Nach der erfolgreichen Rentenabstimmung am 3. März kommt es drei Monate später, am 7. Juni, in der Schweiz zur Volksabstimmung über die Deckelung der Krankenkassenbeiträge. Diese, so fordert die Linke, dürfen künftig zehn Prozent des Einkommens nicht überschreiten.
Mit stattlichen 58 gegen 42 Prozent haben die Schweizer Stimmberechtigten am 3. März für eine zusätzliche staatliche 13. Monatsrente gestimmt und damit zum ersten Mal überhaupt einem sozialen Anlegen an der Urne zum Durchbruch verholfen. Wie und wann diese nun ausgezahlt wird und aus welchen Finanztöpfen, ist noch unklar. So wenig hatten Regierung und Parlament mit diesem Ergebnis gerechnet, auch wenn die Umfragen vor dem Urnengang ein solches nicht ausgeschlossen hatten, allerdings mit einem eher knappen Ergebnis. Denn die maximale AHV-Rente beträgt in der teuren Schweiz pro Person 2450 Franken im Monat, die minimale 1225 Franken.
Die Gewinner waren die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) und die Grünen. Aber das Ergebnis wäre nicht zustande gekommen ohne Wähler der rechten konservativen Liberalen (FDP) und der noch rechteren Schweizerischen Volkspartei (SVP). Offenbar hat die grosse bürgerliche Parlamentsmehrheit bis hin zur Partei Die Mitte (ehemals Christliche Demokraten) und den Grünliberalen (GLP, «Banker mit Müsli») die Sorgen der Bevölkerung angesichts steigender Preise und Inflation aus den Augen verloren. Für „Volksnähe“ spricht das nicht gerade.
Und auch das Ständemehr kam locker zustande, demzufolge die Mehrheit der Kantone (trotz sehr unterschiedlicher Bevölkerungszahl vom grössten – Zürich mit über 1,5 Millionen Einwohnern – bis zum kleinsten – Appenzell Innerrhoden mit 15.500 Bewohnern) zustimmen muss.
Einheitlicher Beitrag für alle
Nun will die Linke ihre Chance beim Schopfe fassen. Denn schon am 7. Juni steht die nächste Volksabstimmung über ein soziales Anliegen ins Haus: die Krankenkassenprämien. Die nämlich sollen gesetzlich auf höchstens zehn Prozent des Monatseinkommens gedeckelt werden. Während die Nettoeinkommen laut SP seit der Jahrtausendwende um 12 Prozent gestiegen sind, waren es bei den Krankenkassenprämien satte 158 Prozent.
Das liegt einerseits an den vielen Krankenkassen (alleine im Kanton Thurgau gibt es derer siebenundzwanzig), die alle eigene Verwaltungen führen und jede für sich werben. Daher ist schon länger eine Einheitskasse im Gespräch; diese wäre zwar ein Monopol mit allen Gefahren (Preisdiktat, Trägheit), aber vier oder fünf Kassen würden ja reichen.
Ein weiteres Problem: Während die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge (etwa für die Rente) vom Einkommen abhängen, gibt es bei den Krankenkassen ausschliesslich Pro-Kopf-Prämien. Private Krankenkassen wie in Deutschland, durch die man beim Hausarzt auch mal bevorzugt behandelt wird, gibt es in der Schweiz nicht. Man zahlt also bei der Krankenkasse seiner Wahl, ob arm oder reich, keinen vom Einkommen abhängigen Beitrag, sondern die einheitliche Prämie (und bekommt bei nachgewiesener Bedürftigkeit einen Zuschuss von Kanton oder Gemeinde).
Teure Medikamente
Und noch ein Nachteil: Medikamente sind in der Schweiz deutlich teurer als im benachbarten Ausland. Im Durchschnitt sind es 5,4 Prozent. Medikamente ausgelaufener Patente kosten um 10, 8 Prozent mehr, Generika (die ja eigentlich den Vorteil haben sollten, dass ein ausgelaufenes Patent mit gleicher Wirkung neu hergestellt wird), gar um 45,5 Prozent. Das nennt man „Marktwirtschaft“. In die „reiche“ Schweiz werden ja auch Lebensmittel oder Kosmetika mit zum Teil hohen Preisaufschlägen exportiert.
Kein Wunder, dass Sozialdemokraten und Gewerkschaften die zeitlich günstige Konstellation und den Schub vom 3. März bis zum 7. Juni nutzen wollen, um den nächsten Klotz vom Bein der Verbraucher:innen und Patient:innen los zu werden. Und der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) sammelt bereits Unterschriften für ein Referendum gegen das nächste soziale Ungemach: Durch eine vom Parlament beschlossene Krankenkassenreform sollen die Kantone die Kontrolle über die Gesundheitskosten abgeben. Die Krankenkassen könnten dann alleine über die elf Milliarden Franken im Topf für die medizinische Versorgung der Bevölkerung verfügen.
Text: Jochen Kelter / Foto (von der Bekanntgabe des Rentenabstimmungsergebnisses am 3. März 2024): Website des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds
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