Human-Biotope.

Sparen an Philharmonie und Museen?

Besonders die Hochkultur steht im Fokus der Sparwilligen. Nachdem FGL&Grüne mit einem Antrag bereits die Museen stutzen wollten, stellte ihr Fraktionsvorsitzender Niklas Becker in einem Redebeitrag nun auch die Philharmonie als Pläsier älterer und „gut situierter“ Menschen infrage.

Auch die Freien Wähler drohen den städtischen Kulturschaffenden und ihrem Publikum. Mit 272 Euro pro Einwohner:in gebe Konstanz für die Kultur mehr aus als manche Großstadt, moniert Stadträtin Sabine Heiß. Was im Vergleich mit Gelsenkirchen oder Offenbach durchaus stimmen mag. Beide sind aber keine Städte, in denen reiche Rentner:innen gern ihren Lebensabend verbringen. Will man die etwa nicht mehr und so den Wohnungsmarkt entlasten? Ein raffinierter Schachzug wäre das. 

Rote Karte für das Amtsblatt, blaues Auge für Smart Green City

Auch wenn der Gemeinderat mit dem Instrument der globalen Minderausgabe den Schwarzen (Spar-)Peter der Verwaltung zuschob, so ließ er sich nicht nehmen, darüber hinaus selbst Sparvorgaben zu machen. So soll das Amtsblatt spätestens Ende 2026 eingestellt werden: Kostenersparnis jährlich 300.000 Euro. Die Ratsmehrheit geht wohl davon aus, dass diejenigen, die sich nicht aktiv mittels digitaler Kanäle über das Stadtgeschehen informieren, auch die ihnen gratis ins Haus gelieferte Zeitung ungelesen dem Altpapier zuführen. Und verzichtet so auf ein Medium, das Kommunalpolitik vermittelt und erklärt.

Uli Burchardts Lieblingskind Smart Green City kommt mit einem blauen Auge davon. Eingestellt werden soll lediglich das Teilprojekt „BürgerInnen-Panel“, nämlich die Entwicklung eines innovativen Instruments zur Bürger:innenbeteiligung. Eine für die Bevölkerung repräsentative Gruppe von Konstanzer:innen sollte hier Einschätzungen und Meinungen zu Vorhaben und Planungen der Stadtverwaltung abgeben. Nein danke, urteilte die Mehrheit im HFK.

Halbiert wird auf Vorschlag der Verwaltung die bislang 10.000 Euro teure Klimapartnerschaft mit dem Volk der Borari im Amazonasgebiet, also den Opfern unseres klimaschädigenden Lebensstils. Neu wird es hingegen in Zusammenarbeit mit dem Landkreis eine Beratungsstelle für queere Jugendliche geben – hier konnten sich Grüne&FGL mit einem Herzensanliegen durchsetzen.

Es fehlt an Personal – und das wird so bleiben

Schauen wir noch aufs Personal. Die Stadtverwaltung hat aktuell rund 1500 Beschäftigte auf 900 Vollzeitstellen. Die Personalkosten fressen gut ein Viertel aller Aufwendungen im Ergebnishaushalt. Für 2025 sind Personalausgaben von 94 Millionen Euro, für 2026 gar 99 Millionen Euro eingeplant. Ob das reicht? Hier wie da kalkuliert die Verwaltung mit Lohnsteigerungen von 2,5 Prozent – die Gewerkschaft ver.di strebt für den Öffentlichen Dienst einen deutlich besseren Tarifabschluss an.

Nur wenige Personalstellen finanzieren sich selbst, wie etwa die Knöllchenschreiber des Gemeindevollzugsdienstes. Andere, etwa in der Flüchtlingsbetreuung, werden vom Land gegenfinanziert. Darauf können auch die 26 neu zu schaffenden Personalstellen für die Ganzbetreuung von Grundschüler:innen hoffen, obwohl hier noch nicht alle Details geklärt sind.

Der Löwenanteil der Personalkosten geht jedoch auf Kosten des kommunalen Haushalts. Gegenüber dem ersten Haushaltsentwurf vom Dezember 2024 hat die Verwaltung ihre Stellenwünsche inzwischen drastisch reduziert. Gestrichen, oder besser verschoben wurden etwa fünf zusätzliche Personalstellen für die Feuerwehr, die gerade peu à peu von einer freiwilligen auf eine Berufsfeuerwehr umgebaut wird. Wieder gestrichen wurde auch eine zunächst geplante Stelle für die digitale Infrastruktur an den Schulen – bekanntlich sind dort Lehrkräfte im Nebenjob für die IT-Netze verantwortlich.

Zusätzliche Stellen nur, wenn andere wegfallen

Es bleibt ein nicht gegenfinanziertes Mehr von 8,1 Stellen, notwendig etwa zur Bearbeitung von Rechtsstreitigkeiten um einen Kita-Platz, zur Bearbeitung der zunehmenden Überstunden oder für die neu übernommene Straßenbaulast B33. Der HFK, dem der Gemeinderat wohl folgen wird, hat diese Stellenmehrung nur mit Zähneknirschen bewilligt und der Verwaltung auferlegt, die zusätzlichen Stellen bis Ende 2026 durch Streichung anderer Stellen zu kompensieren. Ob der Beschluss anders ausgefallen wäre, wenn die Rät:innen zuvor die SWR-Doku Amt am Limit angeschaut hätten?

Versenkt wurde vom HFK der Verwaltungsvorschlag zur Firmenfitness“, mit dem die Mitarbeitenden vergünstigten Zugang zu sportlichen Aktivitäten und Gesundheitsangeboten in Fitnessstudios, Sportvereinen oder Schwimmbädern erhalten hätten. Die Städte Singen und Radolfzell bieten dergleichen ihren Angestellten, auch die Konstanzer Stadtwerke. Dem HFK war diese Art Wertschätzung des städtischen Personals zu teuer. Mitarbeitermotivierung geht anders.

Viel Geld für den Schulausbau – Investition in die Zukunft

Neu investieren will die Stadt in 2025/2026 zusammen rund 45 Millionen Euro. Dazu kommt in etwa gleicher Höhe noch die sogenannte Bugwelle aus in früheren Jahren bereits bewilligten, aber zum Jahresende 2024 nicht abgeflossenen Mitteln, die dann ins aktuelle Haushaltsjahr übertragen wurden. Vieles davon ist etwa über Bauaufträge bereits gebunden. Doch es gibt auch Vorhaben, die etwa wegen Einsprachen oder aus Personalmangel nicht zeitgerecht angegangen werden konnten.

Der Löwenanteil der neuen Investitionen, nämlich 17 Millionen Euro, geht in die Sanierung und den Ausbau von Schulen. Schon begonnen wurde mit der Erneuerung von Stephans- und Buchenbergschule, starten soll nun auch die Erweiterung der Grundschulen in Allmannsdorf und Wollmatingen. Fünf Millionen Euro sind im Doppelhaushalt für die Generalsanierung der Geschwister-Scholl-Schule angesetzt, die sich noch bis 2029 hinziehen soll und alles in allem mit auf 40 Millionen Euro geschätzten Kosten die mit Abstand teuerste Gebäudesanierung der Stadt werden wird.

Nicht durchsetzen konnten sich FGL&Grüne mit ihrem Wunsch, die Erweiterung des Suso-Gymnasiums vorzuziehen. Gesichert scheint gegen den Willen von CDU, Freien Wählern und FDP indes die Umgestaltung des Stephansplatzes.

Schulden und stille Reserven

Finanzieren kann die Stadt ihre Investitionen nur über Kredite. Geht alles nach Plan, werden sich die Schulden der Stadt bis Ende 2026 gegenüber Ende 2024 auf dann 104 Millionen Euro nahezu verdoppeln. Doch ist es verwerflich, kommende Generationen über die von ihnen zu tragenden Zinsen an den Kosten der Kita- und Schulgebäude zu beteiligen, in denen sie einst gelernt haben? Kritisch ist nicht die Schuldenaufnahme für Investitionen, denn hier stehen dem geliehenen Geld ja neu geschaffene Werte gegenüber.

Bedenklich mag eher stimmen, dass die Stadt im Ergebnishaushalt ihre Abschreibungen nicht mehr erwirtschaften kann. Und damit, so mag es scheinen, auf Kosten der Substanz lebt. Den Abschreibungen steht jedoch, oh Wunder, auch (Grund-)Vermögen gegenüber, das immer wertvoller wird: die stillen Reserven. Während die Abschreibungen jedes Jahr die Bilanz belasten, fließt der Bodenwertzuwachs erst dann in die Rechnung ein, wenn ein Grundstück verkauft wird. Hält man sich dies vor Augen, erscheinen auch das Nicht-Erwirtschaften der Abschreibungen in einem milderen Licht.

Die großen Risiken lauern anderswo. Etwa beim Krankenhausneubau, der die Kreisumlage in die Höhe treiben wird. Oder bei den Stadtwerken, die nur dank Bürgschaften der Stadt noch kreditwürdig sind und sich mit dem Schwaketenbad und der Gasfähre Richmond zwei wahre Geldvernichtungsmaschinen leisten.

Text: Ralph-Raymond Braun
Fotos: Pit Wuhrer

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