Noch in diesem Jahr will der Kreistag den neuen Nahverkehrsplan des Landkreises mit zahlreichen Verbesserungen im Busverkehr beschließen. Was bringt dieser Plan für Konstanz und Umgebung? Und wie verbindlich ist diese Planung?
Das nicht etwa von Grün-Schwarz, sondern bereits 1995 von einer schwarz-roten Koalition unter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) beschlossene Gesetz über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG) verpflichtet die Stadt- und Landkreise, einen Nahverkehrsplan (NVP) aufzustellen.
Der Landkreis Konstanz hat damit das Ingenieurbüro IGDB Verkehrsplanung und Beratung beauftragt – für Freunde der Öffis eine gute Adresse, ging das Büro doch aus einer Bürgerinitiative hervor, die in den 1990er Jahren erfolgreich für den Erhalt einer Nebenbahn im Rhein-Main-Gebiet kämpfte. Diese als „DB“ im Namen des Unternehmens noch immer versteckte DreieichBahn ist heute eine beliebte Pendler:innen-Strecke zwischen Frankfurt und dem südöstlichen Umland.
Viele Ideen, um das Busfahren attraktiver zu machen
Der Stadtbusverkehr Konstanz war zunächst, warum auch immer, nicht Teil des Auftrags an das IGDB. Irgendwann wurde indes bemerkt, dass erstens bei der zum 1. Juli 2027 erforderliche Neuvergabe der Konzession für den Konstanzer Stadtbus die Vorgaben des Nahverkehrsplans zu berücksichtigen sind – und zweitens der alte, derzeit für den Stadtbusverkehr maßgebliche NVP von 2015 nicht mehr zeitgemäß ist.
So wurde IGDB beauftragt, nachträglich auch den Roten Arnold in den neuen Nahverkehrsplan des Landkreises zu integrieren. Diese Ergänzungen, wohl maßgeblich verfasst vom städtischen Verkehrsplaner Stephan Fischer in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken, wurden nun in der letzten Woche sowohl im Technischen und Umweltausschuss (TUA) wie im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) beraten.
Die in den Ausschüssen sitzenden Stadträte und -rätinnen dürften froh gewesen, nicht den gesamten, 215 Seiten umfassenden NVP-Entwurf samt seinen 18 Anhängen lesen zu müssen. Die Konstanz betreffenden Ergänzungen waren rot markiert. Bemerkenswert, dass die im Masterplan Mobilität 2020+ von 2013 beschlossenen Ziele weiterhin gelten sollen. Ebenso die seinerzeit im Rausch des frisch ausgerufenen Klimanotstands verabschiedete ÖV-Potenzialstudie (2022) (seemoz berichtete). Nicht mehr erwähnt wird jedoch das von Corona durchkreuzte „Maßnahmenpaket ÖPNV 2020“ der Stadtwerke.
Bemerkenswert ist weiter, dass der NVP-Entwurf daran festhält, den ÖPNV-Anteil am Binnenverkehr der Konstanzer Bevölkerung von aktuell elf Prozent bis 2030 auf fünfzehn Prozent zu steigern, was einem Fahrgastzuwachs um 35 Prozent entsprechen würde. Bis 2035 soll der ÖV-Anteil gar auf 19 Prozent steigen. Wie soll das gehen, wo doch aktuell Buskurse gestrichen und Fahrpreise regelmäßig erhöht werden?
Neue Buslinien auch ins Umland
Für Konstanz sind mehrere Erweiterungen bestehender Buslinien vorgesehen. So soll die Linie 2 künftig im Tausch mit der Linie 1 durchs Paradies fahren und bis ins Neubaugebiet Hafner verlängert werden. Die Linie 6 soll über das ZfP hinaus bis ans Ende der Insel Reichenau (Niederzell) verkehren. Eine neue Linie 7 soll die Autofähre in Staad über den Fernbusbahnhof Europabrücke mit Reichenau-Mittelzell verbinden. Vorgesehen ist weiter eine neue Rundlinie 81/82 vom Fernbusbahnhof über den Bahnhof Wollmatingen zum Schwaketenbad, weiter zur Uni und über den Sternenplatz wieder zum Fernbusbahnhof.
Hinzu kommen Linien, die in das Gebiet der Stadt Konstanz hinein beziehungsweise hindurch führen. Hier merkt man der Planung an, dass sie zunächst eher vom Konstanzer Umland aus gedacht war und sich bemüht, die gesamte Agglomeration besser miteinander zu verknüpfen.
Linie 203 soll vom Freizeitpark Allensbach kommend über die Bahnhöfe Allensbach, Reichenau, Wollmatingen bis zur Uni, dem Zähringerplatz und dem Bürgerbüro verlängert werden. Linie 204 soll die Mainau über Litzelstetten, Dingelsdorf, Wallhausen, Dettingen mit Allensbach (Bahnhof) verbinden, also den Menschen in den Vororten einen schnelleren Anschluss an die Bahn bringen. Auch an eine bessere Verknüpfung mit Kreuzlingen wird gedacht, indem einzelne Kreuzlinger Stadtbuslinien bis nach Konstanz verlängert werden.
Dabei sind die Planer:innen tief ins Detail gegangen. Nur zwei Beispiele: Sie schlagen einen zusätzlichen Halt der Linien 4/13 und 13/4 an der L 220 zwischen Wollmatingen und Dettingen im Gewann Frohnried vor, um die dortigen Freizeitvereine besser anzubinden. Sie bemängeln, dass der Frühzug von Konstanz nach Zürich morgens um 5.09 Uhr bisher von Bahnhöfen Allensbach, Reichenau oder mit der Stadtlinie 2 von Wollmatingen nicht erreicht werden kann.
Schwachstelle Bahnhof Konstanz
Hinzu kommen der barrierefreie Umbau zentraler Haltestellen, Fahrradanhänger für Busse auf Linien mit hohem Freizeitverkehr, elektronisches Check-in-/Check-out-Ticketing mit Bestpreisabrechnung, automatische Information der Busfahrer:innen über verspätete Züge, ein Fahrgastbeirat und und und …
Alles in allem ein tolles Programm, in dem sich nur zwei Haken finden. Der NVP-Entwurf regt an, die Abschaffung des Haustarifs der Stadtwerke Konstanz zu prüfen – was die Fahrpreise für den Roten Arnold weiter verteuern würde. Außerdem ist da die wohl auf Betreiben der Stadtwerke eingefügte Zielvorgabe, „Reduzierung der Anzahl der am Bahnhof Konstanz verkehrenden Linienbusse […] zur Aufwertung der Aufenthaltsqualität am Bahnhofsplatz.“
Versteckt sich hier das Bestreben, unter einem Vorwand den Ringverkehr der Busse rund um die Altstadt einzuschränken und den am Bahnhof Ankommenden einen zusätzlichen Umstieg am Sternenplatz aufzuzwingen? Wäre dem so, hätte das Versprechen von Stadtwerkechef Norbert Reuter, nach Abschluss der Straßenbauarbeiten die Stadtbusse wieder wie früher am Bahnhof halten zu lassen, nur eine begrenzte Halbwertzeit.
In der Beratung des HFK monierte Dorothee Jacobs-Kranen (Grüne) diesen Punkt („Die Reduzierung der den Bahnhof anfahrenden Linien kommt für uns nicht infrage!“), was den Ausschuss nicht daran hinderte, die Konstanz betreffende Ergänzung des NVP unverändert einstimmig gut zu heißen.
Wer soll das bezahlen?
Werden diese Verbesserungen des ÖPNV nun auch umgesetzt werden? Vermutlich nein. Alles steht nämlich unter Finanzierungsvorbehalt. Allein für die zur Realisierung bis 2030 vorgeschlagenen Maßnahmen müsste Konstanz, so der NVP-Entwurf, mit jährlich 9,15 Millionen Euro zusätzlichen Betriebskosten im Busverkehr rechnen. Bei einem Kostendeckungsgrad durch Fahrscheinverkäufe von aktuell etwa zwei Dritteln wäre das ein Zuschussbedarf von drei Millionen Euro – zusätzlich zu dem bereits bestehenden Defizit des Busbetriebs (2023 waren das 5,7 Millionen Euro). Für den Landkreis rechnen die Planer gar mit einem Zuschussbedarf von rund 7 Millionen Euro.
Stadt und Landkreis hoffen hier auf das Landesmobilitätsgesetz. Dieses Herzensanliegen des grünen Verkehrsministers Winfried Herrmann, das der Gesetzgeber noch immer nicht verabschiedet hat, schwächte der Koalitionspartner CDU jedoch bereits im Vorfeld deutlich ab (seemoz berichtete).
Gestrichen wurden die Möglichkeiten einer Citymaut und einer Arbeitgeber:innen-Abgabe für Pendler:innen. So bleiben den Kommunen im aktuellen Entwurf nur noch zwei Möglichkeiten, Abgaben für den öffentlichen Verkehr zu erheben. Entscheiden sie sich für einen Einwohnerbeitrag, müssen die Bürger:innen ab 18 Jahren zahlen. Als Gegenleistung bekommen sie ein Guthaben in gleicher Höhe für ein ÖPNV-Ticket. Die zweite Möglichkeit wäre eine Abgabepflicht nur für Kfz-Halter:innen. Auch hierfür soll es im Gegenzug ein Mobilitätsguthaben in gleicher Höhe geben.
Doch ob dieses Gesetz überhaupt noch verabschiedet wird? Oder die CDU Mittel und Wege findet, es bis zur nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2026 weiter zu verzögern und nach einem Wahlsieg dann zu versenken? Dann bliebe nur die Utopie.
Text: Ralph-Raymond Braun / Fotos: Ralph-Raymond Braun, Pit Wuhrer
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