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Die humanitäre Krise in Nordostsyrien

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Helfer:innen des Kurdischen Roten Halbmonds (Heyva Sor a Kurdistanê) im Einsatz. Bild: © Heyva Sor a Kurdistanê e.V.

Am 18. Januar 2025 lud das „Konstanzer Solidaritätsbündnis Rojava“ ins Neuwerk zu einer Informationsveranstaltung über die aktuelle Lage in Nord- und Ostsyrien ein, zu der rund 100 Interessierte kamen. Ein Referent der „Interventionistischen Linken Karlsruhe“ erläuterte die Hintergründe der besorgniserregenden Situation in Rojava und berichtete zusammen mit kurdischen Referenten über die aktuelle Lage.

Eine kurze Einführung

Mit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs erstarkte eine linke, syrisch-kurdische Bewegung mit eigenen politischen Zielen. Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), bestehend aus den Volksverteidigungseinheiten YPG (Yekîneyên Parastina Gel), der YPJ (Yekîneyên Parastina Jin) und weiteren lokalen Einheiten, übernahmen die militärische Verteidigung der Region und etablierten eine demokratische Selbstverwaltung.

Das basisdemokratische System umfasst lokale Räte, die regionale Ebene und schließlich die föderalen Bundesländer, die in Rojava als Kantone bezeichnet werden. Die drei Kantone Afrin, Kobane und Cizire bildeten Rojava, bis Afrin 2018 durch einen türkischen Angriffskrieg besetzt wurde. Ziel des Systems ist ein pluralistisches Zusammenleben aller ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen, die gleichberechtigt an politischen Entscheidungsprozessen teilnehmen.

Ein zentraler Pfeiler ist die Befreiung der Frau, die in den neuen Strukturen fest verankert ist. Die Revolution in Rojava ist vor allem eine Frauenrevolution: Jede Führungsposition ist durch eine Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann besetzt. Seit 2005 gibt es die Frauendachorganisation Kongra-Star. Weitere Projekte sind Frauenflüchtlingslager, Frauenkollektive, ein Frauendorf, eine Frauenuniversität und die militärische Frauenverteidigungseinheit YPJ (Yekîneyên Parastina Jin).

Die aktuelle Lage

Das Ende des Assad-Regimes, vor allem durch die unerwartete Offensive der islamistischen HTS (Hayat Tahrir al-Sham) herbeigeführt, eröffnet Rojava die Möglichkeit, Teil eines neuen Syriens mit einer eigenen autonomen Region zu werden. Doch diese Aussichten werden durch die verstärkten Angriffe der Türkei und ihrer dschihadistischen Hilfstruppe SNA (Syrische Nationalarmee) getrübt. Besonders kritisch ist die Lage an der Talsperre von Tişrîn am Euphrat. Seit dem 8. Dezember 2024 steht die südöstlich von Minbic gelegene Damm-Anlage im Fokus einer Militäroffensive der Türkei und der SNA.

Ziel ist es, von der Westseite des Euphrat vorzudringen, um Kobanê leichter angreifen zu können. Die Talsperre ist seit Wochen außer Betrieb. Nahezu eine halbe Million Menschen in Minbic, Kobanê und anderen Gebieten der Demokratischen Selbstverwaltung haben keinen Zugang zu Strom und Wasser. Ein Dammbruch könnte eine Katastrophe bis in den Irak auslösen.

Am 26. Januar 2015 wurde die Stadt Kobane vom IS befreit und zum Symbol des Widerstands. Die Worte „Jin Jiyan Azadî“ – Frau, Leben, Freiheit – schallten von dort erstmals in die Welt. Zehn Jahre später droht Kobane erneut zu fallen. Der Tişrîn-Damm erfüllt eine wichtige strategische Rolle, aber neben der Talsperre werden auch Mahnwachen bombardiert, die aus Protest gegen die Militärgewalt stattfinden. Zahlreiche Luft- und Drohnenangriffe auf Menschenansammlungen haben bereits mindestens neunzehn Menschenleben gefordert, über hundert weitere wurden verletzt. Unter den Opfern befindet sich auch eine deutsche Klimagerechtigkeitsaktivistin aus Baden-Württemberg. Die Situation erfährt international kaum Beachtung, die Angriffe gehen im Schatten der Weltpolitik weitgehend unter.

Humanitäre Krise

Der Sprecher der kurdischen Hilfsorganisation Roter Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê e.V.) ruft zu Spenden auf, um die Menschen, die durch die Offensive in Nordsyrien vertrieben wurden, zu unterstützen. Rund 200.000 Geflüchtete aus Tel Rifat und weiteren Gemeinden in der Şehba-Region müssen in die Autonomiegebiete evakuiert werden. Zusätzlich hat sich die Selbstverwaltung bereit erklärt, Vertriebene aus Aleppo aufzunehmen. Die massiven Fluchtbewegungen bedeuten großes Leid – insbesondere für Kinder, Frauen und ältere Menschen, die den harten Wintertemperaturen ausgesetzt sind. Um grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung sowie Hilfsgüter (Nahrungsmittel, Unterkünfte, Decken, Kleidung und Hygieneartikel) bereitstellen zu können, sind dringend Spenden nötig. Im Rahmen der Informationsveranstaltung am 18. Januar wurden insgesamt 870 Euro gespendet, beim Solidaritätsbrunch im Café Mondial am 26. Januar kamen noch über 300 Euro dazu.

Spendenkonto:
Heyva Sor a Kurdistanê e.V.
Kreissparkasse Köln
IBAN: DE49 3705 0299 0004 0104 81
BIC/SWIFT: COKSDE33XXX
Verwendungszweck: Rojava

Text: Solidaritätsbündnis Rojava Konstanz. Bild: Heyva Sor a Kurdistanê e.V.

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